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Globalisierungskritik und die radikale Rechte

Ankündigung: Globalisierungskritik und die radikale Rechte

Diskussionsveranstaltung mit Pedram Shayar (attac) am Dienstag, den 30. August 2005 im Weltladen

Seit geraumer Zeit versuchen rechte Gruppierungen, von der Globalisierungskritk zu profitieren.

Für Attac stellt sich deshalb die dringende Frage, inwieweit die eigene Kritik an Globalisierungsvorgängen für Rechtsradikale anschlußfähig ist. Als Stichwörter sind hier zu nennen:

  • die Tobin Steuer
  • die „Heuschrecken-Debatte“
  • die Souveränität von Nationalstaaten in Zeiten der Globalisierung

Die Rechte ist gegen Globalisierung – ist Attac es auch? Um sich als bildungsorientierte, globalisierungskritische Bewegung deutlich von den Zielen und Vorgehensweisen der Rechten abzugrenzen, muss Attac sich klarer zu positiven Seiten der Globalisierung bekennen. Eine der wichtigsten Begleiterscheinungen der Globalisierung ist die grenzüberschreitende Bewegung von Personen und Ideen. Welche Position haben Globalisierungskritiker zu diesem Thema? Welche positiven Effekte resultieren daraus? An diesem Beispiel lässt sich deutlich machen, wie eine Abgrenzung gegen Rechts zu vollziehen ist. Wichtig ist dieses Thema auch, um die humane Dimension der Globalisierung im Auge zu behalten.

Schließlich ist die Frage zu diskutieren, wie soziale Forderungen so formuliert werden können, so dass sie keine Anknüpfungspunkte für Rechte bilden. Hier geht es beispielsweise um die Frage, wie die neoliberale Politik der EU kritisiert werden kann gerade unter dem Aspekt, das z.B. durch die geplante EU-Richtlinie zur Dienstleistungsliberalisierung (Bolkesteinrichtlinie) die allgemeine Konkurrenz angestachelt wird, also auch die Konkurrenz zwischen den Ländern um möglichst niedrige Löhne. Wie sollte sich Attac unter diesen Bedingungen zu den Beitrittswünschen zur EU von weiteren Ländern wie Rumänien, Bulgarien und der Türkei positionieren?

Pedram Shayar wird auch auf die Argumente der Antideutschen und Neoliberalen eingehen, dass eine Kritik am gegenwärtigen Kapitalismus immer strukturell antisemitisch sei.

Der Referent Pedram Shayar ist Mitglied des bundesweiten Koordinierungskreises von attac.

Ort: Weltladen, Markt 7, 35037 Marburg, Zeit: Dienstag, der 30. August 2005, 20:00 Uhr

Bericht

Die Veranstaltung wurde von c.a. 15 Personen besucht, die nicht aus dem Attac-Umfeld kommen und war insofern ein Erfolg.

<link marburg data shayar-01.jpg _blank>Pedram Shayar

Pedram Shayer ging zunächst auf eine verkürzte Kapitalismuskritik von vielen rechten Gruppen ein, die das Finanzkapital (in der Nazi-Terminologie: "Raffendes Kapital") zwar kritisieren und es in einen Zusammenhang mit den Juden bringen, aber das Industrielle Kapital als etwas positives betrachten (in der Nazi-Terminologie: "Schaffendes Kapital"). Dies ist ein Fehler, denn das Finanzkapital und das industrielle Kapital hängen voneinander ab. Denn die auf den Finanzmärkten gehandelten Titel haben ihre Basis in der Ausbeutung der ArbeiterInnen in der Produktion, andererseits sind große Firmen auf die Finanzierung durch Aktien etc. angewiesen.

In gewissem Umfang sei eine spezielle Kritik am Finanzkapital berechtigt, weil es teilweise eigenen Gesetzen gehorcht; so hat es insbesondere die Möglickeit, sich innherhalb kürzester Zeit aus einen Engagement zurückzuziehen. Diese Möglichkeit übt einen enormen Druck auf die reale Wirtschaft aus, die so mehr und mehr nach den Interessen der Finanzmärkte auf Maximalprofit ausgerichtet werden muss.

Im zweiten Teil seines Vortrags ging Pedram Shayar auf die Rolle des Nationalstaats in der Globalisierung ein. Die Staaten haben den Globalisierungsprozess und den Abbau von nationalen Regulierungen selbst herbeigeführt. Unter den heutigen Bedingungen sind seiner Meinung nach rein nationale Antworten auf die sozialen Probleme der Globalisierung nicht mehr möglich. Eine solche Reaktion kann höchstens noch im regionalen Rahmen (z.B. EU), aber in vielen Fällen nur weltweit erfolgen.

Eine nationale oder rein regionale Lösung dieser Probleme ist seiner Meinung nach auch nicht sinnvoll, denn das könnte zur Herausbildung von großen Wirtschaftsblöcken führen, etwa vergleichbar, wie sie in der Zeit des zweiten Weltkriegs existierten.

Die internationale Arbeitsteilung hat seiner Meinung nach auch positive Auspekte. In einer nachkapitalistischen Welt kann sie zu bedeutenden Effizienzgewinnen führen, ohne dass die Bevölkerung zwangsweise darunter leiden müsste.

Die Globalisierung der Kultur und die globale Kommunikation sind positive Aspekte der Globalisierung. Das gleiche gilt auch für die Migration. Er forderte in diesem Zusammenhang die Legalisierung der Illegalen und eine globale Bewegungsfreiheit.

Diskussion

In der Diskussion wurde insbesondere Angezweifelt, dass die internationale Arbeitsteilung auch in einer nichtkapitalistischen Umgebung besonders viele positive Aspekte hat. Gerade auch ökologische Gesichtspunkte könnten eine Re-Regionalisierung der Produktion nahelegen. Dies wird auch durch die aktuelle technische Entwicklungen erleichtert. Moderne Industrieroboter können eine Vielzahl von Produkten auch in kleinen Serien herstellen. Eine Voraussetzung hierfür wäre es, dass Produktionswissen frei verfügbar ist. Es spräche demnach viel dafür, die Forschung und Entwicklung von Produktion global zu organisieren und geistige Monopolrechte in diesem Bereich aufzuheben.

Die Globalisierung der Kultur war bisher eine Einbahnstraße und hatt den Effekt, dass die amerkanische Kulturinstustrie immer weitere Märkte eroberte und die lokale kulturelle Produktion verdrängte. Zwar kam es auch zu umgekehrten Prozessen, etwa indem sich eine Fangemeinde von Animes und asiatischen Filmen auch in den westlichen Ländern bildete, aber solche Effekte blieben bisher ganz vereinzelt und sie werden von der Unterhaltungsindustrie erbittert bekämpft.

Zudem wurde bezweifelt, dass Migration per se ein positives Phänomen ist. Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist Migration vielfach ein gewaltsamer Prozess der Entwurzelung, wo Menschen aufgrund von Armut dem Kapital bzw. Verdienstmöglichkeiten hinterherziehen und doch zu einem großen Teil in den Slums der großen Städte bzw. ausbeuterischen Weltmarktfabriken landen. Durch diese massenhafte, vom Kapital erzwungene Migration wird auch Druck auf die Löhne der Beschäftigten in den Industrieländern ausgeübt. Die Forderung nach globaler Bewegungsfreiheit sei deshalb nur als langfristige Forderung sinnvoll.

<link marburg data shayar-02.jpg _blank>Pedram Shayar