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Fraport unter BürgerInnen-Kontrolle?

Das Problem ist bekannt: Ungebremster Wachstumsdrang des Frankfurter Flughafens als Ursache für steigenden Landschaftsverbrauch, Lärm und Abgase in unserer Region (und anderswo).


Wurden bis Ende der 90er Jahre noch gut 300.000 Starts und Landungen pro Jahr gezählt, sind es heute bereits 500.000. Die BIs fordern deswegen eine Reduktion der Flugbewegungen zunächst auf das Niveau der 1990er Jahre. Ökologisch wäre noch weit mehr Rückbau nötig. Doch das Gegenteil ist geplant: Bis 2020 sollen es nach Planung der Fraport AG mindestens 700.000 werden, einige BIs rechnen mit bis zu 1 Million!


Trotz beeindruckender Proteste, hoher Professionalität und Expertise der BIs sowie sehr guter Präsenz in den Medien scheint die Fluglärm-Bewegung gegen eine unsichtbare Wand anzulaufen. Der Wachstumskurs der Fraport AG wird unbeeindruckt aufrecht erhalten. Doch warum konnte die Bewegung trotz des rücksichtslosen Crash-Kurses der Fraport AG, ihrer Eigner und der Landespolitik noch keine Mehrheiten für sich gewinnen, die die Politik entscheidend beeinflusst hätten? Unsere Vermutung: Unter anderem, weil sie mit „moralischen“ Argumenten (Gesundheit, Lebensqualität) gegen vermeintlich „rationale“ Argumente ankämpft (Gewinne, Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze, Steuereinnahmen).


Eine Bewegung sollte die Herzen und Köpfe auch der nicht unmittelbar betroffenen Menschen erreichen. Erst wenn diese sich hinter die Bewegung stellen und auch ihr Wahlverhalten entsprechend korrigieren, wird die Politik gezwungen sein, entsprechend zu reagieren. Bisher wurde viel zu sehr auf den Appell an das Fraport-Management, die Politiker, Behörden sowie auf Rechtsverfahren gesetzt. Den Hauptakteur, der wirklich eine Wende erzwingen könnte (die Bevölkerungsmehrheit) hat man noch nicht überzeugend genug angesprochen. Inwiefern?


Der (betriebswirtschaftliche) Kern der gegnerischen Argumentation wird von den meisten BIs leider nicht bestritten. Er lautet sinngemäß:
„Die Fraport AG ist darauf angewiesen, (hohe) Gewinne zu machen und ihren Aktienkurs zu steigern. Das erwarten ihre Eigentümer (zu Recht) von ihr. Sie steht im Wettbewerb mit anderen Flughafen-Betreibern auf der ganzen Welt. Und damit sie diesen bestehen kann, muss sie wachsen. Im Grunde stehen wir zu diesem privatwirtschaftlich organisierten Betreiber. Er soll seine Gewinne allerdings auf eine Art machen, die sich eher mit den Interessen der Bewohner der Region verträgt – insb. mit weniger Flugbewegungen.“

Wer diese Prämissen akzeptiert, dem bleibt dann nur noch wenig Spielraum für „harte“ Argumente. Er tritt mit den Managern und Eignern der Fraport AG fortan in einen fachlichen Streit darüber ein, auf welche Weise die Fraport am besten Gewinne machen kann – um dann im hilflosen Appell an Management und Eigner steckenzubleiben, bitte schön etwas mehr Rücksicht auf die Bevölkerung zu nehmen. Eine solche Argumentation ist nicht geeignet, die Mehrheit der Bevölkerung zu gewinnen, weil sie implizit der Gegenseite in ihren betriebswirtschaftlichen Argumenten Recht gibt und dem fast nur noch Moral entgegenzusetzen hat. Oder maximal die Kritik, dass die Zahl der realisierten Arbeitsplätze viel kleiner ausfällt als „versprochen“.


Genau an dieser Achillesferse möchten wir ansetzen: Die Renditeorientierung einer börsennotierten AG selbst ist der wesentliche Antreiber des Wachstumskurses. Wir schlagen vor, eine betriebswirtschaftlich nachvollziehbare „realistische Gegen-Vision“ zu entwerfen, die einen ganz anderen Flughafenbetreiber skizziert, der

a) nicht mehr wachstumsgetrieben ist, sondern sogar geplant schrumpfen kann,

b) von den BürgerInnen der Region kontrolliert wird und

c) sozial mit seinen Beschäftigten umgeht.

Und der sich gleichwohl seriös durchgerechnet „selbst trägt“ – also das erwirtschaftet, was nötig ist, die laufenden Kosten plus nötige Investitionen vornehmen zu können. Eine Orientierung auf Gewinnmaximierung ist dafür nicht nötig!


Mögliche Skizze einer „neuen Fraport“

1. Der neue Betreiber arbeitet nicht mehr renditeorientiert, sondern verfolgt das betriebswirtschaftliche Ziel einer „schwarzen Null“. Gedeckt werden die laufenden Kosten plus die notwendigen Investitionen. Dividenden-Ausschüttungen und Börsenkurse sind keine Unternehmensziele mehr.

2. Der Unternehmenszweck wird darauf festgelegt, diesen Flughafen zu betreiben – und zwar in bester Qualität, so ökologisch verträglich wie möglich und unter Einhaltung aller tariflichen Standards. Gute Arbeitsplätze statt prekäre „Jobs“, keine Auslagerung von Normalarbeitsplätzen mehr in Dumping-Töchter und Leiharbeitsfirmen! Diese Vergaberegeln gelten auch für die Einkaufspolitik des neuen Betreibers.

3. Die Zahl der Flugbewegungen wird schrittweise auf das Maß reduziert, das die BIs fordern. Ein möglicher Abbau des Arbeitsvolumens wird sozialverträglich durch Arbeitszeitverkürzung aufgefangen - und nicht durch Entlassungen.

4. Verzicht auf Renditeorientierung ist unvereinbar mit privaten Eigentümern. Deswegen darf es keine privatwirtschaftlich orientierten Eigentümer des neuen Betreibers (dazu gehört heute auch die Lufthansa) mehr geben. Sie könnten mit Mitteln herausgekauft werden, die durch das Verkaufen aller Beteiligungen und anderen Flughäfen der Fraport AG erlöst werden.

5. Die öffentlichen Eigentümer werden jedoch nicht – wie bisher – durch Politiker im Aufsichtsrat vertreten, sondern durch kompetente Bürgerinnen und Bürger. Diese werden in einem demokratisch legitimierten Verfahren in das Aufsichtsgremium entsandt: Sie bekommen – neben weiteren Mitbestimmungsmöglichkeiten – insbesondere ein Veto-Recht gegen Änderungen der Satzung, die anderweitige Verwendung der Finanzmittel sowie Expansionspläne. Es wird Zeit für mehr Bürgerbeteiligung auch und gerade im Bereich der Wirtschaft!

6. Die Rechtsform sollte auf keinen Fall die AG sein, die im Zweifel immer profitorientiert handeln muss. Anbieten könnte sich z.B. die „Anstalt öffentlichen Rechts“ – aber auch andere Varianten wären denkbar.
Das Charmante an dieser Grundidee: Es sind keinerlei Gesetzesänderungen nötig, um sie zu umzusetzen. Allein der politische Wille bei den entscheidenden Parteien und Politikern in Hessen und Frankfurt (Mehrheitseigentümer der Fraport AG) würde reichen, das Konzept ab sofort umzusetzen. Diesen politischen Willen kann man erzwingen, wenn man die Mehrheit der Bevölkerung nicht nur in ihrem Herzen, sondern vor allem auch in ihrem Kopf anspricht. Erst Recht in einem Wahljahr.


Wir diskutieren diesen Ansatz zunächst mit ATTAC-Gruppen aus dem Rhein-Main-Gebiet, um ihn dann den BIs zu unterbreiten. Wir schlagen den BIs vor, eine solche Vision für eine „neue Fraport“ mit ATTAC Rhein-Main gemeinsam in die öffentliche Debatte einzubringen.


Für die PG Flugverkehr von ATTAC Mainz:

Kris Kunst
kriskunst@gmail.com
Tel 06131-9713888


Reinhard Reimer
ReinhardReimer@gmx.net
Tel 06131-883315