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Senegal

Abbildung 1. Das „Greater Tortue Ahmeyim“ Gasfeld vor der Küste von Senegal und Mauretanien, aus dem Deutschland ab Ende 2023 vermutlich LNG bekommen wird, und andere Gasfelder. Quelle: Deutsche Umwelthilfe, 2022

Flüssiggasproduktion im Senegal – Fluch oder Segen?

Anne Schulze-Allen in: AFRICA POSITIVE-Magazin Nr. 88 (http://www.africa-positive.de); Februar 2023

Vor der Küste des Senegals ist die Errichtung einer neuen fossilen Infrastruktur geplant. Über ein Unterwassersystem wird Gas gefördert, aufbereitet und zum schwimmenden Flüssiggas (LNG)-Terminal an der Seegrenze zwischen Mauretanien und Senegal transportiert. Dort wird es verflüssigt und dann per Schiff exportiert. Im Dezember 2023 soll es mit einer anfänglichen LNG-Produktionskapazität von 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr für den weltweiten Export in Betriebgenommen werden. Zusätzlich soll Gas über Pipelines nach Senegal und Mauretanien geleitet werden. Das Projekt hat eine Laufzeit von 20 Jahren. Deutschland hat über Bundeskanzler Scholz nicht ohne Hintergedanken seine Zusammenarbeit bei der Nutzung der Gasressourcen angeboten.

Es entsteht eine Infrastruktur, die die langfristige Abhängigkeit von fossiler Energie manifestiert und die Erschließung weiterer Gasquellen erfordert. Nicht zufällig prüft der Betreiber BP bereits jetzt Optionen für weitere Erschließungsphasen. Würde BP die gesamten 1.133 Milliarden Kubikmeter Gas fördern, die das Becken umfasst, würde das 2,2 Milliarden Tonnen CO2 entsprechen - fast das Doppelte der jährlichen Energieemissionen des gesamten afrikanischen Kontinents.

Umweltverbände und auch Fridays for Future Aktivisten in Deutschland und Senegal warnen vor den Folgen für Umwelt und Klima. Bedroht werden eine einzigartige Region mit einer reichen Pflanzen- und Tierwelt, darunter das größte Kaltwasserkorallenriff der Welt. Schon jetzt steigt der Wasserspiegel vor der Küste wegen des Klimawandels.

Umstritten ist auch der Nutzen, den das Projekt für die senegalesische Wirtschaft haben soll. Ein Fünftel der Bevölkerung lebt vom handwerklichen Fischfang, der durch die Gasförderung vor der Küste bedroht wäre. Schon heute sind aufgrund der Bohrungen einige Meeresregionen für die Fischerei komplett gesperrt. Fraglich ist auch, ob mit dem Ausbau der Flüssiggasproduktion eine nennenswerte Anzahl von Arbeitsplätzen verbunden ist. Schätzungen gehen davon aus, dass mit einem Ausbau erneuerbarer Energie wie Solar- und Windkraft viermal soviele Arbeitsplätze entstehen würden.

Befürworter des Projekts argumentieren dagegen mit den Chancen, die der Ausbau der Flüssiggasproduktion für ganz Westafrika habe. Sie erhoffen sich einen sogenannten „Gamechanger“. Statt nur am Export von Rohstoffen zu verdienen und für die Einfuhr der damit erzeugten Produkte teuer zu bezahlen, sollte die mit der Umwandlung der Rohstoffe in höherwertige Produkte verbundene Wertschöpfung in Afrika verbleiben. Durch die enormen Vorkommen vor der Küste könnte Senegal dabei ein Drehkreuz für die Verarbeitung von Bergbauprodukten in der Region werden und eine noch nie dagewesene sozioökonomische Entwicklung auslösen. Damit könnten endlich die nötigen Finanzen für die Entwicklung der heimischen Wirtschaft und die dringend benötigten Investitionen in Bildung, Gesundheit und die Bekämpfung der Armut erwirtschaftet werden.

Dass die Flüssiggasproduktion vor den Küsten Senegals und Mauretaniens ein Schritt in diese Richtung ist, ist jedoch mit einiger Skepsis zu betrachten. Betreiber der Anlagen zur Förderung von Gas und Öl und zuständig für den Export des Flüssiggases ist der Energiemulti BP. Hauptinvestor ist neben BP auch die US Firma Cosmos Energie. Die Beteiligung der jeweiligen staatlichen Öl-, bzw. Öl- und Gasgesellschaften von Senegal und Mauretanien beläuft sich auf jeweils bescheidene 10%. Wer das Sagen und den größten wirtschaftlichen Nutzen hat, dürfte damit klar sein.

Darüber hinaus sind die Verkaufsvorgänge, mit denen BP letztendlich in den Besitz der Förderlizenz gekommen ist, mehr als dubios. Vertreter der Zivilgescllschaft fordern bisher vergeblich Einblick in die entsprechenden Unterlagen.

Deutschland plant die Förderung des Projekts über die bundeseigene KFW-Bank und die Bereitstellung von Exportbürgschaften für Zulieferfirmen wie Siemens, obwohl die Förderung von fossilen Energien gegen die Richtlinien zur Einhaltung des 1,5% Ziels verstößt.

Gegen das Projekt hat sich inzwischen eine breite Allianz von Klima- und Umweltschützern aus Deutschland und dem Senegal gebildet. Sie fordern die Bundesregierung auf, die Unterstützung des Projekts umgehend einzustellen und statt dessen die Wirtschaft und den Aufbau der erneuerbaren Energien im Senegal zu fördern.

Quellen:

https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/sonstiges/Stellenanzeigen/220711_Senegal_Fact_Sheet_final.pdf

https://www.jeuneafrique.com/1348097/politique/pourquoi-le-gaz-senegalais-peut-changer-lafrique-de-louest-par-marwane-ben-yahmed/

https://www.infosperber.ch/politik/welt/wie-bp-einen-undurchsichtigen-gas-deal-im-senegal-finanziert/

https://www.klimareporter.de/klimakonferenzen/klimaaktivist-innen-gruenden-allianz-gegen-gasprojekt-in-senegal


Tschad

Militärdiktatur an drei Fronten unter Druck aus: "International aktuell" 5/22 (Okt. 2022)


Tunesien

Tunesiens Kampf um Souveränität und die Doppelmoral des Westens

(Anne Schulze-Allen in: Africa positive Nr. 91/2023 [November 2023])