Menü

Offener Brief an die Umweltministerin Schulze

Sehr geehrte Frau Ministerin Schulze!

Den Nachrichten entnehmen wir, dass Sie beim Petersburger Klima-Dialog
- Arbeitsplätze
- Innovation
- Klimaschutz
als Kriterien für die nach den Corona-Einschränkungen anstehenden Konjunkturprogramme
betrachten.
Wir gehen davon aus, dass Arbeitsplätze und Innovation dabei IN DEN DIENST DES KLIMASCHUTZES gestellt werden sollen.
Angesichts der allseits lautstark fordernd auftretenden Interessensverbände wünschen wir Ihnen dabei viel Erfolg!!

Ausreichend gute Arbeitsplätze zu sichern ist ein wesentliches Ziel, um dem Auseinanderdriften unserer Gesellschaft entgegen zu wirken.
Dabei wird - gerade jetzt in der Krise - immer deutlicher, wie sehr Klimaschutz, ein menschenwürdiges Leben und eine drastische Arbeitszeitverkürzung einander bedingen:

Wenn wir die globale Erderwärmung bis zum Jahr 2100 möglichst unter der Grenze von 1,5 Grad Celsius halten wollen,
dann müssen wir den Treibgasausstoß radikal reduzieren.
Verschiedene Studien ergeben, dass kürzere Arbeitszeiten deutlich zum Klimaschutz beitragen würden. Beispielsweise kommt eine Untersuchung von Philipp Frey für das britische Autonomy-Institut „The ecological limits of working times“ zu dem Ergebnis, dass in entwickelten Ländern wie Deutschland im Durchschnitt nur noch zwischen 6 und 12 Stunden pro Woche gearbeitet werden dürfe, wenn jene ihre selbstgesetzten Klimaziele einhalten wollen.
Schon vor 35 Jahren hat der Nestor der katholischen Soziallehre, Oswald von Nell-Breuning, postuliert, dass wir bei gleichbleibendem Lebensstandard mit einer 8-Stundenwoche auskommen könnten, wenn wir auf alle Rüstungs-, Verschleiß- und Unsinnsproduktion verzichten würden.

Wenn wir all den Beschäftigten, die in den besonders schädlichen Branchen ihre Arbeit verlieren müssen
- im Kohlebergbau,
- in der fossilen Energieproduktion,
- in der Automobilindustrie ...
alternative Arbeitsplätze schaffen wollen,
dann müssen wir das verbleibende Arbeitsvolumen mittels einer drastischen Arbeitszeit-Verkürzung umverteilen.
Die gerechte Verteilung von Arbeit ist eine zentrale Bedingung des sozial-ökologischen Wandels.


Wenn wir einen ökologischen, für Mensch und Umwelt verträglichen Lebensstil pflegen wollen
- mit Recyklen, Reparieren und Teilen statt Wegwerfen und Neukaufen,
- mit ausreichend Zeit für eine gute Sorge und Pflege von Kindern, älteren Menschen, Kranken, aber auch von uns selbst,
- mit Raum für die Entfaltung unserer kreativen Fähigkeiten …,
dann brauchen wir viel mehr Zeit, als wir sie jetzt mit einer durchschnittlich
40-Stunden-Erwerbsarbeits-Woche haben.
Statt materiellem Wohlstand muss daher die neue Leitwährung für eine zukunftsfähige Welt ZEITWOHLSTAND werden !

In diesem Sinn bitten wir Sie dringend, bei den anstehenden Gesprächen den Aspekt der Arbeitszeitverkürzung als Bedingung für effektivem Klimaschutz in die Diskussion zu bringen.
Wir brauchen ein Leitbild, an dem jede staatliche Unterstützung bestehender Betriebe auszurichten ist. Konversion von Betrieben ist möglich und im gesamtgesellschaftlichen Interesse auch zumutbar.

Wir wünschen Ihnen offene Ohren in der Runde und für Klima und Mensch positive Verhandlungsergebnisse.

Mit freundlichenm Gruß
Attac-Arbeitsgruppe „ArbeitFairTeilen“
i.V. Ursula Nier