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Ostermarsch Fulda 2021

Schönen guten Tag liebe Friendensfreunde,
vielen Dank an die Organisatoren, dass ich heute hier auf der Ostermarsch Veranstaltung einen kleinen Beitrag leisten und für unsere Fuldaer Attac-Gruppe sprechen darf.


Ich freue mich sehr, dass ihr alle gekommen seid, und wir so zusammen ein Zeichen
dafür setzen, dass auch heute noch das Thema Frieden, der Einsatz für den Frieden
wichtig ist.

Die Ostermarschbewegung und die Friedensbewegung haben ja eine jahrzehntelange
große Tradition mit vielen hunderttausenden Teilnehmern, und wenn ich jetzt auf die
Ursrünge der Ostermarschbewegung zu sprechen komme, dann nicht aus
Nostalgiegründen eines schon etwas älteren Veteranen, sondern weil es meiner
Meinung nach immer noch erstaunlich viele Parallelen gibt zwischen damals und
heute.


Nach dem 2. Weltkrieg gab es in Deutschland nach den Schrecken des Krieges eine
große, gemeinsame Abneigung gegen Krieg, Militarismus und Aufrüstung und das
Bekenntnis: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ war vielfach zu hören.
Nicht zufallig hatten wir ja in dieser Zeit eine Frauengesellschaft, es waren ja die
Frauen, die zuerst die ganze Zerstörung ihrer Heimat ertragen mussten und dann
danach alles aufräumen und wieder aufbauen durften.


Und so war es auch keine große Überraschung, als in den fünfziger Jahren sich durch
die Wiederbewaffnung, den Beitritt zur Nato und nach dem Verlangen nach
Verfügung über deutsche Atomwaffen, sich eine große Protestbewgung dagegen
entwickelte, ab 1960 dann auch der Ostermarsch.


Aber wie konnte es dazu kommen, dass trotz der Kriegsmüdigkeit, sich die
Wiederbewaffnung doch so problemlos durchsetzen ließ?


Es sind immer wieder die gleichen Mechanismen:


 Ein Feindbild wird aufgebaut. Schon 1945 zerbrach die Antihitler-Koalition,
das System Sowjetunion und dessen Ziele war mit dem westlichen
Kapitalismus nicht vereinbar und aus dem heißen Krieg entwickelte sich der
immer gefährlicher werdende Kalte Krieg.
Die Propaganda-Maschinerie gegen den Kommunismus lief auf Hochtouren, alte
Nazis wurden plötzlich als kompetente Antikommunisten wieder hoffähig und die
Blockade Westberlins, der Koreakrieg, der Einsatz sowjetischer Panzer gegen die
demonstrierenden Arbeiter 1953 in Berlin und auch 1956 in Ungarn gaben ja auch
reichlich Munition für die Angstkampagne gegen den Osten.


 Dann immer wieder die Legende, wir müssen uns auch selbst verteidigen
können, als neues Mitglied der Nato muss man auch Verantwortung
übernehmen.


 Und nicht zuleletzt das wichtigste Momentum bei jeder Aufrüstung: ein
starkes Militär ist immer auch Basis für Macht und Einfluß, und es ist der
Bereich, wo der Staat am leichtesten relativ unkontrolliert am meisten Geld
ausgeben und verteilen kann und wo für die Wirtschaft die fettesten Gewinne
zu erzielen sind. Und übrigens auch eines der wichtigsten Felder für
Korruption.
Ich möchte hier den Bogen schlagen zu unserer Gegenwart. Als Pazifist ist man ja nie
wirklich ernst genommen worden, dumm, verblendet oder naiv sind noch einige der
harmlosen Bezeichnungen.
Auf Kooperation, auf Interessenausgleich und Moderation, auf ein gleichberechtigte
Miteinander hinzuwirken, sei eine Illusion, eine Utopie, die dem menschlichen
Wesen widerspreche.
Aber meine ganz ernsthaft gestellte Gegenfrage lautet: Was wäre denn eine echte
Alternative dazu?
Der Weg, der immer und immer wieder gewählt wird, ist der, über militärische
Aufrüstung sich Macht, Einfluß und damit Überlegenheit zu sichern, womit man
dann die eigenen Interessen auch durchsetzen kann.


Aber niemand will scheinbar wahrhaben, dass dieser Weg immer und immer wieder
gescheitert ist. Hier einige Beispiele der letzten 20 Jahre:


 1999 der Tabubruch, seit Hitler der erste Angriffseinsatz im Ausland mit
deutscher Beteiligung, in Exjugoslawien (ohne UN-Mandat, unter einer SPDGrün geführten Regierung),
 2001 – 2021 der Afghanistankrieg, der sogenannte Krieg gegen den Terror
 ab 2003 der Irakkrieg
 ab 2011 Krieg in Libyen
 ab 2012 Krieg in Syrien
 ab 2012 Krieg in Mali
 ab 2014 Krieg in der Ukraine
 ab 2015 Krieg im Jemen und es geht immer weiter so.
Und was sind die Ergebnisse all dieser kriegerischen Interventionen?
 Die Länder im ehemaligen Jugoslawien sind verarmt, untereinander immer
noch zerstritten, die EU muss immer noch jährlich viele Milliarden Euro hinein
pumpen, um es dort noch einigermaßen am Laufen zu halten;
 der Irak ist total zerstört, verarmt, zerstritten, immer noch Kriegsgebiet;
 in Syrien ist es noch schlimmer;
 in Libyen herrscht seitdem Chaos;
 in Mali hat sich nichts verbessert;
 in der Ukraine hat sich nichts verändert,
 und im Jemen ist inzwischen nicht nur alles kaputt, da findet zur Zeit die
größte Hungerkatastrophe auf der Welt statt, alle 10 Minuten verhungert dort
ein Kind.
Kurz gesagt, wo wir früher zwar nicht genehme oder auch diktatorische
Regierungsformen, im Ganzen aber blühende, prosperierende Länder hatten, da gibt
es heute fast nur noch Schutt und Asche, Bürgerkrieg und Armut, und von all diesen
Kriegsschauplätzen kommen Millionen von Flüchtlinge.
Ist so etwas also wirklich eine Alternative zu Diplomatie, Dialog, Monitoring und
Interessenausgleich?
Wieso macht man sich da über unsere pazifistischen Ideen und Pläne lustig, und
dieser kriegerische, tödliche Weg der Aufrüstung und der Resourcen- und
Geldverschwendung wird kommentarlos akzeptiert? Immer und immer wieder wird
auf die militärische Lösung von Problemen gesetzt. Unbegreiflich. Und da schließe
ich den Bogen wieder und komme zu den Parallelen von damals, die ich am Anfang
genannt habe:
 Auch heute wird wieder fleißig an einem Feindbild gearbeitet – heute sind es
muslimische Terroristen und damit der unendliche Krieg gegen den Terror, und
heute sind es die unberechenbaren Russen und Chinesen, denn auch wenn sie
uns zur Zeit nicht militärisch bedrohen, so sind sie doch auf jeden Fall
wirtschaftlich gefährlich.
 Auch heute wird wieder militärisch aufgerüstet, so viel wie schon lange nicht
mehr.
 Auch heute ist der militärisch/industrielle Bereich sehr einflußreich, sehr
korrupt und es wird in diesem Wirtschaftsbereich extrem viel Gewinn gemacht.
Es gibt natürlich auch Unterschiede zu früher.
 Heute wird mit Rüstungsgeschäften und Exporten ins Ausland mehr Geld
umgesetzt, als mit der Ausrüstung der eigenen Armee.
 Früher lag der Schwerpunkt der Aufrüstung in der Verteidigung, auch die
Angriffswaffen waren im Kalten Krieg vor allem Drohpotential für einen
Vergeltungsschlag.
 Heute gibt es keine wirkliche Bedrohung mehr in Europa und sowohl unsere
Bundesrepublik als auch die ganze Nato sind mit ihren aktuellen
Militärdoktrinen und mit fast der gesamten neuen Ausrüstung nicht auf
Verteidigung, sondern auf weltweite Durchsetzung ihrer eigenen
(wirtschaftlichen) Interessen ausgerichtet.
 Klassische Beispiele für offensive oder Angriffswaffen sind Flugzeuge und
bewaffnete Drohnen, defensive, also eher Verteidigungswaffen sind dagegen
Radaranlagen und Abwehrraketen.
Aus friedenspolitischer Sicht sind solche Angriffswaffen besonders fragwürdig und
sollten unbedingt verhindert werden. Warum? Weil sie die eigenen Verluste und die
Anzahl der eigenen Toten erheblich minimieren, Tod und Verwüstung nur im
gegnerischen Gebiet stattfindet und somit die Hemmschwelle einer kriegerischen
Auseinandersetzung für die Besitzenden solcher Waffen erheblich minimiert wird.
Diese inzwischen in Deutschland und Europa praktizierte militärische Variante von
Wirtschafts- und Außenpolitik hat eigentlich gar nichts mehr mit Verteidigung zu tun,
- deshalb dürfte heute das Verteidigungsministerium auch gar nicht mehr so benannt
werden.
Und ich denke, dies ist für uns ein wichtiger Ansatzpunkt für uns, um sich gegen die
weitere Erhöhung des Militäretats auszusprechen und zu engagieren.
Das Tragische aber bei dieser Orientierung auf Lufthoheit über fremde Gebiete mit
geringen eigenen Verlusten ist doch, dass all die eben genannten Konflikte des neuen
Jahrhunderts im Nahen und Mittleren Osten zwar durchaus auch regionale oder auch
kulturelle Wurzeln haben, dass sie aber durch die Intervention der großen
Militärmächte erst zu den jetzt kaum noch lösbaren, ewig lang währenden
Krisenherden mutieren, wie wir sie heute erleben, mit der nicht enden wollenden
Zerstörung und den immer größer werdenden Flüchtlingsströmen.
Und natürlich sind die vielen Waffenexporte, deren Ende wir ja auch mit diesem
Ostermarsch einfordern, mit eine zusätzliche, befeuernde Ursache dieser Kriege.
Jetzt wollte ich an dieser Stelle eigentlich zum Schlusssatz meiner kleinen Rede
kommen. Ich habe aber 4 verschiedene Abschluss-Gedanken, die mich alle
bedrücken, die ich deshalb auch alle gerne euch noch mitteilen möchte:
 Waffen, die man für sehr, sehr viel Geld baut oder auch kauft, schreien ja
regelrecht danach, auch benutzt zu werden. Man will ja doch wenigstens auch
einen Vorteil, ein Benefit haben für sein vieles ausgegebenes Geld.
Von daher ist allein schon die Anschaffung von Waffen ein potentieller Auslöser von
Kriegen. Das gilt für alle Arten von Waffen, von den neuen Atombomben genauso
wie von Flugzeugen, Schiffen oder Drohnen.
Und es tut auch allen Militärs überall auf der Welt weh, wenn sie die nicht-benutzten,
veralteteten Waffen einfach (meist auch noch sehr teuer) entsorgen müssen. Da wird
das veraltete Zeug lieber noch billig verkauft, egal wohin. Krisengebiet – ist egal.
Noch eleganter machen es da die USA. Sie nutzen die vielen kriegerischen Konflikte,
in die sie verwickelt sind, ihren alten Schrott dort zu „verbrauchen“. In Vietnam
wurden sie ihre alten Chemiewaffen los, in Afghanistan, im Irak, in Syrien ihre alten,
im Gegensatz zu den neuen, ihre nicht zielgenauen Bomben, Und im Irak wurden
auch ihre nicht mehr gebrauchten, Uran-gehärteten und Strahlenschäden
hinterlassende Gefechtsköpfe vernutzt.
Das alles heizt die Konflikte aber nur an und hinterlässt jede Menge verbrannte oder
gar verseuchte Erde.
 Mein 2. Anliegen: Ich möchte auch über unsere großen Parteien reden, was
man normalerweise nicht macht – es sind ja alle auch unsere Bündnispartner -
und was auch gar nicht gern gesehen wird. Aber ich denke, wir alle hier,
zumindest in großer Mehrheit, wir wünschen uns doch eine neue Regierung,
eine, die auch alle großen Probleme wie Klimaschutz, Armut, Frieden und
Abrüstung, bezahlbare Mieten, soziale Sicherheit und Gerechtigkeit ernsthaft
anpackt.
Und es ist doch wohl uns allen klar, dass wir dafür die SPD, die Grünen und die
Linken brauchen. Und deshalb möchte ich diesen Parteien dringend ans Herz legen,
hört auf, euch gegenseitig zu bekämpfen, sucht und stärkt die Gemeinsamkeiten. Nur
so kann man als wählbare Alternative wahrgenommen werden.
Und meine 2. Bitte dazu: Liebe Freunde und Mitstreiter aus diesen Parteien, wann
immer eure Parteien von der Opposition in die Regierung gewechselt haben, haben
sie wichtige Kernelemente einer alternativen Regierung über Bord geworfen:
 1966 hat die SPD den Notstandsgesetzen zugestimmt, um in die Regierung zu
kommen;
 der hochgelobte Helmut Schmidt hat sich Ende der 70er Jahre massiv für die
Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen in unserem Land stark
gemacht und damit Deutschland der Gefahr ausgesetzt, zum nächsten
möglichen atomaren Schlachtfeld zu werden;
 die neue rot/grüne Regierung ist 1999 in den Krieg gegen Serbien gezogen und
hat unter Schröder mit seiner Agenda unser gesamtes soziales Netz zerfleddert;
 die Linke war mit an der Regierung in Berlin, als der Senat 20 Milliarden Euro
durch Korruption und Vetternwirtschaft verursachte Schulden übernommen hat
und nicht zuletzt deshalb damals den größten Teil der staatlichen
Sozialwohnungen in Berlin verscherbelte.
 Und heute scheinen die menschenfeindlichen Handelsabkommen wie TTIP
oder CETA, gegen die wir vor 6 Jahren noch gemeinsam gekämpft haben, und
auch die neueren Abkommen z.B. mit Südamerika, problemlos von Bundestag
und Bundesrat abgesegnet zu werden, obwohl die Bundesländer mit den
Grünen in der Regierung das verhindern könnten.
Also bitte liebe Mitstreiter aus diesen Parteien, setzt euch dafür ein, dass mit euren
Parteien solche Umfaller nicht mehr passieren, damit ihr für uns wählbar bleibt.
 Mein 3. geplanter Schlussgedanke ist mein Appel, hier in Fulda sich dafür
einzusetzen, dass der Hessentag, der ja bisher immer mit einer großen
Propagandashow für die Bundeswehr verbunden war, dass dieser Hessentag,
wenn er denn endlich nach Fulda kommt, ein friedlicher Hessentag wird, ohne
die Werbung für das Militär.
Und damit komme ich nun wirklich zum Schluss:
Ich freue mich besonders über die jungen Leute hier auf der OstermarschKundgebung, besonders, dass sich auch FFF beteiligt.
Als Anfang der 80er Jahre, - es gab damals viele gesellschaftliche Bewegungen:
die Gewerkschaften streikten öfters, die auenbewegung war aktiv, Umweltschutz
wurde wichtig und auch nicht zuletzt durch eine aktive Studentenschaft wurde das
Thema Sexualität enttabuisiert – ja damals brachte auch die Friedensbewegung viele
hunderttausend Menschen auf die Straßen und damals war einer unserer oft benutzten
Sätze den Bündnispartnern gegenüber:
„Ohne Frieden ist alles andere nicht erreichbar“.
Heute würde ich sagen: „Ohne Klimaschutz gibt es keinen Frieden“ aber genauso gilt
auch: „Ohne Frieden gibt es keinen Klimaschutz“
Danke für das Zuhören