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Presseerklärung Attac Flensburg

Flensburg, 06.12.20: Offener Brief an alle Ratsfraktionen
Initiative für mehr Demokratie in Flensburg – Wir brauchen Bürgerrat!

Sehr geehrte Damen und Herren,


an alle Kommunalpolitiker*innen der Stadt geht unsere Einladung, mit uns gemeinsam über die
Möglichkeiten zur Einrichtung eines Bürgerrats in Flensburg zu diskutieren und ggf. auch bereits erste
Schritte zur Verwirklichung dieses Vorhabens in die Wege zu leiten. Weil es in unserer Stadt aktuell
eine Vielzahl strittiger Themen gibt, viele Einwohner*innen sich nicht hinreichend beteiligt fühlen und
damit verbunden oft eine emotional sehr aufgeladene Stimmung vorherrscht, meinen wir, dass eine
Stärkung der demokratischen Teilhabe durch themenbezogene, repräsentativ ausgeloste Bürgerräte
zur Versachlichung der Diskussionen, vor allem zum Erreichen mehrheitsfähiger Konsenslösungen
beitragen kann.
Bürgerräte erregen in Deutschland und in vielen anderen Ländern mehr und mehr Aufmerksamkeit, aus
gutem Grund: Wo sie durchgeführt wurden, wie z.B. in Irland, Frankreich oder Österreich, haben sie
große Erfolge erzielt, haben schwierige Fragen gelöst bzw. einer Lösung näher gebracht und
insgesamt die Demokratie wesentlich gestärkt. Auch in Deutschland hat es auf Bundesebene bereits
einen ersten, sehr erfolgreichen Bürgerrat gegeben (https://www.mehr-demokratie.de/buergerrat/); der
Bundestag hat dieses Jahr den Auftrag zu einem weiteren erteilt
(https://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/701614-701614).
Wir plädieren nun dafür, auch in Flensburg einen ersten Bürgerrat zu starten. Warum?
Weil wir im Zuge unseres zivilgesellschaftlichen Engagements in Bürgerinitiativen und Vereinen immer
häufiger erleben, wie stark die Politikverdrossenheit der Einwohner*innen wächst. Die resignierte
Feststellung, wonach “die da oben” ja doch machen, was sie wollen, ist gewiss altbekannt, aber
dramatisch neu ist die Geschwindigkeit, mit der sie sich verbreitet und in den Köpfen festzusetzen
scheint. Ihnen als verantwortlichen Kommunalpolitiker*innen müssen wir selbstverständlich nicht
erklären, was das für die zukünftige Entwicklung der Demokratie und den gesellschaftlichen
Zusammenhalt in unserer Stadt bedeutet.
Am 28.Oktober konnten wir, das Netzwerk FliB- Flensburg in Bewegung, eine Informationsveranstaltung
zum Thema Bürgerrat durchführen. Die Bundessprecherin von Mehr Demokratie e.V.
Claudine Nierth, hielt einen spannenden Vortrag und beantwortete Fragen. Auch mehrere Flensburger
Kommunalpolitiker*innen waren unserer Einladung gefolgt. Wer nicht dabei sein konnte, findet unter
dieser Adresse eine Aufzeichnung des Treffens: youtu.be/sY_LxS6Oxhg
Bürgerräte sind, um das vorweg deutlich zu sagen, keine Alternative zur repräsentativen Demokratie.
Vielmehr sind sie eine dringend benötigte Ergänzung, ein Mittel, um deren Defiziten entgegen zu
wirken, die heute von immer mehr Menschen wahrgenommen werden. Dass ausgerechnet einer der
dienstältesten Parlamentarier der Bundesrepublik (annähernd 50 Jahre im Bundestag und heute
dessen Präsident) ein vehementes Plädoyer für die Einrichtung von Bürgerräten hält, dürfte auch
hartnäckige Zweifler*innen zum Überdenken ihres Urteils anregen:
www.sueddeutsche.de/politik/schaeuble-bundestagspraesident-buergerraete-1.5044696
 
Die Tatsache, dass die Teilnehmer*innen an so einem themen- oder projektbezogenen Bürgerrat
ausgelost werden, mag zunächst überraschen, doch hierin liegt gerade eine besondere Stärke dieses
Instruments politischer Teilhabe. Die Zusammensetzung des Bürgerrates soll ein breites Spektrum der
Bevölkerung widerspiegeln in Bezug auf Geschlecht, Alter, regionale Herkunft, Migrationshintergrund
und Bildungsgrad. So wird möglich, dass jede und jeder von uns die Chance hat, bei einem Bürgerrat
dabei zu sein. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass weit häufiger als gedacht auch an sich
politikferne Menschen, wenn das Los auf sie fällt, neugierig werden und sich entschließen
mitzumachen.


Die Teilnehmenden an einem Bürgerrat kommen mehrfach zusammen und werden bei diesen Treffen
zunächst von Fachleuten umfassend informiert, so dass alle in etwa den gleichen Wissensstand
haben. Anschließend erarbeiten sie im direkten Gespräch in kleinen Gruppen Vorschläge für
verschiedene Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Dieser Diskussionsprozess, bei dem alle
Teilnehmenden frei sind, ihre Meinungen und Ideen einzubringen, wird professionell moderiert. Ziel ist
es, einen mehrheitsfähigen Konsens zu erreichen, der dann in Form eines Bürgergutachtens an die
Politik weitergereicht wird und ihr als wesentliche Entscheidungsgrundlage dienen kann.
Richtig und vor allem rechtzeitig (!) eingesetzt geht solch ein Bürgerrat weit über all das hinaus, was
bisher in Flensburg an Einwohner*innenbeteiligung verwirklicht wurde. Die bis heute praktizierte
Beteiligung wird von einer Mehrzahl der interessierten und betroffenen Flensburger*innen überhaupt
nicht als solche wahrgenommen. Dies insbesondere deshalb, weil sie erst in Erscheinung tritt, wenn
die richtungweisenden Entscheidungen längst gefällt sind und keine grundlegenden Änderungen mehr
möglich sind.
An Argumenten für die Einrichtung von Bürgerräten besteht, wie diese kurze Aufzählung zeigt, kein
Mangel. Wir, die Mitglieder des Bürgerinitiaven-Netzwerks FliB, würden gern mit Ihnen über die
mögliche Einrichtung eines Bürgerrats in Flensburg diskutieren. Das Thema könnte ein wichtiges
Zukunftsthema sein, bei dem die Kommunalpolitik in besonderer Weise auf Konsens mit der
Einwohnerschaft angewiesen ist.
Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und Ihre Ideen!
Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag Günter Strempel für das Netzwerk FliB:
BI Bahnhofsviertel Flensburg / Bündnis Fossilfreies Flensburg / Aktionsgruppe Klima Flensburg
BI Flensburger Hafen e.V. / Verschönerungsverein Flensburg / Verein Bunnies Ranch
Günter Strempel – Tiesholz 1 – 24941 Flensburg – Tel: 0461 - 16 87 626

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Am 26.11.2020 berichtete das Flensburger Tageblatt (zunächst nur online) über die Mahnwache und die Besetzung am bzw. im Bahnhofswald.