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Rezension: Einwohnerversammlung zum Thema Asyl

Der Einlass hatte Hochsicherheits-Charme: Security und Polizei, Einlasskontrollen mit Personen- und Taschenkontrolle und Taschenabgabe im Foyer. Reingelassen wurde nur, wer einen gültigen Chemnitzer Ausweis vorlegen konnte.

Das Podium sollte sowohl Kommunal-, Land- und Bundpolitiker vereinen. Den Herrn Kohlmann von ProChemnitz hatten sie nicht mit eingeladen, da dessen Partei nur kommunal aktiv sei - er hat sich dann sein Podiumplatz vorm Verwaltungsgericht erstritten... sehr zur Märtyrerbildung bei dem anwesenden Publikum geeignet.

Neben der OB waren 2 x Die Linke, 2 x SPD, 2 x CDU, Herr Lehmann von den Grünen, ein Typ von der AFD und der Kohlmann anwesend. Das Podium hat zuerst einige vorab schriftlich eingereichte Fragen beantwortet und ist danach zur Live-Beantwortung von Publikumsfragen über gegangen. Dabei war ständiger Tumult im Saal - dazu gleich mehr. Neben dem eigentlichen Podium war noch der Integrationsbeauftragte der Landesdirektion, eine höhergestellte Polizeirätin und ein Amtsarzt anwesend. Alle drei haben keine sonderlich gute Figur gemacht: Die Polizeirätin schwadronierte von steigenden Zahlen bei Eigentums- und Gewaltdelikten ohne diese in ein Verhältnis zu stellen, der Integrationsbeauftragte stellte fest, dass die Integration eine große Aufgabe sei und er keine Ahnung habe, wie er diese bewältigen sollte und der Amtsarzt sagte aus, dass durch die umfangreichen Erstuntersuchungen Seuchen von den Chemnitzern ferngehalten werden konnten.

Die OB hat sich ganz gut geschlagen, ha auf Ihre demokratische Legitimation und auf die Einhaltung der Rechtslage gepocht. Dezidiert Pro-Asyl hat sie sich nicht geäußert. Hier waren unsere beiden Linkspolitiker sehr deutlich und haben sich dafür ordentlich Gebrüll und Stinkefinger eingefangen. Auf den Vergleich der jetzigen Situation mit dem Weggang vieler Ostdeutscher gen Westen ab 1990 reagierte das Publikum empört. Der Vergleich von Deutschen, die in ihrem eigenen Land umziehen mit einfallenden Ausländern schien unerhört. (Kohlmann forderte Leutert zur Rücknahme auf) Dass der Vergleich nur der Feststellung dienen sollte, dass Menschen auch ohne akuten Hunger zu Wirtschaftsflüchtlingen werden, ist keinem aufgefallen.

Sehr gut gefallen hat mir noch der Tom Lehmann, da er der einzige war der den Mumm in den Knochen hatte eine deutliche Meinung PRO Einwanderung, PRO Nachzug, PRO Kulturbereicherung und PRO Geldausgabe zu vertreten. Außerdem hat der dem neben ihm sitzenden Kohlmann deutliche Antipathie gezeigt. Er wurde auch gefragt, ob denn die besorgten Bürger Nazis seien. Seine Antwort: Wer sich besorgt äußert und seine Meinung zum Gespräch äußert ist natürlich kein Nazi. Zum Nazi wird man erst wenn man Leute Repressalien aussetzt, die eine andere Meinung vertreten. Das ist - freundlich gesagt - kontrovers aufgenommen worden, hat jedoch dazu geführt, dass alle Redner begannen: "Ich bin ganz gewiss kein Nazi, aber..."

Dieser Mensch Kohlmann ist entweder ziemlich dumm oder Populist durch und durch: völlig Kontextlos: "wir dürfen die Afrikaner nicht mehr in unser Land lassen, sonst bluten deren Wirtschaften völlig aus - die brauchen doch die jungen Arbeitskräfte" oder: "ich habe wahnsinnigen Respekt vor den jungen Syrern, die sich bewaffnen und ihr Land verteidigen und nicht für die, die feige ihr Land verlassen" oder: "die Waffenlieferungen von Deutschland haben fast gar nichts mit den Krisen zu tun..."

Dann kamen die typischen Themen:

- nicht bezahlbar

- die nehmen uns noch unser letztes bisschen Hartz 4 weg,

- zu gewalttätig

- ständig überall Vergewaltigungen

und

- die Zerstören unsere Kultur.

Hier hat Leutert mal für kurzes räusperndes Schweigen im Saal gesorgt indem er feststellte, dass die nun ausgebuhte Linke als einzige Partei für eine Erhöhung von Hartz 4 gekämpft hat und das er das Ausspielen der schwächsten Schichten ziemlich ekelhaft fände.

Das anwesende Publikum teile ich mal grob in 4 Teile:

Die Ängstlichen: richtig verängstigte Frauen und Männern aller Altersschichten, die unter Tränen von der Angst um Ihre Kinder berichteten. Das nehme ich denen voll ab - und finde das ziemlich traurig.

Die Aggressiven: das war der johlende, schreiende grundsätzlich lautstarke Teil des Publikums. Ich schätze, dass die wohl 1/4 der 1200 Personen ausgemacht haben. Die Schätzung ist aber schwierig, da die eben der auffällige Teil waren. Die haben sich zu allem lautstark geäußert - mit klarer Anti-Flüchtlings-Tendenz. Raus mit dem Pack, Einwanderungsstopp (wir haben gerade mal lächerliche 2000 Flüchtende aufgenommen) und völlig ohne Empathie.

Die ruhigen Mitläufer: die haben sich alles angehört und heimlich mit geklatscht, wenns gerade noch opportun war. Ansonsten haben die sich ruhig verhalten

Die Positiven: Leute ohne Angst vor Flüchtenden, mit Emphatie für deren Leid und mit Engagement bzgl. Integration. Hierbei kann ich die Anzahl nicht schätzen, weil die absolut unauffällig waren. Ich habe nur einige bekannte Gesichter dieser Klientel gesehen.

Das war für mich das eindruckvollste: dass die Mitte schweigend da sitzt und sich vom rechten Rand nieder schreien lässt. Das sollten wir nicht hinnehmen, da mir das irgendwie bekannt vorkommt. Irgendwann sind diese Truppenteile wieder so dicke, dass die Mehrheit aus Angst vor Repressalien schweigt - dann haben wir es wieder geschafft.

Ich wollte in einem Gesprächsbeitrag erzählen, dass ich um meine Kinder keine Angst habe, weil ich - oh Zauber - mit Flüchtlingen geredet habe und einige sogar ein wenig kennenlernen durfte. Deshalb hätte ich der OB eine solche Veranstaltung - aber mit berichtenden Flüchtlingen auf dem Podium empfohlen. Meine Hoffnung ist die Erzeugung von Emphatie - zumindest bei 3 der 4 Personengruppen. Leider stand ich zu weit hinten in der Schlange, sodass ich dies per Mail nachholen muss.