Sendung vom 8. Juli
Wie demokratisch ist der "Wertewesten"?
1. Beitrag
Julian Assange ist frei. Zu Recht löste der Umgang mit Julian Assange Empörung weltweit aus. Die Unmenschlichkeit und die Machtvollkommenheit der USA und England sowie die Sorge um die Pressefreiheit waren Grund für die weltweite Entrüstung. Dass die USA schließlich nachgaben, war allerdings auch einem politischen Kalkül geschuldet. Biden wollte durch den Akt die Wähler zurückgewinnen, die er mit seiner Israelunterstützung verloren hatte. Großbritannien konnte sich elegant aus der Affäre ziehen und Albanese, der australische Ministerpräsident, wollte sein illiberales Image aufbessern. Deutschland ließ es an klarer diplomatischem Engagement fehlen.
Wir meinen, dass die USA und Groß Britannien wie auch Australien noch weitere gute Gründe hatten, einen Weg zu finden, um ein Verfahren in den USA zu vermeiden, zugleich Julian Assange zu einem Schuldeingeständnis zu bringen und damit ihren Anspruch auf die Kontrolle der Presse zu sichern. Ein Verfahren in den USA hätte unter den Augen der Öffentlichkeit stattgefunden. Die USA hätten zu ihrem jetzigen Ansehensverlust noch einen weiteren schwerwiegenden Ansehensverlust hinnehmen müssen. Da waren einerseits die verbrecherischen Handlungen der US-amerikanischen Militärs und die fehlende Verurteilung der Verantwortlichen auf der Leitungsebene und andererseits die Geheimhaltung im Verfahren und die drakonischen Strafen gegen einen Journalisten, der die Wahrheit ans Licht brachte und da war andererseits die Anklage aus dem espionage Act einem über 100 Jahre alten Delikt, das einst gegen kommunistische Landesverräter erlassen worden war. Die USA hätten von sich ein Zeugnis der Unmenschlichkeit abgegeben, was ihre Glaubwürdigkeit noch mehr in Mitleidenschaft gezogen hätte.
Australien hätte eigentlich Antrag auf Auslieferung seines Bürgers in sein Heimatland stellen müssen, unterließ es jedoch in der ganzen Zeit. Wäre es zu einem Verfahren in den USA gekommen, hätte auch Australien eine Mitschuld getragen.
Dennoch: es war die Zivilgesellschaft, die einen nicht zu übersehenden Grundstein für die Freiheit von Julian Assange legte.
2. Beitrag
Demokratie am Abgrund
Wir hören Ausschnitte aus einem Vortrag von Rainer Mausfeld im März dieses Jahres in München [1][2].
Rainer Mausfeld [3] ist ein deutscher Professor für Allgemeine Psychologie an der Universität Kiel. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind Wahrnehmungspsychologie, Kognitionswissenschaft und Geschichte der Psychologie. Seine seit 2015 veröffentlichte Kritik an der repräsentativen Demokratie und an den Funktionen der Massenmedien wird in den Medien kontrovers beurteilt. Einem breiten Publikum wurde er durch den Bestseller Warum schweigen die Lämmer und durch Vorträge und Artikel bekannt.
Er beginnt mit den Ursprüngen der Demokratie im alten Griechenland als radikalste Form der Zivilisierung von Macht.
Davon kann heute keine Rede mehr sein. Ein Prozess der Ent- Zivilisierung der Macht findet ständig schleichend statt. Dies passiert durch Gesetzgebung von Regierungen. „Ein parasitäres Mehrhabenwollen auf Kosten der Gemeinschaft bedroht den gesellschaftlichen Zusammenhalt und führt zu einer Selbstzerstörung der Gesellschaft “, Die Spaltung und Zerstörung unserer Gesellschaft, wie wir es in nahezu allen westlichen Staaten beobachten können, ist eine Folge herrschender Machtverhältnisse, die durch Regierungen gestärkt werden. Zusammen mit der Behinderung der freien Meinungsbildung, wie wir sie in den letzten Jahren durch Einschränkung des öffentlichen Debattenraums erleben, wird einer Demokratie der Nährboden entzogen. Und das alles, so sagt Rainer Mausfeld, mit Billigung und stillschweigender Duldung gerade der Teile der Bevölkerung, die am längsten das Bildungssystem durchlaufen haben.
3. Beitrag
Gaza Palästina Israel- ein ehemaliger Geheimdienstchef Israels zeigt Weitsicht bei aller Parteilichkeit für Israel
Seit genau 7 Monaten herrscht Krieg in Israel und im Gazastreifen. Noch immer können sich die Regierungen des Westens nicht für einen wirksamen Weg einer friedlichen Beendigung des Konflikts entscheiden.
Wir suchten nach Stimmen, die den Gräueln und Verbrechen in Israel und Gaza und vor allem in Gaza ein Ende bereiten wollen, und wurden bei dem ehemaligen Chef des israelische Inlandgeheimdienst Schin-Bet, Ami Ayalon, fündig.
Ami Ayalon sieht wie viele Geheimdienstler Hamas als den wahren Feind. Aber das sagt niemand von ihnen. Sie sagen es erst, wenn sie im Ruhestand sind, so auch Ami Ayalon, ehemaliger Geheimdienstchef. Man müsse nicht einen Feind bekämpfen, sondern seine Strategie. Diese müsse man zum Scheitern bringen, so Ayalon. Akteure der Strategie seien die Hamas. Deshalb gelte der Kampf nicht den Palästinensern, sondern der Hamas.
„Mit ihnen werden wir nicht reden, weil sie uns nicht anerkennen, aber mit allen anderen werden wir über zwei Staaten verhandeln, auf der Basis der Arabischen Friedensinitiative von 2002. Das wäre ein Desaster für die Hamas“, so Ayalon.
Palästinensische Gefangene würde er ohne weiteres frei geben, um die Geiseln frei zu bekommen. Es geht darum, den Krieg zu beenden, anderenfalls würde Israel „im Treibsand von Gaza versinken“.
Die Rachebedürfnisse bestünden in der israelischen Gesellschaft. Deshalb müsse die Weltgemeinschaft eingreifen und Netanyahu verständlich machen, dass es genug sei.
Ob die Palästinenser hierfür zu gewinnen sind, ist angesichts ihrer traumatischen Vergangenheit und ihres grundsätzlichen Vertrauensverlusts nicht zu erwarten. Johann Galtungs Friedenskonzept der empathischen Wahrnehmung und der Verpflichtung aller Beteiligten, gemeinsame Ziele zu erarbeiten, könnte weiterhelfen. Er war ein erfolgreicher Friedensvermittler und Träger des alternativen Friedensnobelpreises. Er starb im letzten Jahr.
[1] www.youtube.com/watch
[2] we.tl/t-7pT6kovI98
[3] de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Mausfeld