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Parabel: Wie Biene Majas Geschwister in die Peepshow kamen

 

Der Frühling war gekommen und vom wolkenlosen Himmel strahlte die wärmende Sonne. Sträucher, Bäume und Blumen begannen zu blühen. In der Luft summte und brummte, zirpte und zwitscherte es. Die Natur bot ein vielstimmiges Konzert. Ameisen krabbelten hektisch hin und her durch das feuchte Gras. Auch bei den Bienen in ihren Kästen regte sich das Leben. Sie machten den Frühjahrsputz. Sie schleppten die im Winter verstorbenen Bienen aus ihren Behausungen. Außerdem brachten sie ihre Waben in Ordnung. Sie bereiteten alles für neue Nahrungseinlagerungen vor. Und alsbald flogen die ersten Immen zur Nahrungssuche aus. Voll bepackt mit Pollen kehrten sie zurück. Im Bienenkasten nahmen die Jungbienen das begehrte Futter in Empfang und verfütterten es an den Nachwuchs. Diese Art der Tätigkeit mussten alle Jungbienen einige Tage verrichten, ehe sie zu Sammlerbienen avancierten. Bevor die Jungbienen sich aber auf den Weg zur Nahrungssuche begaben, teilten kundige Immen ihnen den Ort der Nahrungsquellen mit. Das ersparte den Jungbienen ein unnötiges Suchen sowie unnötigen Kräfteverbrauch. Die Jungbienen konnten nun zur Nahrungssuche ausfliegen. Sie hielten sich an die vorgegebenen Routen. Bis zu den nahrungsreichen Blüten hatten sie etwa achthundert Meter zu überwinden, eine Strecke 64000 mal größer als sie selbst. Eine beachtliche Leistung. Hinzu kam nun noch der mit Pollen beladene Rückflug.

Ihre Arbeitstage verliefen fast immer gleich. Abwechslungsreich wurde es erst, wenn sie von Unwettern überrascht wurden. Dann suchten sie regen- und windgeschützte Orte auf. Dort trafen sie fast immer auf Artgenossen aus anderen Regionen. Erfahrungsaustausch, Gespräche und Erzählungen überbrückten dann die Zwangspause. Die Jungbienen fanden das interessant und lehrreich. Deshalb baten sie die Erzähler, die Geschichten doch niederzuschreiben, damit sie für die Nachwelt erhalten blieben. Die Geschichten handelten u.a. von den "Feldern ohne Wiederkehr", wie die Bienen jene Felder bezeichneten, auf denen Bauern Spritzmittel ausbrachten, denn wer dort hin flog, kam nie wieder zurück. Andere Geschichten erzählten vom Bau der Weiselzellen, also von Bienenzellen die zur Nachzucht von Königinnen notwendig sind. Kamen die Bienen nach Hause in ihren Bienenstock, erzählten sie von ihren Erlebnissen.

Eines Tages erfuhr die Königin von Gesprächen über Weiselzellen. Sie wurde so wütend, wie man sie noch nie erlebt hatte, denn sie sah darin eine Anbahnung oder Vorbereitung eines terroristischen Aktes. Nur allzu gut wusste sie, was das bedeutete. Schließlich war auch sie einmal in einer solchen Zelle geboren, gefüttert, gepflegt und groß gezogen worden. Sie erinnerte sich noch genau daran, was dann geschah. Sie, die herangewachsenen Königin, hatte die dem Volk nicht mehr ausreichend dienende alte Königin als Konkurrentin verdrängt. Mit Grausen erinnerte sie sich jetzt an die damalige Botschaft: "die Königin ist tot, es lebe die Königin". Ein Satz der sie damals noch in Freudentaumel verfallen ließ, nun aber auch für sie die schlimmsten Befürchtungen beinhaltete.

Also verbot sie diese Geschichte. Außerem forderte sie von den Wächterbienen schärfere Kontrollen, um eine Wiederholung solcher Ereignisse wie damals, zu verhindern. Nach dem Verbot sprachen die Bienen im Bienenstock das Thema nicht mehr öffentlich an. Aber als Reaktion darauf brachten sie - versteckt unter ihren Flügeln - kleine Blattstücke, auf denen das Verbotene geschrieben stand, mit nach Hause und versteckten sie in den Waben. Bei einer Wabenkontrolle fanden Wächterbienen die beschriebenen Blätter und informierten die Königin. Diese kochte vor Wut, stellte die Bienen unter Terrorismusverdacht und ordnete, um das Einschleusen von Informationen zu verhindern, die Installation von Nacktscannern an allen Ein- und Ausflugslöchern an. Aus Protest brummten die wütenden Bienen unablässig den ganzen Tag. Das half nichts. Sie waren aber auch nicht bereit zu mehr Gegenwehr, obwohl sie Stacheln hatten. Die stolzen fleißigen Bienchen wurden nun noch intensiver beschnüffelt und außerdem überall abgetastet. Sie mussten sich einer entwürdigenden Leibesvisitation unterwerfen. Anschließend zwang man sie noch durch den Nacktscanner zu kriechen. So wurden Majas stolze Geschwister zu Lustobjekten in einer Peepshow des Bienenstaates.

peme