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Aktivitäten von Dortmunder Attacies mit Bezug zu Afrika

Wir verweisen auf die Zeitschriften, in denen unsere Mitglieder publizieren:

* "Africa Positve",

* "International"

und die Webseite weltsolidaritaet.blogspot.com mit vielen Artikeln zu diversen Themen und verschiedenen afrikanischen Ländern. [Achtung: Diese Website verwendet Cookies von Google für Werbung und Ausforschung, die man nicht abschalten kann!]

Artikel zu einzelnen Ländern (bisher: Äthiopien [12/22] / Senegal [2/23] / Tschad [5/22] / Tunesien [11/23]): hier

Unten folgen Artikel, die Länder übergreifend sind:


Afrika und der "Green Deal" der EU

Bauxitabbau für Aluminium von deutschen Autos. Foto: Powershift

Afrika und der „Green Deal“ der EU

Wenn wir Afrika seit einiger Zeit als unseren Nachbar- oder gar Partnerkontinent ansehen, sollten wir aus eigenem Interesse genau hinschauen, wie sich unsere Wirtschaftspolitik dort auswirkt, z.B. in Guinea. Guinea verfügt über die zweitgrößten Bauxitvorkommen weltweit. Deutschland bezieht 90% seines in Deutschland verarbeiteten Bauxits aus Guinea und hat damit eine besondere Verantwortung. Wie die NGO Powershift, die sich für eine gerechte und nachhaltige Rohstoffpolitik einsetzt, recherchiert hat, ist die deutsche Regierung dieser Verantwortung bisher allerdings nicht nachgekommen. Im Gegenteil: Obwohl es in der Umgebung der Mine in der Vergangenheit zu massiven Umweltschäden, Landraub und Menschenrechtsverletzungen gekommen war, sicherte sie 2019 einen Kredit über 250 Mio € für die Erweiterung der Mine mit einer Bürgschaft ab.

Auch nach der Erweiterung gingen die Missstände ohne Konsequenzen und gegenteiliger Versprechungen weiter. Inzwischen waren dank des Engagements von PowerShift und Fian, einer Organisation, die sich für das Recht auf Nahrung und Ernährungssouveränität einsetzt, Vertreter von BMW und Daimler-Benz vor Ort. Doch geändert hat sich nichts. Das deutsche Lieferkettengesetz ist weitgehend zahnlos, da es keine wirksamen Klagemöglichkeiten am Heimatsitz der Konzerne vorsieht. Und was das durch deutsche Querschüsse stark abgemilderte EU-Lieferkettengesetz in Zukunft an Schutz bringen wird, ist nicht absehbar.

Kein gutes Zeichen ist jedenfalls, dass die Bauxitmine trotz der durch PowerShift und Fian dokumentierten Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen inzwischen durch das private auf Umweltstandards und Menschenrechte spezialisierte Zertifizierungsunternehmen „Aluminium Stewardship Initiative“ (ASI) mit Hauptsitz in Australien bis Ende 2024 zertifiziert wurde. Offensichtlich „Greenwashing“ in Reinkultur.

Standortpolitik hat Vorrang

Eigentlich wäre hier das Handeln von Politikern gefragt, die sich Klimaschutz und Menschenrechte auf ihre Fahnen geschrieben haben. Doch offensichtlich haben Standortpolitik und der Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie Vorrang. Zwar hat sich die EU mit ihren „Green-Deal“ öffentlichkeitswirksam das Ziel gesetzt, bis 2050 eine klimaneutrale und ressourcenschonende Wirtschaft zu erreichen. Doch gleichzeitig fordert die EU-Kommission „einen offenen und unverzerrten Zugang zu internationalen Märkten, einschließlich neuer Marktzugangsmöglichkeiten und offener Handelsströme“.

Schon jetzt gehört die EU mit ihrer Industrie- und Handelspolitik zu den größten Treibhausgasemittenten weltweit. Nicht nur die Versorgung mit fossilen Energieträgern und die Exportausrichtung auf weiterverarbeitete Güter belasten Umwelt und Klima in besonderem Maße, auch der Transport von Waren und Dienstleistungen trägt übermäßig zu den CO²-Emissionen bei.

EU-Staaten subventionieren die Emission von Treibhausgasen nicht nur durch Steuervergünstigungen auf Flugbenzin, Industriestrompreise und den Dieselverbrauch, sondern auch durch ihre Handelspolitik.

Manche besonders klimaschädliche Rohstoffe wie Rohöl, Erdgas, Kohle, Eisenerz, Sojabohnen und Holzprodukte sind weitgehend zollbefreit, während für Solarfolien, Kugellager für Windräder, E-Autos und Fahrräder deutlich höhere Importzölle fällig werden. Damit wird die Lenkungswirkung des CO²-Preises von ca. 80€ pro Tonne nach Berechnungen von Fachleuten stark unterminiert.

Klagen gegen grüne Subventionen und Lokalisierungsauflagen

Um die marktbeherrschende Stellung ihrer Exportindustrie bei Klimatechnologien zu verteidigen, hat die EU keine Bedenken, Klagen unter dem GATT/WTO-System gegen grüne Subventionen und Lokalisierungsauflagen in anderen Ländern anzustrengen. Sie nimmt dabei in Kauf, dass damit die Verbreitung grüner Technologien behindert wird. Gleichzeitig planen EU und ihre Mitgliedsstaaten Unterstützungsmaßnahmen für ihre eigene lokale Industrie. So sieht der Net Zero Industry Act (NZIA) vor, dass mindestens 40% des Bedarfs an Klimatechnologien in der EU hergestellt werden.

Auch die internationalen Handelsregeln über zulässige Subventionen will die EU gemeinsam mit den USA und Japan verschärfen. Dazu soll das WTO-Abkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (ASCM) um mehrere Kategorien verbotener Beihilfen ergänzt werden. Auch wenn es in erster Linie gegen China gerichtet ist, trifft es auch alle wirtschaftlich schwächeren Länder, die mit staatlicher Unterstützung die Entwicklung von Niedrigemissionstechnologien in ihren Ländern fördern möchten. Eine Gruppe afrikanischer Länder hat sich zusammengetan, um sich gegen die Einengung ihrer Gestaltungsspielräume zu wehren. Sie fordern eine umfassende Reform, die wirtschaftlich schwächeren Ländern die nötige Flexibilität einräumt, um mit staatlichen Subventionen und Local-Content-Auflagen den Aufbau grüner Industrien und die Integration in klimafreundliche Lieferketten zu fördern.

Die EU CO² Grenzausgleichssabgabe (CBAM)

Die bisher an energieintensive Betriebe im EU-Emissionshandelssystem ausgegebenen Gratiszertifikate sollen bis 2034 auf Null abgesenkt werden. Damit sie sich trotz steigender Produktionskosten im internationalen Wettbewerb behaupten können, hat die EU die Einführung eines CO² Grenzausgleichs beschlossen, d.h. eine Importabgabe auf emissionsintensive Güter (CBAM). Der Preis für diese Abgabe verringert sich, wenn im Herkunftsland bereits ein CO²-Preis für die umweltschädliche Produktion bezahlt wurde. Auch wenn diese Maßnahme zur Verhinderung von Produktionsverlagerungen in Länder mit schwachen Umweltmaßnahmen sinnvoll ist, so trifft sie ein Land wie Zimbabwe mit seiner Eisen- und Stahlindustrie besonders hart. Das mindeste wäre, den Grenzausgleich an konkrete Hilfen zu koppeln, um finanzschwache Länder wie Zimbabwe, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, bei der Dekarbonisierung ihrer betroffenen Industrien zu unterstützen.

Die Entwaldungsverordnung

Auch die sogenannte „Entwaldungsverordnung“ bürdet die negativen Folgen für das gute Gewissen der EU-Länder den Herkunftsländern auf. So müssen ab 2025 alle EU-Importeure von landwirtschaftlichen Rohstoffen oder einigen weiterverarbeiteten Produkten nachweisen, dass diese nicht von zuvor entwaldeten Flächen stammen oder mit Waldschädigungen zusammenhängen. Der genaue Ursprung der Produkte muss sich mithilfe von Geolokalisierung zurückverfolgen lassen. Betroffen sind vor allem Kleinbauern und -bäuerinnen wie in Ghana und der Elfenbeinküste, die sich die notwendigen Verfahren und Herkunftsnachweise für den von ihnen angebauten Kakao weder personal noch finanziell leisten können. Der Umwelt ist in der Regel auch nicht geholfen, da sie entweder auf schwächer regulierte Märkte ausweichen oder in ihrer Not anderen Tätigkeiten nachgehen, die ebenfalls zu Entwaldung führen.

Fazit:

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob sich die Menschheit auf Dauer eine Weltwirtschaft leisten kann, die einseitig auf die Konsumgewohnheiten des globalen Nordens und die von seinen Konzernen beherrschten Märkte ausgerichtet ist. So könnte es z.B. sinnvoller sein, auf den fruchtbaren Böden Afrikas Nahrungsmittel für den Eigenverbrauch anzubauen, statt mit dem Export von Kakao oder Blumen an europäische Unternehmen Devisen zum Import von Nahrungsmitteln zu erwirtschaften. Zumal von diesem Geschäftsmodell vor allem transnationale Konzerne profitieren. Eine regionale und nationale Nahrungsmittelproduktion wäre dagegen nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch im Interesse der afrikanischen Wirtschaft. Das gleiche betrifft auch den Aufbau einer eigenen industriellen Fertigung. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die afrikanischen Länder auf die Dauer mit ihrer Rolle als Zulieferer für die europäische Wirtschaft und Abnehmer der von ihr produzierten Güter zufrieden geben werden. Alle diejenigen, die sich bei uns für eine bessere Welt einsetzen, sollten sie dabei unterstützen.

                                                                                                                                              Anne Schulze-Allen, April 2024

Quellen:

power-shift.de/landraub-fuer-deutsche-autos/

https://power-shift.de/klimacheck-handelspolitik/

https://power-shift.de/pressemitteilung-guinea-zertifizierung-von-bauxit-mine-trotz-menschenrechtsverletzungen-und-umweltzerstoerung/


Fonds für Klimaschäden – Wer zahlt?

Hyacinthe Niyiteka ist studierte Hydrologin und koordiniert die von ihr mit gegründete Nord-Süd-Organisation "Loss and Damage Collaboration". Sie lebt in Ruanda.

„Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!“ Dieser angebliche Satz von Marie-Antoinette ging in die Geschichte ein als Beispiel für die Abgehobenheit der damals herrschenden Klasse gegenüber der Not der Bevölkerung. Die Geschichte endete bekanntlich mit der französischen Revolution und das Königspaar Marie-Antoinette und Ludwig, der XVI., bezahlte seine fehlende politsche Weitsicht mit dem Leben.

Immer größere Kluft zwischen arm und reich

Was die Kluft zwischen arm und reich betrifft, so gibt es heute durchaus Paralellen zur damaligen Zeit. Seit 25 Jahren nehmen laut einer Studie der Entwicklungsorganisation OXFAM extreme Armut und extremer Reichtum gleichzeitig zu. Etwa jeder 10. Mensch auf der Erde hungert, während nach Schätzungen der globale Umsatz an Luxusgütern bis zum Ende des Jahrzehnts um 50% auf dann 550 Milliarden Euro ansteigen dürfte. Allein das Vermögen des reichsten Menschen der Welt, Bernhard Arnault, Chef des Luxuskonzerns LVMH, wird vom Magazin Forbes auf fast 240 Mrd. Dollar geschätzt.

Hinzu kommen die Folgen der Klimakrise.

Die ärmsten Länder der Welt, die am wenigestens zur Klimakrise beigetragen haben, sind von Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen, Stürmen und Dürren besonders betroffen. Und sie haben die wenigsten finanziellen Mittel, um ihre Strukturen an den Klimawandel anzupassen oder die erwartbaren Schäden annähernd auszugleichen.

Loss-and Damage-Fonds beschlossen

Seit langem fordern die am schlimmsten betroffenen Regionen einen internationalen Fonds für Klimaschäden, den sog. „Loss- and Damage-Fonds“. Auf der Weltklimakonferenz COP 27 in Scharm-El-Scheich, Ägypten, wurde dieser nun endlich beschlossen, um den Gemeinden mit den größten Verlusten und Schäden schnell und effektiv die nötigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Zur Ausgestaltung des Fonds wurde ein Übergangskomitee, das sog. „Transition Committee“ gegründet. Dieses soll bis zur COP 28 in Dubai Empfehlungen zur Ausgestaltung der institutionellen Regelungen erarbeiten und Vorschläge für Finanzierungsregelungen und -quellen unterbreiten.

Verursacherprinzip müsste gelten

Wenn es nach dem sonst viel bemühten Verursacherprinzip ginge, müsste eigentlich klar sein, wer für die Finanzierung dieses Fonds zuständig wäre. Die kapitalistischen Länder des Nordens, die mit der Kolonialisierung und Ausbeutung der Rohstoffe des globalen Südens ihre Volkswirtschaften industrialisiert und die Basis für ihren Wohlstand geschaffen haben. Doch eine Haftung für die in die Entwicklungsländer ausgelagerten negativen Folgen des damit verbundenen Klimawandels weisen sie von sich.

Schon 2009 hatten die Industrieländer versprochen, ab 2020 jedes Jahr 100 Mrd US-Dollar an Klimafinanzierung zur Abmilderung der negativen Folgen im globalen Süden bereit zu stellen. Inzwischen stellte sich jedoch heraus, dass Deutschland ebenso wie die gesamte EU ca. die Hälfte seiner Klimahilfe nur als Kredit vergibt und das auch noch zu marktüblichen Zinsen, wie Sabine Minninger von „Brot für die Welt“ beklagt.

Zuschüsse statt Kredite

Hyacinthe Niyitegeka aus Ruanda, Hydrologin und Koordinatorin der Nord-Süd-Organisation „Loss and Damage Collaboration“, fordert von den reichen Ländern Zuschüsse statt Kredite. Nur so können vom Klimawandel verursachte Schäden und Verluste ausgeglichen und notwendige staatliche Infrastrukturen zur Schadensbegrenzung aufgebaut werden, ohne arme Länder noch stärker in die Schuldenfalle und weitere Verelendung zu treiben.                                                                                                                  

Unterstützung kommt aus Großbritannien

Unterstützung erfährt sie aus Großbritannien. Dort fordert die Wohlfahrtsorganisation „Christian Aid“, dass sich alle Bürger mit einem Vermögen über 1 Million Pfund über eine Steuer von 5 Cent pro 10 Pfund an dem zukünftigen „Loss and Damage-Fonds“ beteiligen sollen. .„Christian Aid“ geht davon aus, dass die von ihr angedachte Vermögenssteuer vor allem die reichsten fünf Prozent und insbesondere das reichste eine Prozent der Bevölkerung treffen würde. Und diese Schicht trage ja auch durch ihren Konsum und ihre Investitionen in besonderem Maße zur menschengemachten Klimaerwärmung bei.

Nachahmer gesucht

Das alles ist offensichtlich nur ein erster zaghafter Ansatz, um die Kosten der globalen Klimakrise von denen bezahlen zu lassen, die sie mit ihrer Ignoranz und Gleichgültigkeit vorantreiben. Nachahmer in anderen Ländern haben sich bisher nicht gefunden. Doch die Zeit drängt und die Kosten steigen. Wie sagte einst ein damals hoch angesehener Politiker: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ 

                                                                                                                        Anne Schulze-Allen, Attac Dortmund; September 2023

Quellen: www.klimareporter.de/klimakonferenzen/wer-bezahlt-die-klimakatastrophe

Wealth tax of 0.5% could cover UK’s share of loss and damage fund, says charity

www.genios.de/presse-archiv/artikel/ZEIT/20230517/der-bling-bling-boom/970560659617B525906FFD10430798DB.html


„Global Gateway“ - Freie Fahrt fürs Kapital!

Eine Analyse von Anne Schulze-Allen, Attac Dortmund (AFRICA POSITIVE Nr. 89 / 2023)

Der Wettlauf um Afrika geht in eine neue Runde. Diesmal findet er nicht zwischen europäischen Kolonialmächten, sondern zwischen der EU und China statt. Um der chinesischen Seidenstraße etwas entgegenzusetzen, hat die EU das „Global Gateway“ (Tor zur Welt) ins Leben gerufen. Mit dieser neuen Vorzeigestrategie sollen über die Mobilisierung von 300 Mrd. € (davon 150 Mrd. € in Afrika) Infrastrukturprojekte in der ganzen Welt gefördert und Knotenpunkte vernetzt werden. Offizelles Ziel ist die Erreichung der 16 UN-Nachhaltigkeitsziele zur globalen Beseitigung von Hunger, Armut und Perspektivlosigkeit bei gleichzeitiger Bewahrung des Planeten vor Überhitzung, Ressourcenverschwendung und Umweltzerstörung.

Dabei geht es auch um den Wettbewerb zweier unterschiedlicher Systeme. Während bei der chinesischen Seidenstraße der Staat über die von ihm beherrschten Banken „ China State Bank“ und „China Exim Bank“ Unternehmen der Privatwirtschaft für seine politischen Entwicklungsziele instrumentalisiert, hat die EU-Kommission das Problem, dass sie ihre politischen Ziele mit privatwirtschaftlichen Interessen in Übereinstimmung bringen muss.

Staatliche Entwicklungsbanken sichern privates Kapital ab

Als Steuerungsinstrument dienen staatliche Entwicklungsbanken wie die Europäische Investment Bank (EIB), Europäische Entwicklungsbanken (European Development Finance Institutions, DFI) und demnächst eventuell eine Exportkreditagentur (Export Credit Agency, ECA). Mit ihrer Hilfe sollen die gewaltigen Mengen an privatem Kapital, die man über verschiedene Hebel mobilisieren möchte, gegen Risiken abgesichert werden. Die dabei verwendeten Modelle bergen allerdings die Gefahr, dass die Gewinne des Privatsektors über das öffentliche Interesse an effektiven und für jeden zugänglichen staatlichen Leistungen gestellt werden.

Ein typisches Beispiel für eine Partnerschaft von öffentlichen und privaten Partnern zu Lasten von Steuerzahlern und Verbrauchern ist das Public-Private-Partnership (PPP) Projekt des „Lake Turkana Wind Power“(LTWP) Windparks im Marsabit Distrikt in Kenia. Der als angeblich kostengünstigste Variante entwickelte Energieversorgungsplan verursachte am Ende vor allem durch seine einseitige Risikoübertragung auf das heimische Energieversorgungsunternehmen erhebliche Mehrkosten für die kenianischen Steuerzahler und Verbraucher.

Auch die zivilgesellschaftliche Organisation Eurodad, die sich mit der Staatsverschuldung von Entwicklungsländern befasst, kritisiert, dass die EU bei ihrem Entwicklungsmodell vor allem auf die Einbeziehung des Privatsektors und die Priorität privater Finanzierung setzt und damit die finanzielle Abhängigkeit afrikanischer Länder von internationalen Märkten vertieft.

Kreditaufnahme bei privaten Gläubigern kommt Länder teuer zu stehen

Gerade jetzt kommt die verstärkte Kreditaufnahme bei privaten Gläubigern diese Länder teuer zu stehen. Wegen des vermeintlich erhöhten Ausfallrisikos ihrer Kredite und Anleihen waren sie gezwungen, ihren privaten Gläubigern besonders hohe Zinsen einzuräumen. Seit in vielen afrikanischen Staaten durch die wirtschaftlichen Schocks infolge von Corona und Ukraine-Krieg die Wirtschaft eingebrochen ist und die Schulden dramatisch gestiegen sind, weigern sich vor allem private Geldgeber, auf einen Teil ihrer Gewinne zu verzichten und ihren Schuldnern entgegenzukommen. Während China es sich offensichtlich erlauben kann, vielen Ländern Afrikas Schuldenerleichterungen zu gewähren, kann der Westen die privaten Finanziers von Investitionen nicht zu Verhandlungen zwingen. Organisationen wie Erlassjahr, die sich für Schuldenerlasse einsetzen, fordern deshalb nationale Gesetze gegen private Gläubiger, die mit einer agressiven Klage- und Vollstreckungspraxis gegen verschuldete Staaten vorgehen oder wie die „Geierfonds“ mit aufgekauften nicht bedienten Schuldverträgen zu Lasten finanzschwacher Staaten riesige Gewinne machen.

Letztlich geht es beim „Global Gateway“ um strategische geopolitische Ziele der EU. Mit ihrer Initiative möchte die EU-Kommission die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten der EU-Industrie stärken und neue Handelsmöglichkeiten für ihre Wirtschaft erschließen, in der etwa 38 Millionen Arbeitsplätze vom internationalen Handel abhängig sind. Es geht um den kostengünstigsten Zugang zu den Rohstoffen und fruchtbaren Agrarflächen Afrikas. Für einen ungehinderten Fluss von Waren, Dienstleistungen und Kapital sollen zwischen den Ländern Freihandelszonen ohne Zölle und Grenzkontrollen und Sonderwirtschaftszonen mit abgesenktem Arbeits- und Umweltschutz geschaffen werden. Offensichtlich ist die „Schaffung des geeigneten Ökosystems für Investitionen“ nicht vereinbar mit der „Einhaltung von höchsten Umwelt- und Sozialstandards“ wie von Kommissionspräsidentin von der Leyen bei der Vorstellung des „Global Gateways“ verkündet.

Afrikagruppe fordert gerechtes Steuersystem

Schon seit 2019 fordert die Afrikagruppe bei den Vereinten Nationen ein gerechtes Steuersystem. Während China die Forderung nach einer UN-Steuerkonvention uneingeschränkt unterstützt, tun sich die in der OECD versammelten reichen Staaten, allen voran die USA schwer, auf ihre bisherigen Vorrechte bei der Steuergestaltung zu verzichten. Statt Entwicklungsländern ihren gerechten Anteil an der weltweiten Wertschöpfung zuzugestehen, damit sie Straßen, Schulen und Krankenhäuser bauen können, soll vorrangig privates Kapital die notwendige Infrastruktur finanzieren. Nach der Logik des „Global Gateway“ können die anvisierten privaten Infrastrukturinvestitionen jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn in den Empfängerländern ein Markt für sie geschaffen wird. Bürgerinnen und Bürger werden in Kunden verwandelt, die für die angebotene Leistung bezahlen sollen, egal ob es sich um Straßen, Brücken oder so grundlegende öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung handelt.

Nicht zuletzt geht es um die Frage, in wessen Interesse und zu wessen Nutzen die neue Infrastrukturinitiative geplant wird. Bisher findet die Planung unterhalb des öffentlichen Radars sowohl in den Geber- als auch in den Empfängerländern statt. Es fehlt die Vision einer Entwicklung, die auf das menschliche Wohlergehen und nicht auf die Schaffung von Märkten zur Bedürfnisbefriedigung abzielt. Wenn die EU das Vertrauen vieler enttäuschter afrikanischer Bürger in die Überlegenheit der europäischen demokratischen Werte zurückgewinnen will, muss sie ihnen echte Partnerschaft bei der Gestaltung ihrer Länder anbieten. Vor allem sollte sie nicht zulassen, dass mit dem „Global Gateway“ eine neoliberale und neokoloniale Entwicklung fortgeschrieben wird.

Quelle: https://counter-balance.org/uploads/files/EU-global-gateway-report-FINAL.pdf

https://www.eurodad.org/the_6th_eu_africa_summit_plenty_of_rhetoric_very_little_substance

https://erlassjahr.de/news/geier-zum-fruehstueck/



Hunger in Afrika - Von Wetten und Werten


Westafrika am Gängelband währungspolitischer Abhängigkeit


Neoliberale Globalisierung: Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln?

Attac Dortmund beteiligte sich intensiv am Projekt "Weltgarten", das vom 26. Juni bis Ende September im Westfalenpark 2021 stattfand, u.a. mit einer sogenannten "Lernstation" zum Thema Globale Gerechtigkeit.  Unter dem Titel "Neoliberale Globalisierung - Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln?" geht es um die Frage, warum afrikanische Länder bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele nicht vorankommen. Anhand der Lage der Kakaobäuerinnen und -bauern in Cote d'Ivoire (Elfenbeinküste) soll aufgezeigt werden, warum sich in den Wirtschaftsbeziehungen strukturell wenig zu Gunsten der Bevölkerungsmehrheit geändert hat.

Die Präsentation finden sie hier.

Anne Schulze-Allen,  Attac Dortmund

 


Compact with Africa – wer hilft wem?

https://www.compactwithafrica.org/content/compactwithafrica/home.html

Der Westen ist mal wieder auf Missionsreise in Afrika unterwegs. Diesmal nicht mit dem Gebet-, sondern mit dem Scheckbuch. Er hat nämlich viel überschüssiges Kapital anzubiet­en. Kapital, das in der eigenen Weltregion nicht mehr gewinnbringend angelegt werden kann. Da kommen Staaten mit wenig eigenem Haushaltsgeld, die dringend finan­zielle Unterstützung für den Aufbau ihrer Infrastruktur und die Entwick-lung ihrer Wirt­schaft benötigen, gerade recht. Bisher hatten sie wenig Möglichkeiten, regelmäßige Ein-nahmen mit ihrem Rohstoffreichtum und ihrem fruchtbaren Land zu generieren. Durch die von Weltbank und Internationalem Weltwährungsfonds (IWF) erzwungenen Struktur­anpassungsmaßnahmen in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden sie zwar zur Erzielung von Devisen auf den Export von Wirtschaftsgütern getrimmt. Aller­dings war ihr Platz immer am untersten Ende der Wertschöpfungskette, während die in ihrem Hoheitsgebiet erzielten Gewinne in die Taschen der multinationalen Konzerne flossen. Und die haben bekanntlich ihren Hauptsitz im „reichen“ Westen.

Inzwischen gibt es zwar Bestrebungen, den Steuervermeidungsstrategien von großen multinationalen Konzernen einen Riegel vorzuschieben. Doch leider sind die bevölke­rungs- und rohstoffreichen Länder, die sich vor allem im globalen Süden befinden, davon im wesentlichen ausgenommen.

Hilfe soll von anderer Seite kommen. Vielversprechend verkündet Finanzminister Olaf Scholz auf der Webseite von „Compact with Africa“: „A prospering Africa is essential to achieve the goal of worldwide sustainable growth and stability“ (Ein blühendes Afrika ist unabdingbar, um das Ziel eines weltweiten nachhaltigen Wachstums und Stabilität zu er­reichen).

Es werden wieder blühene Landschaften versprochen

Es werden also wieder blühende Landschaften versprochen, diesmal in Afrika. Dabei will man zwei Fliegen mit einer Kappe schlagen. Die obersten Finanzhüter haben inzwischen erkannt, dass das viele überschüssige Kapital das globale Finanzsystem durch übermäßi­ge Spekulation und unregulierte Schattenbanken destabilisieren kann. Der Crash 2007/2008 war in dieser Beziehung eine Warnung. Doch statt das Bankensystem insge­samt inklusive seiner im Dunkeln agierenden Schattenbanken zu regulieren, sollen neue Märkte für das globale Überschusskapital erschlossen werden.

Dazu müssen Wirtschaft und Finanzmärkte in den angepeilten afrikanischen Ländern erst einmal entwickelt werden. Basis sind Investitionen in die soziale und materielle In­frastruktur. Das dafür erforderliche Kapital stellen die auf ihren Finanzpolstern sitzen­den ausländischen Investoren liebend gerne zur Verfügung. Allerdings wollen sie die da­mit verbundenen Risiken nicht mit übernehmen. Da ist es hilfreich, dass im Rahmen des „Compact with Africa“ geplant ist, die Entwicklungshilfe von Zuschüssen oder zinsgünsti­gen Krediten auf Garantien umzustellen.

Garantien von staatlichen Entwicklungsbanken sollen zukünftig die Risiken privater Inve­storen absichern und dadurch mit geringerem Einsatz öffentlicher Gelder vermehrt pri­vates Kapital anlocken.

Investionen müssen für private Kapitalgeber attraktiv sein

Um Investitionen in afrikanischen Ländern für private Kapitalgeber attraktiv zu machen, sollen dort Steuern gesenkt, die öffentliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistun­gen dereguliert und der freie Kapitalverkehr gesichert werden. Ziel ist die Weiterent­wicklung von Infrastrukturprojekten zu vermarkt-baren Produkten. Durch entsprechend­e Gestaltung können Projekte auch für institutionelle Anleger, wie Pensions- und andere Fonds sowie Banken und Versicherungen interessant gemacht werden.

Entscheidend für die Vermarktbarkeit sind regelmäßige und kostendeckende Einnahmen durch die deutliche Anhebung der Nutzungsgebühren. Verträge mit langen Laufzeiten und garantierten Ein-nahmen, sogenannte Public-Private-Partnership (PPP)-Verträge, lie­gen als Vorlage vorformuliert bereit, da die afrikanische Seite „nicht über ausreichende juristische und kaufmännische Fähigkeiten“ verfüge.

Wie die Nutzer die „kostendeckenden“ Gebühren bezahlen sollen, ist nicht Thema des Vertrages. Die Mehrzahl der im informellen Sektor von der Hand in den Mund lebenden Menschen dürfte ohnehin nicht die adressierte Zielgruppe sein. Eher die urbane Mittel­schicht, die zum Entstehen eines afrikanischen Finanzmarktes durch privaten Vermö­gensaufbau und private Alterssicherung nach westlichem Vorbild beitragen soll.

Statt der Wirtschaft werden eher die Schulden prosperieren

Es ist fraglich, ob der neue Kooperationsansatz anders als die bisherige Entwicklungshil­fe die Wirtschaft in afrikanischen Staaten zum „Blühen“ bringen wird. Eher ist zu erwar­ten, dass ihre Schulden prosperie-ren und sie weniger Mittel für den Aufbau ihrer lokalen Wirtschaft zur Verfügung haben werden. Auch dass die verstärkte Einbindung afrikani­scher Staaten in die globalen Finanzmärkte dazu beitragen wird, „weltweites nachhalti­ges Wachstum und Stabilität“ zu erreichen, kann bezweifelt werden. Ein Finanz-system, das sich durch Erfindung „innovativer“ Produkte immer weiter von der Realwirtschaft entfernt, wird auch durch die Ausweitung seiner Aktionsfelder nicht stabiler. Im Gegen­teil: die Zahl seiner Opfer steigt.

Spätestens bei der nächsten Finanzkrise werden afrikanische Staaten erkennen, dass sie zwar als Helfer willkommen sind, aber auf der Prioritätenliste immer noch ganz unten stehen.

Anne Schulze-Allen, Attac Dortmund

Quelle: Frauke Banse: Compact with Africa – der deutsche Beitrag zur Investitionsliberalisierung und Finanzialisierung in Afrika