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Sendung vom 9. Oktober


1. Beitrag
Riace – ein ganz besonderes Dorf in Kalabrien
Ein Bericht von Elisabeth Voss in der Zeit-schrift Graswurzelrevolution
Das kalabrische Bergdorf Riace wurde weltweit bekannt für seine Willkommenskultur. Wie viele Orte der ländlichen Region litt es schon lange unter Abwanderung. Als 1998 ein Segelschiff mit fast 200 kurdischen Geflüchteten dort ankam, kümmerten sich die Einheimischen, allen voran Domenico Lucano, um die Schutzsuchenden und organisierten Wohnraum in den verlassenen Häusern. Als Bürgermeister sorgte Domenico Lucano für Arbeit und soziales Leben. Weltweit wurde die Solidarität mit Ge-flüchteten in Riace gefeiert. Doch Innenminister Salvani und andere rechte Kräfte wollten diesem Projekt der Solidarität ein Ende bereiten. Domenico und 17 Riaciani wurden 2018 vor Gericht gestellt. In erster Instanz wurde Lucano 2021 zu 13 Jahren und 2 Monaten Gefängnis verurteilt. Eine weltweite Welle der Solidarität sorgte für Empörung über die Grenzen des Dorfs hinaus.
Inzwischen ist das Urteil aufgehoben. Lucano wurde zu 1 Jahr und 6 Monaten mit Bewährung verurteilt. Wenn gleich auch dies nicht verständlich ist, so bestätigt das Urteil doch wie sein Anwalt sagt: »Die Aufnahme von Männern, Frauen und Kindern mit Migrationshintergrund ist kein Verbrechen. Das Berufungsurteil beweist, dass Lucano nichts für sich selbst getan hat, sondern vielmehr für andere, für die Schwächsten, gehandelt hat«.

2. Beitrag
Politik der Staatsstreiche - Gedanken zum 50. Jahrestags des Militärputsches in Chile
Vor 50 Jahren stürzte das chilenische Militär die sozialistische Regierung von Salvador Allende und errichtete eine viele Jahre andauernde Militärdiktatur. Der blutige Putsch kostete mehr als 3.000 Menschen das Leben. 38.000 Frauen und Männer wurden zu politischen Gefangenen und Folteropfern. Die Zahlen stammen von der Bundeszentrale für politische Bildung. Dort geht man davon aus, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist.
In seinem Buch „Die Tyrannei des Wachstums“ zeigt Jason Hickel, wie der klassische Kolonialismus durch eine Politik der Staatsstreiche sowie durch eine Verschuldungspolitik ersetzt wurde und welche Rolle westliche Staaten unter Führung der USA dabei spielen.
1953 wurde Eisenhower Präsident der USA. Er holte die Brüder Dulles in sein Team: John Foster Dulles als US-Außenminister und Allan Dulles als CIA-Chef. Unter dem maßgeblichen Wirken beider Dulles-Brüder entwickelten die USA eine Politik der weltweiten Staatsstreiche, um in anderen Ländern US-genehme Regierungen zu etablieren.
Den ersten Regimechange verübten die USA 1953 im Iran und trugen dort aktiv zu jenen Entwicklungen bei, die sie heute anprangern. Dem blutigen Putsch in Chile 1973 sind im Buch mehrere Seiten gewidmet. Diese vielfach von den USA praktizierte Art Geopolitik verstößt eklatant gegen Artikel 2 der UN-Charta von 1945, mit dem sich auch die USA zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten verpflichtet haben.
Die Grundlagen für das politische System in den USA haben sich nicht geändert. Weshalb also sollten die USA jetzt im Sinne von Demokratie und Menschenrechten handeln?
Nach dem besagten US-Außenminister John Foster Dulles ist eine Straße nahe dem Bundeskanzleramt in Berlin benannt. Das zeigt, wie sich die Bundesrepublik Deutschland zu den blutigen Völkerrechtsbrüchen der USA positioniert.
Wir heute Lebenden sind nicht für den Kolonialismus der vergangenen Jahrhunderte verantwortlich, jedoch für die aktuelle Politik unserer Regierung, denn schließlich haben wir ein demokratisches Mitbestimmungsrecht. Oder etwa nicht?
Die Probleme der Menschheit sind verschiedene Seiten der gleichen Medaille. Menschen, die sich für Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte oder Frieden einsetzen, sollten sich vereinen. Leider ist viel zu oft das Gegenteil der Fall. Wir müssen uns bewusst sein, dass die Atomisierung der westlichen Gesellschaften hauptsächlich den Interessen jener dient, deren Politik für die globalen Menschheitsprobleme verantwortlich ist.
Wer sich mit der Vergangenheit nicht auseinandersetzt, ist gezwungen, sie zu wiederholen. Gedenken wir in diesem Sinne der Ereignisse in Chile.

3. Beitrag
Putin schlug Verzicht auf Nato-Erweiterung gegen Verzicht auf Ukraine-Einmarsch vor
–so die Erklärung von NATO-General Jens Stoltenberg am 7. September vor dem EU-Parlament
Putin – so Stoltenberg – hatte angeboten, nicht in die Ukraine einzufallen, wenn die NATO auf die weitere NATO-Erweiterung verzichten würde. Zugegeben das ist eine Erpressung. Das ganze sieht etwas anders aus, wenn man die Entwicklung ins Auge fasst. Dann erscheint Putins Bedingung als der letzte Weg, um endlich gehört zu wer-den. Warum sollte Russland nicht eine militärfreie Zone an seinen Grenzen fordern? Was würden die USA sagen, wenn Russland an den Grenzen von Kanada oder Mexiko Militärstützpunkte und Raketenstützpunkte errichten würde? Die NATO hat ihre Strategie seit Ende 1998 von einem Verteidigungsbündnis zu einem Angriffsbündnis ent-wickelt, denn nicht mehr territoriale Angriffe sondern bereits Gefährdungen der Lebens- und Wirtschaftsweise durch Länder außerhalb der NATO können diese auf den Plan bringen. 2001 hat Putin im Bundestag ein Friedensangebot gemacht. 2007 erklärte Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz, das Russland sich durch die NATO bedroht fühle. 2021 hatte Putin sowohl der NATO als auch den USA ein Verhandlungsangebot unterbreitet. Wissend, dass Putin die Ukraine überfallen würde und gleichwohl jedes Gespräch zurückweisend, macht den Westen für den Ukraine-Krieg mitverantwortlich. All dies erwähnt Stoltenberg nicht.