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16. Dezember 2010 - Europäisches ATTAC-Netzwerk:

EU muss soziale, politische und demokratische Rechte in Mittelpunkt stellen
Europäisches Attac-Netzwerk legt Vorschläge für Bewältigung der Krise vor

Während des EU-Gipfels am 16. und 17. Dezember werden die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder die Vorschläge des Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Achille van Rumpuy zur künftigen EU-Wirtschaftspolitik sowie zur Veränderung des Stabilitäts- und Wachstumspakts prüfen.

Die Vorschläge decken sich weitestgehend mit jenen der Europäischen Kommission. Vorgeschlagen werden sowohl eine makroökonomische Überwachung der europäischen Volkswirtschaften, eine Verschärfung der Maastricht-Kriterien für öffentliche Defizite und Schulden, wie auch einen Sanktionsmechanismus für Staaten, die, nicht in der Lage sind, ihre Schulden "nachhaltig" abzubauen.

Obwohl die gegenwärtige Krise dringend echte Veränderungen der europäischen Wirtschaftspolitik benötigt, halten die Kommission und der Rat am bestehenden, untauglichen und ungerechten Paradigma fest, das auf Reduzierung der öffentlichen Ausgaben und Senkung der Löhne beruht.

Darüber hinaus werden die Staats- und Regierungschefs auf eine Änderung der Lissabon-Kriterien drängen, um einen permanenten Krisen-Mechanismus einzurichten, wie er in Irland und Griechenland genutzt wurde. Dieser Mechanismus würde eine Intensivierung der Austeritätspolitik bedeuten, wohingegen die Beiträge des Finanz- und Bankensektors minimal ausfallen sollen.
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Statt einer engen Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts in Europa schlägt das europäische Attac-Netzwerk folgende Maßnahmen vor, um die soziale, die ökologische und die Schuldenkrise zu bewältigen:

•  In Zeiten systemischer Krisen-Risiken wie momentan wird den EU Regierungen und insbesondere den Regierungen der Eurozone erlaubt, direkt von der Europäischen Zentralbank Anleihen zu sehr niedrigen Zinsen aufzunehmen.
•  Gemeinschaftliche Eurobonds werden ausgegeben, um die finanziellen Kosten für alle Mitgliedstaaten der Eurozone zu reduzieren.
•  Umschuldungsverfahren mit Gläubigerbeteiligung - entsprechend der Höhe ihrer Kredite - werden ermöglicht. Öffentliche Schulden, die größtenteils auf Steuerbefreiungen und auf die Finanzkrise zurückzuführen sind, müssen in Frage gestellt werden.
•  Eine Finanztransaktionssteuer in der EU (oder wenigstens in der Euro-Zone), wird eingeführt, um Spekulation einzudämmen und öffentlichen Einnahmen zu generieren
•  Alle Steueroasen werden geschlossen.
•  EU-Gesetze sind zu verabschieden, die Banken für Kleinkunden vom Investmentbanking trennen. Banken sollte es nicht länger gestattet sein, sich im Investmentbanking zu betätigen. Alle Banken und Investment-Institutionen müssen klein genug bleiben, um zusammenbrechen zu können. Alternativ sollte eine öffentliche Übernahme der Banken erwogen werden.
•  Nötig ist eine stärkere Besteuerung von Konzernen und reichen Personen in allen EU-Mitgliedsstaaten. Das kann geschehen durch einen Mindeststeuersatz von 25 Prozent bei der Unternehmenssteuer und die Einführung einer europaweiten Reichensteuer. Außerdem sollten weitere Steuern auf Vermögen eingeführt werden.
•  Erforderlich ist eine stärkere politische Koordination, die unter anderem Mindestlöhne (bei 60 Prozent des Medianeinkommens) und Mindeststandards bei den sozialen Sicherungssystemen umfasst.
•  Projekt-Bonds werden eingeführt, um die ökologische Transformation der europäischen Wirtschaft zu finanzieren (zum Beispiel für ein europäisches, öffentliches Eisenbahnsystem, ökologisch nachhaltige, Energie-Formen, usw.). Das würde nämlich erlauben, sozial- und ökologischverträgliche Arbeitsplätze zu schaffen.
•  Makroökonomische Indikatoren sind zu entwickeln, die ökonomische, soziale und ökologische Ungleichgewichte in beide Richtungen (sowohl Defizite, als auch Überschüsse) überwachen. Insbesondere sollen soziale Kriterien mit einbezogen. Außenhandelsungleichgewichte müssen angegangen werden.

Außerdem sollte die EZB einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden und sie sollte beauftragt werden, eine Geldpolitik zu betreiben, die soziale und ökologische Bedürfnisse berücksichtigt.

Die kommenden sechs Monate haben eine Schlüsselfunktion für den zukünftigen europäischen Integrationsprozess. Sie sind entscheidend für die Frage, ob wir es schaffen, mit dem neoliberalen Mainstream zu brechen und ihn durch eine progressive Politik zu ersetzen, oder ob wir uns über Jahre hinweg mit den Folgen einer fatalen Austeritätspolitik konfrontiert sehen.

Wir fordern die sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen auf, sich gemeinsam in ihren Heimatländern und auf der europäischen Ebene in die Debatte einzubringen sowie den Prozess der europäischen Integration in eine neue Richtung zu lenken, die soziale, politische, ökonomische und demokratische Rechte der Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt.

Anmerkung der SiG-Redaktion:
Diese Text Version entspricht dem englischen Original