Gericht stoppt Hafenausbau Zum Eilantrag an das OVG Münster
Wesel, 21. August 2025
„Nach 2 1/2 Jahren Engagement und Anstrengung haben wir einen großen Erfolg erzielt! Viele Menschen aus meinem Umfeld haben mir mitgeteilt, wie glücklich sie darüber sind.“, sagt Engelbert Jesih, dessen Grundstück an der Rhein-Lippe-Aue grenzt.
Dabei hätte es auch ganz anders kommen können! „Wäre das Gericht unserem Antrag nicht gefolgt, wäre die Rhein Lippe Aue in 6 Wochen in eine Großbaustelle umgewandelt worden.“ Engelbert Jesih und seine Familie hätten jetzt eine "Bauzaunfestung" vor der Haustüre. Riesige Baumharvester, Bagger, und Walzen wären dabei, die jahrzehnte gewachsene Natur der Rhein-Lippe Aue zu zerstören! Die Tiere der Rhein-Lippe-Aue, die Rehe, Hasen, Fasane, Falken, Reiher, etc. hätten nicht ein noch aus gewusst, wohin sie hätten fliehen können!
Hintergrund: Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte letzte Woche den Ausbau des Rhein-Lippe-Hafens durch DeltaPort bis zur endgültigen Entscheidung gestoppt. Dieser Beschluss ist das Ergebnis des Eilverfahrens, dass Engelbert Jesih gemeinsam mit dem Landesverband des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) mit den Hamburger Anwälten Roda Verheyen und Johannes Franke um Jahreswende angestoßen hatte.
Vorausgegangen waren zahlreiche Einwendungen gegen das Projekt von DeltaPort, die Bürgerinnen und Bürger aus Wesel und Umgebung schriftlich gegen die Erweiterung vorgetragen haben. Die politisch Verantwortlichen der Stadt Wesel hatte das wenig bis überhaupt nicht beeindruckt. Auch eine Petition des im Februar 2024 gegründeten Bündnis „Rhein-Lippe-Aue bleibt!“ mit über 1800 Unterschriften gegen die Hafenerweiterung zeigte keine Reaktion der Verantwortlichen.
Die meisten der im Stadtrat vertretenen Parteien waren zu einem Dialog mit dem Bündnis nicht bereit. Ausnahme bei der Unterstützung für den Erhalt der Rhein Lippe Aue war das Engagement von Barbara Wagner von den Linken.
All das führte Ende des Jahres 2024 zu dem Entschluss, ein Normenkontrollverfahren einzuleiten und nach Äußerungen des Geschäftsführers von DeltaPort Stolte bei der WDR-Lokalzeit Duisburg auch zeitgleich ein Eilverfahren.
Das Ergebnis liegt jetzt vor. „Der Bebauungsplan leidet nach summarischer Prüfung jedenfalls an zwei materiellen Mängeln, die zu seiner Gesamtunwirksamkeit führen.“ urteilt das das Oberverwaltungsgericht Münster in seinem Beschluss. Im Wesentlichen geht es bei den beiden Punkten um das Fehlen einer „wasserrechtlichen Genehmigung“, die noch nicht einmal beantragt wurde und um das unzulässige Verfahren bei der Bestimmung der Lärmkontingentierung durch die bestellten Gutachter. Das OVG kommt zu dem Schluss „Die Mängel der genannten textlichen Festsetzungen führen nach derzeitigem Stand angesichts ihrer Bedeutung für die Planung zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.“.
Des Weiteren wird im Beschluss des OVGs „der großflächige Verlust an natürlichen Bodenfunktionen durch Versiegelung und Aufschüttung hervorgehoben und als erheblich bewertet.“ Als vierter Punkt wird der Hochwasserschutz benannt, da das Grundstück von Engelbert Jesih „und das benachbarte Ufer unterhalb der geplanten neuen Aufschüttungen im Hochwasserrisikogebiet liegen.“
Und am Ende des Beschlusses heißt es: „Dieser Beschluss ist unanfechtbar“
Das Bündnis ist mehr als zufrieden mit der Entwicklung des Verfahrens. Drei der zentral angegriffenen Festsetzungen (Aufschüttungen, Entwässerung, Lärmkontingente) sind nach dem OVG offensichtlich unwirksam und die drohenden Beeinträchtigungen sowohl für die Umwelt (NABU) als auch für Engelbert Jesih (Überflutung) sind so konkret, dass der Bebauungsplan außer Vollzug gesetzt wird.
Ob und wann es ein Hauptverfahren geben wird, ist offen.
Für Engelbert Jesih und seiner Familie ist klar, dass die bisherige Auseinandersetzung nur durch die Solidarität mit den vielen Unterstützerinnen Unterstützern erfolgreich sein konnte. An der zukünftigen Unterstützung besteht für ihn kein Zweifel.
Für Frank Boßerhoff vom NABU ist der Beschluss nicht nur ein Sieg für die Anwohnerinnen und Anwohner, sondern auch ein Sieg für den Klima- und Umweltschutz in der Stadt Wesel. „Gerade mit Blick auf Hitzewellen, Dürren und Starkregen. Nicht wir haben gewonnen, sondern die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Wesel.“
Die Kosten des Verfahrens trägt die Stadt Wesel, die schon enorme Kosten für das DeltaPort Projekt tragen musste. Allein für externe Gutachten gab sie mehr als 133.000 € aus. Alles natürlich aus Steuergeldern. Sollte die Stadt versuchen, wie die Bürgermeisterin jüngst andeutete, „die Heilung“ des Gerichtsbeschlusses zu erwirken, wird sie erhebliche Mittel dazu bereitstellen müssen. Denn die Mängel sind so grundlegend, dass ihre Behebung wohl erheblichen Aufwand bedeuten würde.
Wir fordern die Stadt Wesel auf, keine weiteren Steuergelder zu verschwenden und dieses für die Allgemeinheit schädliche Projekt aufzugeben.

Wenn es nach der kommunalen Hafengesellschaft DeltaPort und der Stadt Wesel geht, soll schon bald eine weitere schützenswerte Naturlandschaft dem Ausbau des Rhein-Lippe-Hafens zum Opfer fallen. Die Grünlandfläche wird bereits in einem Exposé öffentlich angeboten und befindet sich auf Weseler Stadtgebiet. Die gesamte Planfläche beträgt 33 ha. Das entspricht ca. 46 Fußballfelder.
Trotz unserer bereits vorgetragenen Kritik zeigen sich die politisch Verantwortlichen der Stadt Wesel unbeeindruckt und haben am 17. September 2024 die Änderung des Flächennutzungsplans für den Bereich des Bebauungsplans 232 im Stadtentwicklungsausschuss durchgesetzt. Demnächst wird der Bebauungsplan auf der Tagesordnung stehen.
Die Ergebnisse aus der anwaltlichen Einwendung haben uns in unserer Sicht bestätigt, dass die Planungen der Stadt Wesel bezüglich des Bebauungsplans 232 unzureichend und fehlerhaft waren. Bei der Planung wurden essentielle Faktoren nicht berücksichtigt. Mit unserer Petition: „Stoppt die Hafenerweiterung in der Rhein-Lippe-Aue“, die von mehr als 1800 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet worden war, haben wir die Stadt Wesel aufgefordert, den vorgelegten Bebauungsplan 232 einzustellen.
Sollte die Stadt Wesel den vorgetragenen Kritikpunkten unserer Anwälte weiterhin keine Beachtung schenken, sehen wir uns dazu gezwungen, gerichtliche Schritte in einem Normenkontrollverfahren einzuleiten.
Unsere Kritikpunkte in Kürze:
- Fehlende Multimodalität: Die betroffene Fläche verfügt weder über einen Gleisanschluss noch über eine Kaimauer. Daher wird der gesamte Güterverkehr auf die Straße verlagert.
- Grobe Überdimensionierung der Planung.
- Artenschutz wird unzureichend berücksichtigt.
- Eine planerische Abwägung in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung hat nicht stattgefunden
- Der Hochwasserschutz wurde nicht in zutreffender Weise und nicht mit dem gebotenen Gewicht in die Abwägung eingestellt.
- Gänzlich unbeachtet geblieben ist zudem die Trinkwassersituation in der „Splittersiedlung“ Emmelsumer Straße.
- Die generierten Lichtemissionen werden in der Abwägung unzureichend und mit Blick auf die menschliche Gesundheit gar nicht berücksichtigt.
- Die Verkehrsuntersuchung ist von methodischen Fehlern gekennzeichnet, sodass die Ergebnisse nicht belastbar sind.
- Der Biotopschutz wurde nicht hinreichend beachtet.
- Der Planentwurf vernachlässigt das Schutzgut Boden.
- Die vorgesehenen Kompensationen (Ausgleichsflächen) sind unzureichend.
Historie
14. August 2025
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat den Ausbau des Rhein-Lippe-Hafens durch DeltaPort bis zur endgültigen Entscheidung gestoppt.
30. Juli 2025
Bündnis befragt Kandidaten zur Kommunalwahl
31. Dezember 2024
Eilverfahren und Normenkontrollverfahren beim Oberverwaltungsgericht Münster eingeleitet
10. Dezember 2024
Rat der Stadt Wesel beschließt den Bebauungsplan Nr. 232 „Rhein-Lippe-Hafen Wesel“ bei 10 Gegenstimmen (Die Linke, B90/Die Grünen und Die Partei)
CDU, SPD, FDP und WfW stimmen für die Naturzerstörung in der Rhein-Lippe-Aue
11. September 2024
Stadtentwicklungsausschuss stimmt Flächennutzungsplan 232 zu.
Eine Gegenstimme von den Linken und eine Enthaltung von den Grünen.
Kundgebung: Mehr als 1.800 Unterschriften gegen die Hafenerweiterung in der Rhein-Lippe-Aue wurde an die stellvertretende Bürgermeisterin Nyken bei einer Kundgebung vor dem Rathaus übergeben.
13. Mai 2024
Das Bündnis „Rhein-Lippe-Aue Bleibt!“ veranstaltete eine Lesung mit der bekannten Sachbuchautorin Christiane Grefe. Sie beschreibt in ihrem neusten Buch „Der Grund“ die Konflikte, die um unsere Böden entstanden sind.
24. März 2024
Bündnis startet Online-Petition gegen die Hafenerweiterung
25. Februar 2024
Kritische Fahrradtour zur Rhein-Lippe-Aue
20. Februar 2024
Das Bündnis „Rhein-Lippe-Aue bleibt!“ hat sich gegründet.
14. Februar 2024
Die Vertreterinnen und Vertreter von CDU, SPD, FDP und B90/Grüne haben im Ausschuss für Stadtentwicklung dem Flächennutzungsplan 232 zugestimmt. Die einzige Gegenstimme kam von den Linken.
4. November 2023
Die aktiven Mitglieder von attac-Niederrhein informierten sich bei der BI „Rhein-Lippe-Land bleibt“ über die aktuellen Pläne der Stadt Wesel im Lippemündungsraum.
Das Bündnis „Rhein-Lippe-Aue bleibt!“
Das Bündnis „Rhein-Lippe-Aue bleibt!“ hat sich am 20. Februar 2024 gegründet.
Das Bündnis besteht aus: AnwohnerInnen, Initiative „Rhein-Lippe-Aue bleibt“, Initiative Emmelsum Biotop retten, BUND Kreisgruppe Wesel, NABU Kreisverband Wesel, ATTAC-Niederrhein, Initiative Schutz des Lippemündungsraums, Parents for Future Wesel, Fridays for Future Wesel und engagierten Einzelpersonen.

Die Verantwortlichen der Stadt Wesel wollen wieder mal Unternehmen nach Wesel locken. Dafür sollen Flächen auf der grünen Wiese aufgeschüttet, versiegelt und zubetoniert werden. Was dort produziert bzw. umgeschlagen werden soll, ist der Stadt und den Betreibern von DeltaPort völlig gleichgültig. Im Beteiligungsbericht des Kreises heißt es lapidar: „Ziel ist es, Unternehmen anzusiedeln, die Arbeitsplätze schaffen und Wertschöpfung für die Region generieren.“ Alles läuft also nach dem neoliberalen Credo: „Die unsichtbare Hand des Marktes wird es schon richten.“
In den Geschäftsberichten von DeltaPort findet man allerdings keine Hinweise darauf, wie viele Arbeitsplätze nach der Gründung 2012 entstanden sind. Erst recht ist unklar, welche Art von Arbeitsplätzen es dort gibt. Sind es Arbeitsplätze, die eher im Niedriglohnbereich angesiedelt sind? Oder aber arbeiten dort wenige hochdotierte Programmierer, die die Lagerregale automatisiert allein steuern? Gibt es Betriebsräte, die die Interessen der Beschäftigten der angesiedelten Firmen vertreten?
Welchen Vorteil kann eine Stadt wie Wesel also haben? Wie groß ist die generierte Wertschöpfung? Wie hoch sind die Einkünfte aus den Gewerbesteuereinnahmen? Oder zahlen die angesiedelten Unternehmen ihre Steuern an ihren Stammsitzen?
Jahr für Jahr werden immer mehr Waren über immer längere Strecken transportiert. Allein in Deutschland ist der Güterverkehr zwischen 2000 und 2022 von 511 auf 703 Milliarden Tonnenkilometer angewachsen. 72% der Gütermenge werden mit dem klimaschädlichsten Transportmittel, dem LKW, transportiert. Das ist auch im Kreis Wesel nicht anders. Die Zahl der zugelassenen LKW in der Zeit von 2010 – 2023 ist um 47% angestiegen.
Es ist schon erstaunlich, dass DeltaPort nun eine Fläche „marktgerecht“ bereitstellen will, die nicht einmal einen Bahnanschluss aufweisen kann. Stattdessen preist sie ihre „Nachhaltigkeitsstrategie“, die einzig und allein daraus besteht, mehr Verkehr von der Straße auf Schiffe und Züge zu verlagern.
Die politisch Verantwortlichen der Stadt und des Kreises scheinen nicht verstehen zu wollen, dass wir für eine klimagerechte Zukunft nicht mehr, sondern weniger Güter durch die Gegend transportieren müssen. Durch die Globalisierung sind absurde Lieferketten entstanden, wo viele Produkte, bevor sie an den letzten Kunden gelangen, zehntausende von Kilometern zurücklegt haben. Hinzu kommt, dass mindestens 15, eher 20 Prozent der Transporte völlig unsinnig sind. So werden z.B. Tierfutter, Zucker, Fleisch und Milchprodukte zwischen europäischen Ländern hin- und hertransportiert. Handelsabkommen, wie aktuell das EU-Mercosur-Abkommen, werden den Logistikwahn noch weiter beflügeln.
Zu Beginn einer wirklichen Planung muss also eine Analyse dessen stehen, was an Gütern alles transportiert werden soll. Es ist zu prüfen, wie unnötige Transporte vermieden werden können. Es sind die Fragen zu klären, wie regionales Wirtschaften den Transport von Waren überflüssig machen kann. Wie können wir ressourcenschonender produzieren, um die Gütermenge signifikant zu reduzieren?
Eine schützenswerte Naturlandschaft dem Markt preiszugeben, ohne zu wissen was dort in Zukunft produziert bzw. umgeschlagen werden soll, ist eine völlig absurde Idee.
Quellenangaben:
(2) Kraftfahrt-Bundesamt
https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/ZulassungsbezirkeGemeinden/zulassungsbezirke_node.html?yearFilter=2023
(3) Beteiligungsbericht Kreis Wesel
https://www.kreis-wesel.de/system/files/2023-12/beteiligungsbericht_2022.pdf
(4) DeltaPort Expose Rhein-Lippe-Hafen Wesel
https://www.deltaport.de/downloads/
Miese Jobs statt Klimaschutz Wesels Politik gegen Natur- und Anwohnerschutz und fragwürdige Wirtschaftsförderung in der Rhein-Lippe-Aue

von Klaus Kubernus-Perscheid und Ingo Kübler
Das Hauptargument das Befürworter für die Ansiedlung von Logistikunternehmen immer wieder hervorbringen, ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das ist in Wesel nicht anders als in Rheinberg, wo schon vor Jahren der amerikanische Konzern Amazon ein großes Logistikzentrum eröffnet hat.
Fast ein Viertel aller Beschäftigten in Deutschland arbeiten inzwischen im Niedriglohnsektor oder in sogenannten „atypischen“ Beschäftigungsformen. Das heißt: Leiharbeit, Befristungen, erzwungene Teilzeit und vor allem in Jobs nur noch zum Mindestlohn. Zum Vergleich: dieser Bereich ist in Deutschland doppelt so groß wie in Frankreich oder in den skandinavischen Ländern. Eine Folge nationaler politischer Entscheidungen der letzten 25 Jahre.
Die Logistikbranche ist ein bedeutender Treiber dieser Entwicklung. Die Voraussetzungen dafür, die auch die Stadt Wesel zunehmend negativ betreffen, sind eine maßlose Globalisierung zugunsten von Großkonzernen, die mit einer absurden Steigerung von Verkehrs- und Logistikaktivitäten verbunden ist und echte regionale Wirtschaftsstrukturen zerstören.
Das in Wesel ansässiges Logistikunternehmen DeltaPort GmbH & Co. KG will nun weitere Flächen im Rhein-Lippe-Hafen bereitstellen, „um Unternehmen anzusiedeln, die Arbeitsplätze schaffen und Wertschöpfung für die Region generieren.“ Dabei bekommt DeltaPort für dieses auch ökologisch desaströse Projekt mitten in der Lippeaue tatkräftige politische Unterstützung von den auch wirtschaftlich beteiligten Kommunen. So ist der Kreis Wesel mit 62 %, die Stadt Wesel mit 27 % und die Stadt Voerde knapp 9 % an DeltaPort beteiligt.
Aber wie sozial sind die bisher entstandenen Arbeitsplätze ausgestattet? Sieht man sich die Lohntabellen für gewerblich Beschäftigte an, die im Bereich Logistik arbeiten, wird einem schnell klar, dass die Stundenlöhne nur wenig über dem Mindestlohn von 12,41 € liegen. Ein Arbeiter, der „einfache“ Tätigkeiten in den ersten beiden Jahren der Betriebszugehörigkeit ausübt, bekommt 13,52 €. Falls er 10 Jahre durchhält, wird er mit 14,21 € entlohnt. Ein Arbeiter in der höchsten Lohngruppe 4 schafft es nach 10 Jahren auf ganze 16,44 €. Mit einer auskömmlichen Rente ist mit solchen Löhnen nach 45 Arbeitsjahren nicht zu rechnen. Kommunen müssen sich daher schon mal auf steigende Sozialausgaben (Grundsicherung) einstellen. Mit zusätzlicher Gewerbesteuer können die beteiligten Kommunen nicht rechnen. Denn die wird am Stammsitz abgeführt.
Eine ganze Reihe von Arbeitgebern im Logistikbereich fühlt sich allerdings selbst an die niedrigen tariflichen Regelungen nicht gebunden. So auch die Firma Rhenus, die seit dem 1. August 2023 ihr gigantisches „Rhenus Warehousing Solutions“ (RWS) in Wesel betreibt. Ca. 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen derzeit dort arbeiten. Einen Betriebsrat, der die Interessen der Beschäftigten gegenüber der Geschäftsleitung vertritt, gibt es bis heute nicht und ist wohl auch nicht erwünscht. Das Problem liegt aber nicht nur in Wesel, sondern ist spezifisch für Rhenus. So berichtete jüngst ein Gewerkschaftssekretär von Verdi, der den Rhenus-Standort in Neu Wulmstorf (Niedersachsen) betreut, dass Rhenus sowohl Betriebsräte als auch Tarifverträge grundsätzlich ablehnt. Auch industrienahe Rhenustöchter mussten, z.B. in Baden-Württemberg, erst durch Streiks und öffentliche Kampagnen quasi gezwungen werden ihre Beschäftigten ordentlich zu bezahlen.
Beides sind Grundlagen einer sozialen Marktwirtschaft und eine wichtige Säule unserer Demokratie, die doch in letzter Zeit aufgrund politischer Radikalisierungstendenzen von allen etablierten Parteien selbst auf Demos immer wieder beschworen wird.
Nebenbei bemerkt: Die Muttergesellschaft von RWS ist die Rethmann-Gruppe. Die Familie Rethmann gehört zu den reichsten Familien in Deutschland. Sie soll ein geschätztes Vermögen von mehr als 6 Milliarden € besitzen.
Rhenus Warehousing Solutions in Wesel ist ein Logistik-Allrounder. Im Prinzip wird alles gelagert, was gelagert werden kann. Sie übernehmen Dienstleistungen rund um die Lagerung von Waren, inklusive Retouraufträge. Also ist alles sehr arbeitsintensiv. Die Hallen erinnern an die Regalwände eines schwedischen Möbelherstellers. Nur etwas größer. Die Regale können auf 6 – 7 Etagen bis zu 25 t Ware aufnehmen. In den Regalen findet man z.B. Haushaltsgeräte wie Kaffeemaschinen oder Kochtöpfe.
RWS kümmert sich ausschließlich um die Waren- Ein- und Ausgänge. Was außerhalb des Lagers geschieht, interessiert Rhenus nicht. Fahrer, die mit dem LKW Ware anliefern und auf die Entladung warten müssen, dürfen die „heiligen Hallen“ von Rhenus nicht betreten. Sanitäranlagen oder Aufenthaltsräume außerhalb des Lagers gibt es nicht.
Es sollte inzwischen jedem Kommunalpolitiker klar sein, dass die sozialen Lösungen, die Logistik-Unternehmen anbieten, nur unzureichend sind und dramatische wirtschaftliche Folgen haben können. Statt sich bei der Industrieansiedlung einseitig auf den Transport von Waren zu konzentrieren, sollten politisch vorausschauende Politiker lieber überlegen, wie sie regionales Wirtschaften fördern und somit den Transport von Waren überflüssig machen können. Bei der Entwicklung von weiteren Flächen zur Industrieansiedlung müssen sowohl ökologische als auch soziale Fragen unbedingt vor dem Beginn einer Bebauung geklärt werden.
Daran sollten vor allem die Parteien denken, die die soziale Frage auf ihren Fahnen geschrieben haben. Einen Verweis auf jahrzehnte zurückliegende Entscheidungen ist dafür nur wenig zielführend. Die globalisierte Welt sieht heute anders aus. Der Klimawandel, das Artensterben und die soziale Spaltung unserer Gesellschaft treffen uns aktuell mit voller Wucht. Zukunftsorientierte Politik muss sich an den neuen Rahmenbedingungen orientieren und soziale sowie ökologische Perspektiven entwickeln. Ansonsten steht die neue Rechte mit ihren simplen Lösungen, die keine sind, vor der Türe.
Eins muss man Rhenus lassen: Dieser Konzern nimmt seine soziale Verantwortung zwar nicht wahr, aber nutzt gerne staatliche Fördergelder aus Steuermitteln: Die Ausstattung am Standort Wesel mit Geothermie und einer PV-Anlage sind vorbildlich!
Quellenangaben:
Lohntabellen:
https://psl-nrw.verdi.de/++file++61dd99e23addc96bfebbd9bf/download/Tabellen%20SLuKEP.pdf
Verdi - Interview mit Gewerkschaftssekretär:
https://wir-sind-verdi.de/2023/05/22/jonas-ver-di-gewerkschaftssekretaer-in-der-logistik-rhenus-logistics-wird-tarifpartnerschaft-frueher-oder-spaeter-akzeptieren-muessen/
IG Metall: Kontraktlogistiker setzen Tarifvertrag durch:
https://www.igmetall.de/tarif/besser-mit-tarif/kontraktlogistiker-setzen-tarifvertrag-durch