1. November 2011 - attac Frankreich:
Griechisches Referendum:
Eine erste demokratische Errungenschaft
Die leider sehr späte Ankündigung durch Papandreou der Durchführung eines Referendums über den europäischen „Hilfs"-Plan an Griechenland ist eine erste demokratische Errungenschaft angesichts der Kürzungspläne in allen europäischen Ländern. Von der gestellten Frage und von den Rahmenbedingungen für die Debatten wird abhängen, ob dieses Referendum eine politische Manipulation sein wird oder nicht. Aber es ist eine gute Gelegenheit für eine echte Debatte unter den Bürgern, die den Forderungen nach mehr Demokratie entspricht … ähnlich dem Referendum in Island, infolge dessen die Pläne eines scharfen Sozialabbaus abgelehnt wurden.
Der europäische Hilfsplan an Griechenland, selbst wenn er einen teilweisen und sowieso unumgänglichen Schuldenschnitt vorsieht, löst keines der grundlegenden Probleme, die die Inkohärenz der Euro-Zone und die Verantwortungslosigkeit der Finanzmärkte stellen. Dieser Plan verschärft noch den Sozialabbau und die Vormundschaft der Troika – EU-Kommission, EZB und IWF – gegenüber dem griechischen Volk. Die europäischen Oligarchen glaubten, dass sie ihren Bevölkerungen die Forderungen der Banken und der Gläubiger aufzwingen könnten, indem sie sich hinter parlamentarischen Mehrheiten verschanzen. Aber die Sparmaßnahmen, die zurzeit Griechenland zerstören und sich im Rest Europas ausbreiten, rufen starke soziale Widerstände hervor.
Die Bürger fühlen sich nicht durch eine politische Klasse repräsentiert, die sich den Dogmen und Interessen der Finanzmärkte unterwirft. „Ihr vertretet uns nicht!“, dieser Aufschrei der Empörten gegen die politische Klasse wurde zu einer Selbstverständlichkeit. Die Entscheidung von Papandreou – selber ein typischer Vertreter der griechischen politischen Oligarchie, die Stimme der Bevölkerung zuzulassen, ist also eine gute Nachricht. Selbst wenn Sarkozy wie auch die meisten europäischen Regierungschefs über diese Entscheidung bestürzt sind und darin nur Demagogie und Verantwortungslosigkeit sehen wollen.
Selbstverständlich wird die mediale Maschinerie in Gang gesetzt – in Griechenland und in Europa, genauso wie 2005, als es um den europäischen Verfassungsvertrag ging. Die rechten Parteien und eine bestimmte Linke werden den Archaismus und den Nationalismus der Griechen anprangern, die angeblich Europa verlassen wollen und den Euro zerstören wollen. Aber das ist genau umgekehrt: Indem das griechische Volk seine sozialen Rechte und seine demokratische Souveränität verteidigt, verteidigt er die Rechte aller europäischen Völker. Die europäischen Sozialbewegungen müssen die griechische Bewegung unterstützen, die diese Politik von scharfen Sparmaßnahmen ablehnt, weil sie nur zerstören und zum Tod führen. Ein Sieg des Neins beim Referendum wird an sich die aktuelle Krise nicht lösen. Aber er wird ganz konkret die Notwendigkeit herausstreichen, eine Alternative zum neoliberalen Modell zu entwickeln, die damit anfängt, dass die illegitimen Schulden zurückgewiesen werden, der Sozialabbau abgelehnt wird und über die Gestaltung unserer gemeinsamen Währung – den Euro – demokratisch entschieden werden kann. Attac Frankreich wird sich in den nächsten Wochen mit allen Kräften dafür einsetzen, dass die Solidarität mit dem griechischen Volk aufgebaut wird, damit das Nein zu den Sparmaßnahmen siegt, und damit die ersten Meilensteine der Neugründung eines demokratischen und solidarischen Europas gesetzt werden.