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Keine Zeit für Kritik

taz vom 24.01.2004

Diskussionen über Produktionsbedingungen lehnen Dortmunder Sportartikelhändler ab. Dabei gibt attac Gelegenheit zur Selbstdarstellung

Frank Rothe hat die Taschen voll. Die 300 kleinen Papieretiketten sind ein Gesprächsangebot an den Karstadt-Sport-Geschäftsführer, sagt der Sprecher von attac Dortmund. "Made in Hell" steht auf den Flyern. Und "Hergestellt im rechtsfreiem Raum".

Es ist Freitag, 16.30 Uhr. In der zweiten Etage der Dortmunder Karstadt Sport-Filiale hängen sechs attac-Aktivisten die Etiketten an die Sportklamotten. "Made in Hell" sieht aus wie eine Waschanleitung. Deshalb dauert es fast eine Viertelstunde bis die erste Verkäuferin die schlechte Publicity entdeckt. Dann geht alles ganz schnell. "Gehen Sie bitte", sagt ein Herr mit Anzug, der "inhaltlich gar nichts zu dem Thema sagen kann." Die attac-Ortsgruppe will nicht gehen. Herrn Bliesener will sie sprechen, den Mann, der auf gar keinen Fall an ihrer Podiumsdiskussion teilnehmen will. Der versucht gerade, zwischen den Kleiderständern abzutauchen.

"Was sagen sie zu den menschenunwürdigen Bedingungen bei der Produktion ihrer Ware?" fragt Frank Rothe. Herr Bliesener im Anzug und gelber Krawattewill dazu nichts sagen. "Das Schöne an einer Demokratie ist, dass man das Recht hat, nichts zu sagen", sagt er. Und dieses Recht nimmt er solange in Anspruch, bis die Gruppe abzieht.

"Wir haben uns schon gedacht, dass das so laufen wird", sagt Frank Rothe. Ein bißchen enttäuscht ist er schon. Denn eigentlich hatte attac sich eine kontroverse Diskussion mit den Dortmunder Sportartikelhändlern gewünscht. Am Montag veranstalten die Globalisierungskritiker eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema. Und neben Maik Pflaum von der Christlichen Initiative Romeo und den Gewerkschafter Klaus Priegnitz sollten eigentlich die Vertreter der großen Dortmunder Händler sitzen. Schließlich werden Karstadt, Kaufhof und Voswinkel hier nicht zum ersten Mal vorgeworfen, dass in ihren Zuliefererbetrieben Arbeiterinnen und Arbeiter 90 Stunden die Woche unter gesundheitsschädigenden Bedingungen für einen Hungerlohn schuften.

Karstadt zum Beispiel hat den Sozialkodex der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels unterzeichnet, der eine Kontrolle der Arbeitbedingungen in den Zuliefererbetrieben vorschreibt. Attac und anderen NGOs reicht das nicht: "Wir fordern unabhängige Kontrollen, deren Ergebnisse öffentlich gemacht werden", sagt Frank Rothe. "Aber genau das wollten wir am Montag mit einem Karstadtvertreter diskutieren." Wenn Karstadt vom AVE-Kodex überzeugt wäre, würde Herr Bliesener mitdiskutieren, finden auch die anderen.

Auch Kaufhof und Voswinkel schicken niemanden zur Podiumsdiskussion. "Unseren Kunden ist der Winterschlussverkauf wichtiger", sagen die Zuständigen. "Viele Kunden wissen eben nicht, dass an den Waren Blut klebt", sagt Rothe. Das will attac am Samstag ändern: Ab 10 Uhr findet vor Karstadt-Sport eine Infoveranstaltung mit Straßentheater und Videovorführung statt.

"Alles Schmutzwäsche? Saubere Kleidung ist möglich!": Montag, 19 Uhr im Reinoldinum, Schwanenwall 34, Dortmund