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Wichtiger Etappensieg: Wohnen soll nicht länger Ware sein

Kommentar zum erfolgreichen Volksentscheid "Deutsche Wohnen und Co. enteignen"

Es klingt fast unglaublich: Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" hat einen wichtigen Etappensieg errungen und den Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne deutlich gewonnen. Mehr als eine Million Berliner*innen haben sich am 26. September für den Volksentscheid und damit für eine am Gemeinwohl und nicht an den Profitinteressen der Wohnungskonzerne orientierte Wohnungspolitik in Berlin ausgesprochen. Der zukünftige Senat ist nun dazu aufgerufen, ein Gesetz zu erarbeiten, um große Wohnungskonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin zu enteignen und zu vergesellschaften. Mehr als 240.000 Wohnungen sollen durch eine Anstalt öffentlichen Rechts in Zukunft gemeinwohlorientiert bewirtschaftet werden. Gleichzeitig sollen der Vorstellung der Initiative nach grundlegende Mitbestimmungsrechte für Mieter*innen in der neuen Gesellschaft verankert werden. Offenbar glaubt die Mehrheit der Abstimmungsberechtigten in Berlin nicht mehr daran, dass der Markt die Wohnungsfrage löst. Auch Attac fordert die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne: Wohnen muss Gemeingut werden.

Möglich wurde dieser Erfolg zum einen, weil eine gut organisierte Initiative mit politischem Gespür und langem Atem über mehrere Jahre an dem Projekt gearbeitet hat. Zum anderen ist der Erfolg darauf zurückzuführen, dass viele Menschen die sozialen Verheerungen, die die neoliberale Privatisierungspolitik auf den Wohnungsmärkten in den urbanen Räumen angerichtet hat, nicht mehr widerstandslos hinnehmen. Wohnungen sind hier zum Luxusgut geworden, und angemessener Wohnraum ist für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen unbezahlbar geworden. Dies wollen viele nun nicht mehr als vermeintliches Naturgesetz akzeptieren, sondern fordern eine aktive Rolle der Gesellschaft ein.

Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" will die anstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin intensiv begleiten. Und dies wird nötig sein, denn ohne weiteren politischen Druck von Seiten der außerparlamentarischen Bewegungen wird die sich neu bildende Berliner Regierung versuchen, die Intention des Volksbegehrens nicht umzusetzen. Die Initiative hat bereits im Mai 2021 einen Entwurf zum Vergesellschaftungsgesetz vorgelegt, der von Fachjurist*innen erarbeitet wurde und zur Umsetzung bereit liegt. Die rechtliche Zulässigkeit der Vergesellschaftung ist durch sieben unabhängige Gutachten bestätigt worden. Diese wurden größtenteils von den wissenschaftlichen Diensten von Bundestag und Abgeordnetenhaus angefertigt.

Wenn es in Berlin gelingt, ehemals privatisiertes öffentliches Vermögen wieder in die Hände der Gesellschaft zurückzunehmen, ist dies nicht nur für Berlin und nicht nur für den Wohnungssektor wichtig. Warum dann nicht auch Energiekonzerne vergesellschaften und die kommunale Entsorgungswirtschaft rekommunalisieren? Wenn der Markt gesellschaftliche Probleme nicht löst, sondern verschärft, ist Vergesellschaftung bei gleichzeitiger Demokratisierung das Mittel der Wahl. Aber auch das lehrt der Berliner Volksentscheid. Aufklärung über die Folgen einer marktradikalen Politik reicht nicht aus, ohne den Druck der Straße,  und ohne gesellschaftliche Mehrheiten für Veränderung bleibt sie folgenlos.