EAN – Das Europäische Attac Netzwerk
Gemeinsam gegen die Diktatur der Finanzmärkte
Es war im Herbst 2002, nach französischem Vorbild formierten sich in weiteren europäischen Ländern Attac Gruppen mit der gemeinsamen Forderung nach einer europaweiten Finanztransaktionssteuer. Attac Deutschland eröffnete sein Büro in Frankfurt am Main und der soeben konstituierte Koordinierungskreis lud zu einem europäischen Seminar in das benachbarte Oberursel. Es war die Geburtsstunde des Attac Netzwerks, das sich schnell zu einem angesehenen Akteur in den globalen Kämpfen um eine gerechtere Weltordnung entwickelte und dem Kampf gegen die Diktatur der Finanzmärkte eine vernehmliche Stimme gab.
Auch mehr als 20 Jahre später ist das EAN noch immer eine lebendige Gemeinschaft, die eine integrierende Rolle unter den Akteuren der sozialen Bewegungen spielt. Mit der Organisation der europäischen Sommeruniversitäten in Saarbrücken, Freiburg, Paris und Toulouse hat das EAN einen wichtigen Beitrag zum Zusammenrücken der sozialen Bewegungen in Europa geleistet. Attac gehörte zu den aktivsten Gruppen des Europäischen Sozialforums. Und auch jetzt spielte das EAN eine aktive Rolle bei der Gründung des „European Common Space for Alternatives, kurz ECSA“, dessen Initialzündung wir 2022 in der Schlussveranstaltung der Europäischen Sommeruniversität in Mönchengladbach erlebten.
Als gemeinsame Handlungsrichtlinie hat sich das EAN die "Sieben Prinzipien zur Befreiung unserer Gesellschaften von der Herrschaft der Finanzmärkte" erarbeitet. In seiner letzten Fassung aus dem Jahr 2013, die sicherlich heute einiger Korrekturen bedarf, analysiert das Dokument die alles beherrschen Rolle der Finanzmärkte bei der Umsetzung der rigorosen Austeritätspolitik der Europäischen Union und formuliert sieben Grundforderungen, die ein Europa möglich machen würden, dass dem Menschen und nicht dem Profit dient.
Dass ein politisches Grundsatzprogramm trotz nationaler Besonderheiten in gutem Einvernehmen möglich war, ist zwar keine Selbstverständlichkeit aber dennoch bewährte Praxis unter den europäischen Attacies: 2009 verfasste das EAN eine kritische Analyse des Lissabon-Vertrags der EU, 2021 wurde eine
Kritik zu den Strategien der Covid-19-Pandemie verabschiedet. Und auch das jüngste Dokument, Forderungen für eine sozial gerechtere europäische Steuerpolitik, die auf der ECSA-Konferenz in Marseille der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt wurden, ist in vielen Monaten intensiver freundschaftlicher Beratungen möglich gewesen. Dieses bedeutende Projekt war eine Initiative von Attac Spanien, und es hat eine gemeinsame europaweite Kampagne zum Ziel, die sich an die bereits erfolgreich laufende Kampagne „Tax the Rich“ anlehnen könnte.
Diese Treffen der europäischen Attac-Vertreter, die bis zu dem dramatischen Einschnitt der Covid-Pandemie zwei Mal im Jahr wechselnd in europäischen Metropolen stattfanden, werden nun überwiegend virtuell, aber dafür in monatlichen Abständen abgehalten. Allerdings hat sich herausgestellt, dass diese Videokonferenzen den Wert der menschlichen Begegnung nicht ersetzen können. Und so wird ein in persona Treffen im Jahr angestrebt, möglichst am Rande einer internationalen Veranstaltung mit Attac-Beteiligung. So war es 2022 in Florenz beim 20. Jahrestag des Europäischen Sozialforums. Aber es gab auch die jüngste Begegnung im Dezember 2023, gestaltet von Attac Norwegen in Oslo.
Nicht alle Attac Gruppen, die 2002 in Oberursel dabei waren, kommen noch heute zu diesen virtuellen oder persönlichen Treffen. Ganz aktiv dabei sind neben Attac Deutschland die Attac Organisationen aus Frankreich, Spanien, Italien, Brüssel/Wallonie, Norwegen, Österreich, Ungarn und aus Großbritannien unsere Mitgliedsorganisation „Global Justice Now“. Attac Schweiz und Attac Finnland lassen nur gelegentlich von sich hören, und in Irland, Polen, Griechenland und den Niederlanden bekennen sich nur noch unverdrossene Einzelpersonen zur europäischen Attac Familie.
"Sieben Prinzipien zur Befreiung unserer Gesellschaften von der Herrschaft der Finanzmärkte" (verfasst 2013)
Seit 2007 wird die Weltwirtschaft von einer globalen Krise erschüttert, und die EU steht im Zentrum dieser Krise. Anstatt Teil der Lösung zu sein, ist die Europäische Union nicht in der Lage und nicht willens, ihre neoliberale Ausrichtung zu ändern, wodurch sich die wirtschaftliche, soziale und demokratische Krise verschlimmert. Ihre Wirtschaftspolitik verschärft die soziale, wirtschaftliche und ökologische Krise und bringt die Demokratie in Gefahr.
Die Europäische Zentralbank (EZB) und der Euro sind die Symbole dieser Politik, die unter dem Vorwand einer so genannten Staatsschuldenkrise den privaten Banken und Finanzmärkten die Schlüssel der Wirtschaft überlässt.
Gleichzeitig zerschlagen die Troika (die Europäische Kommission, die EZB und der IWF) und die Regierungen der EU den Sozialstaat und führen zerstörerische Sparmaßnahmen ein, indem sie die Menschen für Schulden zahlen lassen, für die sie nicht verantwortlich sind.
Das neoliberale Modell der europäischen Integration hat die Kluft zwischen Kern- und Peripherieländern vertieft und die bestehenden Ungleichheiten innerhalb und außerhalb Europas vergrößert, indem es Sozial-, Umwelt- und Steuerdumping begünstigt hat.
Die EU-Regierungen sind bei der Verweigerung der Demokratie noch einen Schritt weiter gegangen und haben ihren Völkern und Parlamenten technokratische Prozesse aufgezwungen und manchmal sogar ihre Vertreter eingesetzt (wie in Griechenland und Italien), um eine destruktive Schuldenreduzierungspolitik umzusetzen. Die demokratische Funktionsweise der EU wird durch die Schaffung eines informellen Direktoriums - der so genannten "Frankfurter Gruppe", bestehend aus dem deutschen Bundeskanzler, dem französischen Staatspräsidenten, dem Leiter des Europäischen Gerichtshofs, dem Leiter der Eurogruppe, dem Leiter des IWF und den beiden EU-Präsidenten - weiter beeinträchtigt, das im Namen der Dringlichkeit der Krise strategische politische Entscheidungen trifft. Auf diese Weise wird die ohnehin fragile Legitimität der EU und ihres Entscheidungsprozesses weiter untergraben.
Das Europäische Attac-Netzwerk spricht sich entschieden gegen die derzeitige Form der europäischen Integration und den Euro in seiner jetzigen Form aus, weil sie die Interessen und Bedürfnisse der Menschen den Interessen der Finanzmärkte unterordnen.
Die Frage, ob man aus dem Euro austreten oder die derzeitige Form der europäischen Integration vertiefen soll, geht keineswegs alle Kernelemente der globalen Krise an. Die Dringlichkeit besteht nun darin, sich von der Beherrschung durch die Finanzmärkte zu befreien und ein koordiniertes Paket fortschrittlicher Wirtschafts-, Währungs-, Sozial- und Umweltpolitiken zu fördern. Zu diesem Zweck müssen die Bürgerinnen und Bürger und die sozialen Bewegungen auf nationaler und europäischer Ebene dafür kämpfen, die dem derzeitigen wirtschaftlichen und institutionellen System zugrunde liegenden Regeln zu ändern - und ein anderes Europa möglich zu machen!
Um unsere Gesellschaften von der Vorherrschaft derFinanzmärkte zu befreien und eine fortschrittliche Wirtschafts-, Währungs-, Sozial- und Umweltpolitik zu koordinieren, müssen wir folgende sieben Prinzipien verfolgen:
Entkopplung der öffentlichen Finanzen von den Finanzmärkten: Ermöglichung einer demokratischen Staatsfinanzierung durch eine demokratisch kontrollierte Zentralbank, die den Regierungen direkt Kredite gewährt.
Ausweg aus der Schuldenfalle: Beendigung der Austeritätspolitik und Einführung von Schuldenprüfungen, die zu Schuldenstreichungen führen. Banken und private Finanzakteure müssen ihren Anteil an den Verlusten übernehmen.
Die Staatsfinanzen auf eine nachhaltige Basis stellen: koordinierte Erhöhung der Besteuerung von Vermögen und Unternehmensgewinnen zur Förderung der Steuerkooperation, um Steuerdumping zu beseitigen. Beendigung der Steuerhinterziehung und Einführung eines "Finanzembargos" gegen Steuerparadiese.
Entwaffnung der Finanzmärkte und Unterstellung des Bankensektors unter öffentliche Kontrolle: Verbot schädlicher Spekulationsmechanismen (z. B. Hochfrequenzhandel, ungedeckte Leerverkäufe, Spekulation mit Derivaten, außerbörsliche Vereinbarungen) und Einführung einer Steuer auf alle Finanztransaktionen in Höhe von mindestens 0,1 %; strenge Regulierung der Banken (z. B. Trennung von Privatkunden- und Investmentbanken, Abschaffung der "too big to fail"-Banken).
Ermöglichung einer öffentlichen und demokratischen Finanzierung der Wirtschaft: Aufbau eines öffentlichen und genossenschaftlichen Bankensektors unter demokratischer Kontrolle, um die Finanzierung sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse sicherzustellen, soziale Rechte zu garantieren und den ökologischen Wandel zu finanzieren. Die Handelspolitik sollte in Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern auf diese Ziele hin überprüft werden.
Europa für die Menschen, nicht für den Profit: Förderung eines koordinierten Pakets fortschrittlicher wirtschafts- und sozialpolitischer Maßnahmen und Wiederherstellung und Ausbau demokratisch kontrollierter öffentlicher Dienstleistungen, um Ungleichgewichte zu verringern, den ökologischen Übergang der Volkswirtschaften zu fördern, hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern und die sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte (Gesundheit, Bildung, Wohnung, Mobilität, Ernährung, Zugang zu Wasser und Energie, Information, Kultur, Sozialhilfe usw.) zu erweitern und sicherzustellen, dass sie durch ein öffentliches Dienstleistungsnetz bereitgestellt werden.
Echte Demokratie jetzt: Engagieren Sie sich in einem verfassungsgebenden Prozess, der darauf abzielt, die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen zu demokratisieren; unterstützen und fördern Sie eine öffentliche, transparente und verantwortliche Debatte über Visionen für Europa und alternative EU-Politiken.