Menü

Studiengebühren

 

"Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung." (Art. 26 Abs. 1 Satz 1, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte)

Im Jahr 2006 beschäftigte sich attac Marburg sehr intensiv mit der Einführung von Studiengebühren in Hessen. Derzeit arbeitet der AK Globalisierung von attac Marburg an dem Thema. Konkret plant der AK zwei Veranstaltungen zu den Zusammenhängen zwischen G8, Bildungsprivatisierung und Studiengebühren: G8 und Bildung

Der folgende Text entstammt einem Flugblatt des AK Globalisierung von attac Marburg. Das praktische Faltblatt kann auch als pdf heruntergeladen werden: Bildung für ALLE!(Vers. vom 26.03.07)

Bildung für ALLE! - Plädoyer für ein gebührenFREIES Studium

Das Thema Studiengebühren bringt Tausende von wütenden Menschen auf die Straße – und das schon seit Jahren. Bereits 2003 gab es in Deutschland große Proteste gegen die Einführung von Gebühren, die nach Überschreiten einer gewissen Semesterzahl fällig werden. Damals versicherten die Kultusminister(innen), dass das reguläre Erststudium gebührenfrei bleiben solle. Doch mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, das die Entscheidung über Studiengebühren zur Ländersache erklärte, ist ein Damm gebrochen: In vielen Bundesländern werden Gebührenmodelle entwickelt; teils gibt es bereits Studiengebühren, und zwar ab dem ersten Semester!

Als Grund für Gebühren verweisen Politiker(innen) immer wieder auf die schlechten Zustände an den Universitäten und auf die leeren Kassen der Länder. Die tatsächlichen Beweggründe werden zumeist verschwiegen:

Von der Universität zum Bildungskonzern

Unter dem Dach der Welthandelsorganisation trat 1995 ein Dienstleistungsabkommen (GATS) in Kraft, durch das Bildungsbereiche zunehmend privatisiert und damit der öffentlichen Verantwortung entzogen werden sollen. Die bisher öffentliche Finanzierung und Gestaltung von Bildung wird somit in die Hände von Konzernen überführt. Damit wird ein weiterer Bereich unseres Lebens einem blinden Marktglauben geopfert – ganz im Sinne des Neoliberalismus.

Der neoliberale Zeitgeist verlangt, Bildungseinrichtungen in marktförmige Unternehmen umzuwandeln und diese „international wettbewerbsfähig“ zu machen. Dabei sind Studiengebühren ein wichtiger Teil dieses Wettbewerbs: Durch sie werden Studierende zu Kund(inn)en und Bildung zu einer Ware, die ihren Preis hat.

Ist die öffentliche Hochschulfinanzierung unsozial?

Das von der Bertelsmann-Stiftung finanzierte Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zählt zu den härtesten Verfechtern von Studiengebühren. Dabei behauptet die Denkfabrik dreist, es sei bewiesen, dass ein rein steuerfinanziertes Studium zu einer Umverteilung „von unten nach oben“ führe und somit unsozial sei.

Einige Politiker(innen) greifen dieses Argument begeistert auf und brabbeln brav nach, es könne nicht länger hingenommen werden, dass die Krankenschwester das Studium des Chefarztsohnes zahle. Die Frage, wie denn die Kinder der Krankenschwester ein gebührenpflichtiges Studium finanzieren sollen, wird bestenfalls mit dem Verweis auf Darlehensangebote beantwortet.

In einer Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom Februar 2007 wird den Behauptungen des CHE widersprochen und festgestellt, dass die These einer Umverteilung von unten nach oben keinesfalls nachgewiesen ist und somit auch nicht als Argument für die Einführung von Studiengebühren verwendet werden kann. Stattdessen regt der Autor an, alternativ den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer anzuheben. Dem dürfte auch die Krankenschwester zustimmen.

Vorbild Australien?

Australien gilt als Vorbild für die Einführung von Studiengebühren, die erst nach dem Studium zu zahlen sind. Da nach der Einführung der Gebühren die Zahl der Studierenden in Australien anstieg, wird ein solches Modell gerne als „sozial verträglich“ angesehen. Aber in Australien nahmen nur deshalb mehr Menschen ein Studium auf, weil zeitgleich mit dem Erheben von Gebühren auch neue Studienplätze geschaffen wurden. Davon gab es zuvor nämlich viel zu wenig.

Auch sonst ist das australische Gebührenmodell nicht vorbildlich. Bei einer Studie, welche die Entwicklung von 1996 bis 2001 untersuchte, zeigte sich, dass Studierende einen immer größeren Anteil ihres Studiums selbst finanzieren mussten, während die staatliche Finanzierung mehr und mehr abnahm.

Studiengebühren? – Nein Danke!

Immer mehr Bundesländer bitten Studierende mit etwa 1.000 Euro pro Jahr zur Kasse. Dass es dabei nicht bleiben wird, zeigen zahlreiche Beispiele. In den USA haben sich die Gebühren in den letzten 20 Jahren fast verdreifacht und betragen – je nach Uni – teilweise schon über 30.000 Euro pro Jahr. Auch in Deutschland wurden bereits Jahresbeiträge von 5.000 Euro ins Gespräch gebracht. Die wahrscheinlichen Folgen liegen auf der Hand:

  • Viele werden ihr Studium noch schneller durchziehen. Für einen „Blick über den Tellerrand“ bleibt keine Zeit. Wollen wir wirklich akademische Fachidioten?
  • Mehr Studierende brechen ihr Studium ab, da sie von der Einführung oder Erhöhung der Gebühren überrascht werden.
  • Noch mehr Studierende müssen nebenbei Geld verdienen. Dabei sehen viele Studiengänge ein Arbeitspensum vor, das mit 1.800 Stunden bereits über der gewöhnlichen Jahresarbeitszeit von deutschen Vollzeit-Beschäftigten liegt.
  • Viele Menschen entscheiden sich aus Angst vor Verschuldung gegen ein Studium. Wie eine 2004 vorgenommene Befragung ergab, haben selbst zinslose Darlehen eine abschreckende Wirkung.
  • Andere werden mit einem Schuldenberg ins Berufs- und Familienleben starten. Bereits der Anstieg der Lebenshaltungskosten ist für viele Studierende kaum zu schultern, zumal das BAföG nicht erhöht, vielleicht sogar bald abgeschafft wird. Kreditinstitute reiben sich schon jetzt die Hände.
  • Ein von den Vereinten Nationen beauftragter Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Bildung kritisierte Anfang 2007 Deutschland für die hohe Abhängigkeit zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft. Studiengebühren treffen vor allem diejenigen, die sie nicht bezahlen können. Somit wird sich die soziale Schieflage an den Hochschulen und im Bildungssystem weiter verschärfen. Die „Elite“ bleibt unter sich.

Die Einführung von Studiengebühren ist ein Schritt in Richtung Privatisierung des Bildungssektors. Der Staat zieht sich zurück, die Hochschulen werden zu Unternehmen, die Studierenden zu Kund(inn)en und Bildung zur Ware.

Diese Entwicklung eröffnet der Wirtschaft ungeahnte Möglichkeiten. Ein Vorgeschmack: Zur Erforschung des globalen Klimawandels empfing die Stanford-Universität 2003 eine großzügige Spende von ExxonMobil, dem größten Mineralölkonzern der Welt. Dieser darf nun mitentscheiden, welche Forschungsprojekte finanziert werden.

Es geht auch anders!

Dass es auch ohne Studiengebühren geht, zeigt z.B. ein Blick nach Skandinavien. Dort wird fast komplett auf Gebühren verzichtet. Studierende erhalten sogar vielfach eine großzügige und elternunabhängige finanzielle Förderung. Konsequenz: Während sich in Deutschland nur knapp 35 Prozent eines Jahrgangs für ein Studium entscheiden, sind es in Skandinavien über 70 Prozent.

data:Gebuehrenfreiheit_in_Europa_07-03-26.gif
Die Einwohner(innen) der eingefärbten Länder müssen an ihren
öffentlichen Hochschulen i.d.R. keine Studiengebühren zahlen.

Wie kann die Finanzierung der Hochschulen ohne Studiengebühren verbessert werden? Zum Beispiel durch eine Vermögenssteuer. Bereits bei einer Höhe von nur einem Prozent und einem Freibetrag von 500.000 Euro würden, laut einer Studie des DGB von 2003, über 15 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuergeldern zur Verfügung stehen. Dies wäre ein Vielfaches von dem, was Hochschulen durch Studiengebühren zufließen würde.

Widerstand ist möglich!

Zusammen mit über 150 Staaten hat auch Deutschland den Sozialpakt der Vereinten Nationen unterschrieben und damit verbindlich anerkannt, dass „der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss“ (Art. 13 Abs. 2 c). Bildung ist ein öffentliches Gut und darf nicht zum Luxus für eine wohlhabende Elite werden.

  • Unterstützen Sie die Proteste gegen die Einführung von Studiengebühren!
  • Wenden Sie sich an die verantwortlichen Politiker(innen) und die Abgeordneten Ihres Wahlkreises!
  • An einigen Hochschulen wird zum Boykott der Gebühren aufgerufen. Informieren Sie sich!
  • Fordern Sie gemeinsam mit uns: Bildung für alle!



Mit der immer wieder vorgebrachten These, wonach das steuerfinanzierte Hochschulstudium sozial ungerecht sei, beschäftigt sich dieser Text (pdf): Studiengebühren als Beitrag für mehr soziale Gerechtigkeit?(Vers. vom 03.03.07)

Ein Vortragstext der Veranstaltung G8 und Bildung beleuchtet die Rolle von Studiengebühren und anderen Aspekten der Hochschulreformen im Hinblick auf eine Elitenbildung (pdf): "Eliten" unter sich(Vers. vom 09.05.07)

Wir unterstützen das Normenkontrollverfahren gegen die Einführung von allgemeinen Studiengebühren in Hessen.

Weitere Infos gibt es z.B. beim Marburger Aktionsbündnis gegen Studiengebühren und Sozialabbau (ABSS).