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3. Februar 2011 - Luz Maria de Stefano Zuloaga de Lenkait:

Die Vorgänge in Ägypten und ihre mögliche Bedeutung für Israel sind Anlass für folgende Stellungnahme zum

Leitartikel in Süddeutsche Zeitung vom 1.2.2011:
„Israels Ängste“ von Peter Münch

Ägypten mit Recht auf eigenes Modell

Zu aller erst muss man großen Respekt und Bewunderung vor dem ägyptischen Volk bezeugen, ein Volk, das seine millenarische Zivilisation zeigt, indem es sich bei dem „Marsch der Millionen“ zivilisiert, ruhig und besonnen verhalten hat (1.2.2011). Der niederträchtige Plan der despotischen Regierung Mubarak durch angeordnete Plünderungen, ausgeführt durch Polizisten, Chaos zu verursachen, um die Demonstranten zu diskreditieren, war gescheitert und damit die kriminelle Polizei verschwunden (31.1.2011). Die Armee hat die Forderungen der Millionen Demonstranten als legitim erklärt und das Weiße Haus signalisierte, den Wunsch eines friedlichen Übergangs zur Demokratie in Ägypten. Der Mann des Wandels ist eine ausgezeichnete Persönlichkeit: Der ägyptische Friedensnobelspreisträger von 2005 und Ex-Generaldirektor der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien, Mohammed El Baradei.

Muslim oder Christ zu sein, spielt bei der Erhebung der Massen in Ägypten keine Rolle. Muslime und Christen sind vereint. Angst zu schüren, ist ein Problem des Westens, dessen Nahost-Politik seit langem eine Schande ist. In Ägypten gibt es keine Angst vor dem Wandel, sondern Hoffnung auf Freiheit und Würde. Der Westen muss aufhören, seine partikuläre Vorstellung von Freiheit und Demokratie anderen Völker aufzuzwingen. Demokratie ist lediglich der Rahmen, um freie Wahlen zu ermöglichen. Der Inhalt oder das System zu bestimmen, ist Sache der Willensbildung aller Bürger. Glaubt Europa an die Demokratie, muss es die Volksentscheidung respektieren, was immer sie sei. Ägypten hat das Recht, sein eigenes Modell zu entwickeln, wie El Baradei zutreffend sagt: „Wir versuchen eine demokratische Arena zu schaffen, bevor wir beginnen, darin zu spielen.“ El Baradei ist der Mann des Übergangs. Er hat die politische Basis in einer Allianz von Christen und Islamisten hinter sich. Mit ihr will er eine Einheitsregierung bilden. Die Unterstützung des Weißen Hauses dafür hat er. Obama hat ihn deshalb persönlich mitten in der von Mubarak angestifteten Eskalation angerufen (2.2.2011).

Dass plötzlich (2.2.2011) Mubaraks Anhänger als Demonstranten erscheinen in offener gewalttätiger Konfrontation mit der überwältigenden friedlichen Mehrheit der Anti-Mubarak-Demonstranten, ist nicht nur merkwürdig, sondern verhängnisvoll. Die offene gezielte Provokation war mit bewaffneten Polizisten in Zivil sicherlich von skrupellosen Leuten manövriert, die an dem korrupten Mubarak-Regime festhalten wollen, koste es, was es wolle. Auch die radikalen Neokonservativen aus den USA mit ihrer verhängnisvollen Connection im Nahen Osten. Also Elemente, die sich gegen Obama stellen und die von Beginn der Präsidentschaft Mubaraks an hinter ihm gestanden haben. Diese Kreise aus dem Wirkungsbereich des US- und EU-Militär-Industrie-Komplexes, und von Wall-Street und Londoner City, darunter IMF und World Bank, haben Jahrzehnte lang Ägypten mit Hilfe ihrer Marionette Mubarak geknebelt und ausgebeutet. Jetzt wird die Quittung präsentiert, allerdings der Marionette und nicht ihren Drahtziehern in den USA und der EU. Es entsteht hierzulande der Eindruck, dass die Marionette geopfert werden und verschwinden soll, damit die Drahtzieher ungeschoren davonkommen. Aber auch innenpolitisch besehen hat Mubarak kaum Chancen, einen Übergang selbst zu organisieren. Wer soll ihm und seinen Leuten nach allem, was vorgefallen ist, noch trauen?

Wie Peter Münch richtig plakativ schreibt: „Der Westen hat sich in Ägypten auf die Seite des Wandels gestellt.“ Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das den Israelis in einer gemeinsamen Erklärung mit dem französischen Präsidenten Nikolas Sarkozy und dem britischen Premier David Cameron klar gemacht. Allerdings muss sich Israel ernsthaft fragen, was es unterließ, als der separate Frieden mit Ägypten die Chance eröffnete, den Friedensprozess weiter zu treiben. Absolut zynisch ist die israelische Vorstellung, die Palästinenser trügen Schuld an der Stagnation des Friedensprozesses, weil sie nicht bereit seien, Israel anzuerkennen. Welches Israel ist anzuerkennen, bitteschön? Ein Israel, das sich entgegen aller völkerrechtsmäßigen UN-Resolutionen an die illegale Besatzung von palästinensischem Territorium klammert? Auf illegitimer Basis gibt es kein Existenzrecht für einen Staat. Auch nicht für Israel. Dieser Punkt ist relevant, um die Position der Bundesregierung gegenüber Israel endlich zu revidieren. Wir alle kennen den Stand der Dinge. Die Bundeskanzlerin kann sicherlich sehr vernünftig mit dem israelischen Premier reden, vergisst aber offensichtlich, dass sich ihr Gegenüber nicht auf die Vernunft einlässt, sondern dass seine Motive pure Macht sind, die auf reine Willkür setzt. Warum glaubt Angela Merkel etwas zu erreichen, was der US-Präsident mit seiner vernünftigen Rede nicht erreicht hat? Ohne Druck auf Israel sind Gespräche nutzlos. Dieser Druck baut sich jetzt sogar von alleine auf, wenn die Regime der arabischen Welt fallen, die den USA und ihren EU-Vasallen ergeben sind. Um zu überleben, wird Israel ohne die Leute Mubaraks an der Spitze Ägyptens ein anderes Land werden müssen, ein Israel, das das Völkerrecht respektiert und die illegale Besetzung von Palästina aufgibt.

Luz María De Stéfano Zuloaga