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Rettet das Eichtal!

So unser Slogan für den Bürgerentscheid, den die Eichtalinitiative im März 2019 gewonnen hat.

Dort, wo Einzelhäuser stehen sollten, wurde eine Streuobstwiese angelegt, also ein Bio-Obstgarten für alle BürgerInnen. Es gibt für jeden Baum einen Paten, der sich um sein Gedeihen sorgt. Und die andere Hälfte des Geländes soll nur ganz vorsichtig gepflegt, der Natur überlassen bleiben und so der Artenvielfalt und dem Klimaschutz dienen.

Dies ist ein Erfolgsgeschichte, die wir nicht vergessen sollten.

Sie kann eine Ermutigung für künftige Initiativen ein und allen BürgerInnen zeigen, dass es sich lohnt, wenn wir uns für das Gemeinwohl einsetzen, uns gegen Privatisierungen stemmen.

Wer BaumPatIn werden und sich weiter für den Erhalt dieses ökologischen Kleinods einsetzen will, der wende sich an

Gisela Wieneke vom BUND

giselawieneke@bund-steinburg.de

Attac-Itzehoe, Januar 2022

Das Eichtal-Gelände ist jetzt etwa zur Hälfte Streuobstwiese. Die andere Hälfte wird vorsichtige gepflegt und soll der Natur überlassen werden. Die Umgestaltung hat die Stadt Itzehoe bezahlt. Experten vom BUND und Nabu haben in Zusammenarbeit mit dem Umweltamt der Stadt alte Obstsorten ausgesucht. Sie wurden dann professionell von einer Gärtnerei eingepflanzt. Von dem restlichen Spendengeldern wurden Gartengeräte und eine Leiter für den Baumschnitt eingekauft. BaumPatInnen pflegen nun die Bäume.


Das Eichtal in Itzehoe ist gerettet! Bericht von einem besonderen Wahlkampf in Itzehoe

Das Eichtal in Itzehoe ist gerettet.

Es wird ein Naherholungsgebiet für die Bürger bleiben.

Es wird kein Baugebiet, wie es der Ratsmehrheit aus CDU/SPD vorschwebte.

Das ist das eindeutige Ergebnis des Bürgerentscheides

der Initiative „Rettet das Eichtal“ vom 17. März 2019.

 

Begonnen hatte alles im November 2017 mit der Gründung der Bürgerinitiative „Rettet das Eichtal“, (BI) die damit auf die brutale Räumung des Kleingartengbietes Eichtal/Kratt, in dem viele Lauben seit vielen Jahren leer standen und die Natur sich prächtig entwickelte, reagierte.

Möglich wurde der Bürgerentscheid, weil die Stadt (wieder einmal) einen Aufstellungsbeschluss gefasst hatte, um das Gebietals Immobilien-“Sahnestück“, so der Bürgermeister Dr. Koeppen, zu verhökern. Seit Jahren schon hatte man sich bemüht, das Gelände am Breitenburger Wald Investoren schmackhaft zu machen. Diese winkten aber ab, weil die Erschließung des Geländes auf einer Düne und in Hanglage nicht Gewinn versprechend zu vermarkten war. Nun wollte die Stadt das Gebiet selbst entwickeln. Man träumte davon, hier reichen Hamburgern eine neue Heimat zu bieten.

Nach einem langwierigen Abstimmungsprozess mit der Genehmigungsbehörde im Innenministerium über die Fragestellung und Begründung startete Bürgerinitiative „Rettet das Eichtal“ Anfang 2018 die Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehren auf den Marktplätzen, in der Fußgängerzone und vor Supermärkten. Mit knapp 3000 Unterschriften war es schließlich erfolgreich. Die Bürgerinitiative einigte sich mit der Stadt auf einen Termin zum Bürgerentscheid am 17. März 2019.

Zum Jahresbeginn 2019 wurden noch einmal Gespräche mit allen im Rat der Stadt vertretenen Parteien und Gruppen geführt, um auszuloten, ob ein Kompromiss möglich sei. Der zeichnete sich jedoch nicht ab.

Ein zweiter Bürgerentscheid stiftet Verwirrung

Im Januar erfuhr die Bürgerinitiative, dass die Ratsmehrheit einen konkurrierenden Bürgerentscheid, ebenfalls am 17. März, auf den Weg bringen will. Das Pikante daran: die Stadt stellte den Bürgern eine Frage, die diese durch eine einfaches „Nein“ beim Entscheid der Bürgerinitiative hätten beantworten können. Zudem hatte sie ja die Bebauung durch den Aufstellungsbeschluss bereits beschlossen und es waren Planungskosten entstanden.

Den BürgerInnen wurden folgende Fragen vorgelegt:

"Sind Sie dafür, dass das Gelände Eichtal/Kratt als unbebauter, naturnaher Landschaftsraum – mit Streuobstwiese auf einer Teilfläche - für alle Bürgerinnen und Bürger erhalten bleibt? (BI Eichtal)

und

"Sind Sie dafür, dass zur Linderung der Wohnungsnot und als Ansiedlungsperspektive für junge Familien

die ehemalige Kleingartenanlage Eichtal/Kratt als naturnahes Wohngebiet genutzt wird?" (Ratsmehrheit aus CDU/SPD)

In der Ratsversammlung im Januar zeigte es sich, dass die Große Koalition alleine stand. Grüne, Linke, FDP und andere lokale Gruppen wandten sich aus unterschiedlichen Gründen gegen die Große Koalition.

Zudem wurde deutlich, dass es keine Waffengleichheit zwischen Bürger- und Ratsinitiative gab. Während die Ratsmehrheit in der Abstimmungsbenachrichtigung der Begründung der Bürgerinitiative ihre Gegenargumente in gleicher Länge beilegen durfte, wurde dies der Bürgerinitiative bei der konkurrierenden Vorlage verwehrt. Eine Vorgehensweise, die das Innenministerium billigte.

Und während die BI „Rettet das Eichtal“ mit dieser Behörde bei der Ausarbeitung der Frage, die schließlich den BürgerInnen vorgelegt wurde, um jede Formulierung feilschen mussten, wurde der Ratsmehrheit eine Frage erlaubt, die suggerierte, dass in einem künftigen Baugebiet junge Familien angesiedelt werden sollten und es wurde eine Wohnungsnot in Itzehoe unterstellt.

Nun kam ein Whistleblower der BI zu Hilfe. Es wurde ein Leitungsprotokoll aus dem Rathaus zugespielt, aus dem hervorging, dass auf der Grundstücks-Bewerberliste zum Eichtal in erster Linie ältere Bürger stehen und vielfach auch welche, die schon Häuser in der Stadt besitzen. Auch hier wurde die Genehmigungsbehördein Kiel eingeschaltet. Sie wollte diese Wählertäuschung nicht verhindern.

Als die Argumente ausgingen

Die nächste Aktion der Ratsmehrheit zielte auf die Glaubwürdigkeit der Bürgerinitiative. Es wurde unterstellt, dass sie den Namen „Eichtal“ missbräuchlich verwende, weil das eigentliche Eichtal im angrenzenden Breitenbacher Wald liege und nicht bebaut werden solle. Darauf muss man erst mal kommen! Die BI hatte nie verschwiegen, dass es sich um die Kleingartenanlage handelt, die 1920 gegründet wurde und seitdem Eichtal“ heißt. Wer sich in Itzehoe nicht auskannte, dem  wurde der Flyer gezeigt, auf dem  das  Kleingartengebiet Eichtal genau kartiert ist. 

Gut zwei Wochen vor dem Wahltag wurde die Stadt mit Flugblättern und einer Plakataktion überzogen. Die Botschaft: strahlende Kinderaugen suchen ein Zu Hause im Eichtal! Der Absender: Eine „Initiative ökologisches Wohnen“.  Hinter der Adresse versteckte sich, wie relativ leicht aufzudecken war,  der Bürgervorsteher der Stadt Itzehoe.

Auch der Bürgermeister griff neben der Ratsmehrheit offen Partei für die Bebauung des Eichtals. Dreimal wurde in einer neu geschaffenen Stadtzeitung, die an alle Haushalte verteilt wurde und ein „amtliches Mitteilungsblatt“ sein soll, Werbung für die Bebauung gemacht. Die Stadtplanungsabteilung erhielt einen professionell gestylten Internetauftritt, um den BürgerInnen die Exklusivität des Baugebietes  vor Augen zu führen.

Die BürgerInnen sind schlauer

Natürlich haben diese Kampagnen die BI-Mitglieder nicht gleichgültig gelassen.
Es wurde  versucht (meist vergeblich) durch eine intensive Pressearbeit dagegen zu argumentieren. Erfolgreicher waren die Leserbriefe empörter Bürger. Man kann zusammenfassend sagen, dass die Bürgerinitiative trotz  - oder gerade wegen? - dieser Verwirrspiele gewonnen hat. Es ist davon auszugehen, dass  viele  BürgerInnen die BI unterstützten, weil sie die Taktik der Ratsmehrheit durchschauten und sich von der Presse nicht beeindrucken ließen.

Die Bürgerinitiative hat im Verlauf der Auseinandersetzung an Kraft gewonnen, sie hat sich  nicht auseinander dividieren lassen, zusammen gehalten und neue  UnterstützerInnen gefunden. Dabei hat uns, wie wir glauben, auch die  allmählich wachsende Sensibilität für Umwelt- und Klimafragen geholfen (Berichte über den Hambacher Wald und die Schülerdemos, zuletzt auch in Itzehoe) . „Klima retten – Eichtal retten“, war einer unserer Slogans.
Wichtig war auch, dass  mit der BI Menschen zusammenarbeiteten, die die ganz offenbar geschönte Finanzkalkulation der Stadt  ins Wanken brachten und die fundiert ein Bodengutachen anzweifeln konnten.
Dies waren wichtige Argumente für den der Teil der BürgerInnen, die das Umweltargument (noch) nicht überzeugte.

Die BI-Arbeit war mühsam und antrengend. Zweimal wurden die 18 000 Haushalte in Itzehoe mit Infomaterial versorgt, vier große, zum Teil sehr gut besuchte Veranstaltungen durchgeführt, 100 Plakate aufgestellt, die Webseite gepflegt und die Schulen angesprochen und gebeten,  das Thema „direkte Demokratie und Bürgerentscheid“ anzusprechen.  Es war im wesentlichen ein konventioneller Wahlkampf, der auf die Kraft der Argumente und das persönliche Gespräch setzte.

Es gibt viel zu lernen, die Arbeit geht weiter

In eine Presseerklärung der Bürgerinitiative  nach dem erfolgreichen
Bürgerentscheid  heißt es:

Es gibt aus diesem Wahlkampf viel zu lernen, wir werden ihn aufarbeiten.
Zusammenfassend könne  wir schon festhalten: Die Bürger haben uns auch ihre Stimme gegeben, weil  sie spürten, dass es in diesem Kampf um mehr ging als um eine schöne Naturfläche und ein Baugebiet.
Denn derzeit wird in unserer Gesellschaft um die Zukunft gerungen.
Viele Menschen ahnen, dass wir unsere Lebens- und Wirtschaftsweise ändern müssen, wenn wir  eine Zukunft haben wollen.
Wir haben ein Angebot gemacht: Das Eichtal in Itzehoe retten.
Dies ist – zugegeben – ein winziger Schritt. Aber er geht in die richtige Richtung.
Wir arbeiten weiter. Wir möchten die Itzehoer gewinnen für   eine Diskussion über die Zukunft unserer Stadt. Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum. Die Innenstadt muss entwickelt werden.  Es geht auch um einen Grünflächenplan. Das Eichtal, die Kleingärten, die Parks, die Wälder sind Teil der grünen Lunge dieser Stadt. Sie muss insgesamt betrachtet werden, es sind öffentliche Flächen, die allen gehören. Diese öffentlichen Flächen stehen  nicht zur „Vermarktung“ an, wie es der Ratsmehrheit vorschwebt.  
Verteidigt werden muss in diesem Zusammenhang das Prinzip: Gemeinwohl geht vor Eigenwohl. Eigentum verpflichtet – das steht im Grundgesetz. Es muss keine Utopie bleiben, kann Realität werden.
Wir fordern einen demokratisch organisierten,  langfristigen  Beteiligungsprozess,  der die Betroffenen auch zur  aktiven Mitgestaltung befähigt.