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18. Dezember 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Der US-Sonderbotschafter für den Nahen Osten George Michell ist nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Israel unverrichteter Dinge nach Washington zurückgekehrt, Anlass zu folgender Stellungnahme zum

Kommentar in Süddeutsche Zeitung (SZ):
„Vermittler des kleinsten Nenners“ von pm

14.12.2010 - SZ-Kolumne:
"Sie schaffen nur Probleme" von Peter Münch

14.12.2010 SZ-Artikel:
„Plan B für den Nahen Osten“ von Peter Münch 

Nahost: Völkerrecht durchsetzen

Sowohl die USA als auch die EU haben im Nahost-Konflikt tatsächlich versagt. Beide haben vernachlässigt, den harten Druck auf Israel einzusetzen, um die israelische Regierung auf den Boden des Völkerrechts zu bringen. Hinsichtlich der damit zusammenhängenden Fehlentscheidungen weiter über Vermittlung oder Vermittler zu reden ist deplatziert. Eine Regelung des Konflikts verlangt keine Vermittlung, sondern die Bereitschaft, das Völkerrecht durchzusetzen und zu respektieren. Solange sich Israel dem verweigert und beharrlich weiter gegen das internationale Recht handelt, ist die internationale Gemeinschaft verpflichtet, Mahnungen mit Druckmitteln oder Sanktionen an Israel zu richten, wie es die rechtliche Normalität gegenüber jedem Rechtsbrecher erfordert.

Die israelische Regierung hat die Freiheit, wie jede Person auch, sich an das Recht zu halten oder als Bandit zu agieren. Will sie weiterhin Bandit sein, muss sie aber die vollen Konsequenzen für ihre illegale Haltung tragen, nämlich Sanktionen und Isolierung wie jeder Rechtsbrecher.

Darum geht es.

Vermittlungen vertuschen das reale Problem Israels und führen zu nichts, weil es keine legale Basis dazu gibt.

Schon die wiederholten Vermittlungen vom amerikanischen Sonderbotschaften George Mitchell haben gezeigt, dass durch Vermittlung nichts zu erreichen ist. Die EU war schon näher daran, eine wirksame Politik gegenüber Israel zu betreiben, als der belgische Außenminister Louis Michel einen realistischen Vorschlag darüber machte. Leider hat es Deutschland verhindert, dass eine einheitliche EU-Linie zustande kam (13.1., 27.1. und 9.7.2009).

Die ganze Geschichte mit dem Moratorium geht am Nahost-Problem vorbei.Den Palästinensern bringt ein Baustopp von drei Monaten oder länger gar nichts. Schon 1994 war das Ergebnis der Verhandlungen mit Israel gleich Null. Alle Welt hat doch gesehen, wie die Annexion des Landes durch den Siedlungsbau weiterging. Anfang Juni 2009 hielt der US-Präsident Obama eine Rede an der Universität Kairo, in der er einen „Neubeginn“ im Verhältnis zu den Muslimen ankündigte und eine völkerrechtliche Lösung des Nahost-Konflikt versprach. Taten hätten seinen Worten folgen und sie bestätigen sollen. Aber was wirklich geschah, hat man gesehen.

Es ist doch eine Tatsache, dass Vermittlungen auf völkerrechtswidriger Basis nichts bringen.

Eine entschiedene Haltung gegen die Staatsführung Israels ist angebracht, um einen gerechten Weg zum Friedensprozess zu öffnen. Für die gerechte Sache der Palästinenser ist Partei zu ergreifen, wie die britische Tageszeitung „The Guardian“ aufklärerisch argumentierte (April oder Mai 2009). Andere Alternativen gibt es nicht.

Recht und Unrecht sind nicht gleichzusetzen.

Die Öffentlichkeit steht längst vor Massenmord und Untaten an den Palästinensern, vor einkalkulierter Manipulation und mieser Täuschung, um die illegitime Okkupation eines Territoriums weiter aufrecht zu erhalten. Zu ihrem illegalen Zweck spielen die Regierung Tel-Aviv und ihre Lobbys mit gezinkten Karten.

Die israelische Falken-Regierung lügt und täuscht, hintergeht skrupellos ihre eigenen Landsleute und Nachbarstaaten, um ihre Raubpolitik, ihre Expansion und militärische Vernichtung zügellos weiter voranzutreiben. Sind Mitglieder einer solchen Regierung als „Verhandlungspartner“ von der EU und nach europäischen Maßstab einzustufen?

Gegen eine mörderische Staatsführung aufzutreten, ist das Gebot der Stunde für alle zivilisierten Menschen und Völker der Welt, die Gerechtigkeit und Frieden wertschätzen. Gewissenhafte selbstsichere Journalisten wie Peter Münch müssen sich danach richten, um jede zionistische Propaganda schlagfertig zu erwidern. Außenminister Guido Westerwelle sollte an die pragmatische und völkerrechtmäßige Nahost-Politik seines ehemaligen Kollegen Walter Scheel anknüpfen, um die EU im richtigen Gang zu setzen.

Die Position vom deutschen Außenminister Walter Scheel (1969-1974) gewinnt heute besonders an Aktualität.

Bei seinem Besuch in Israel rechtfertigte der deutsche Außenminister Scheel das von den Außenministern der Europäischen Gemeinschaft (EG) im Mai 1971 verabschiedete Nahost-Papier der EPZ (Europäische Politische Zusammenarbeit), in dem Israel unter anderem aufgefordert wurde, alle 1967 eroberten Gebiete zu räumen. Zusätzliche Verstimmung verursachte in Israel Bonns Rolle bei der Verabschiedung der aus israelischer Sicht unerfreulichen Erklärung der EG-Außenminister vom 6.11.1973. Trotzdem sprach sich Bonn im November 1974 in der UNO-Vollversammlung als erster EG-Staat für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser aus.

Der US-Präsident Obama wollte die US-Außenpolitik von der israelischen Lobby endgültig befreien. Es ist zu bedauern, dass er damit bisher kein Erfolg hatte. Die Außenministerin Hillary Clinton bleibt Ziel für zionistische Einflussnahme, die in der Zeit ihres Mannes als US-Präsident besonders stark war und seitdem andauert. Die Clinton Administration konnte deshalb im Nahost-Konflikt nicht vorankommen. Sich dessen bewusst handelt Hillary allerdings entschlossen und hart gegenüber den Falken in Tel-Aviv. Professionell ordnete die amerikanische Außenministerin die Einbestellung des israelischen Botschafters im Juli 2009 an, um seine inakzeptable Verweigerungshaltung anzumahnen. Die Bundesregierung blieb dagegen untätig und den zionistischen Falken ergeben.

Die SPD-Grüne Regierung zeigte sich als totale Null in Bezug auf eine wirksame Nahost-Politik. Nicht viel anders ihre Nachfolger: Die CDU-SPD-Regierung stand einer richtigen Friedenspolitik der EU in Nahost im Wege, indem sie gerechte Schritte torpedierte oder verhinderte. Zweimal ist es beschämend geschehen: Listig Hand in Hand mit der israelischen Regierung behinderte Berlin in Brüssel am 27.1.2009 die von Obama schon angestoßene Dynamik im Nahen Osten. Frankreich hatte zu Recht den israelischen Botschafter einbestellt, weil die israelische Armee zeitgleich zu Frankreichs EU-Nahost-Initiative Fahrzeuge von französischen und anderen EU-Diplomaten am Grenzübergang zu Gaza willkürlich festgehalten hatte.

In der Tat hatte Paris ein gut konzipiertes Abschlussdokument der EU-Außenminister in Brüssel am 27.1.2009 zur Anerkennung der Hamas als Gesprächspartner der Palästinenser vorgelegt. Deutschland fügte sich dem Druck aus Israel und ließ die französische Initiative scheitern. Pragmatisch und zu Recht zog dann der britische Außenminister in Erwägung, Hamas anzuerkennen. Schließlich geht es um die Befreiung Palästinas von einer Besatzungsmacht und Hamas ist in diesem Zusammenhang als eine Befreiungsbewegung anzusehen, wie die PLO im Jahr 1964.

Schon die Tatsache, dass Washington mehr als ein Jahrzehnt lang Gespräche mit der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO ausgeschlossen hatte, verzögerte verantwortungslos den Friedensprozess in Palästina. Jetzt darf Washington keineswegs dasselbe Risiko eingehen. Politische Kontakte mit Hamas sind auf Dauer unvermeidlich. Großbritannien hat es verstanden, genauso wie Frankreich und Russland. Die Frage des Umgangs mit der Hamas ist nicht länger zu vertagen.

Als Depositärstaat der Genfer Konventionen hatte die Schweiz israelische Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verurteilt und während der Gaza-Invasion zu Jahresbeginn 2009 erklärt, in dieser Frage nicht „neutral im Sinne von tatenlos“ sein zu können. Vor dem UNO-Menschenrechtsrat hatte die Schweiz eine Untersuchung der Völkerrechtsverletzungen in Gaza beantragt.

Ein zweites Mal kam die CDU-SPD-Bundesregierung dazwischen, um eine angemessene starke EU-Haltung gegen die aktuelle rechtsradikale israelische Regierung zu torpedieren. In der Tat steigerte sich dadurch das Ausmaß an Inkompetenz der EU gegenüber Israel von schlimm zu schlimmer, wie sie sich in Brüssel am 9.7.202009 bloßstellte: Die EU-Kommission machte eine völlig unangebrachte unbegründete Kehrtwende, indem sie eine scharf formulierte Stellungnahme zur israelischen Siedlungspolitik zurückzog (9.7.09) und sich vor der rechtsextremen Regierung Tel-Avivs wieder unsouverän verbeugte. Mit ihrer Nachgiebigkeit desautorisierte die EU-Kommission ihren eigenen Vertreter in Ost-Jerusalem, der völlig korrekt und begründet, die völkerrechtswidrigen Siedlungen und die Straßensperren im Heiligen Land an den Pranger stellte. Mit einer solchen israelischen Regierung ist keine Partnerschaft beizubehalten. Deutliche Kritik an Israel war zum ersten Mal in der EU vom belgischen EU-Kommissar Louis Michel (13.1.2009) zu hören zusammen mit der wachsenden internationalen Kritik an dem verbrecherischen israelischen Vorgehen in Gaza. Auch die tschechische EU-Ratspräsidentschaft kritisierte eindeutig die inhumanen Handlungen Israels in Gaza. Die Maghreb-Staaten, Mauretanien, Tunesien, Algerien und Marokko brachen diplomatische Beziehungen mit Tel Aviv ab und distanzierten sich von der EU. Die Öffentlichkeit muss über diese missliche EU-Politik im Nahost-Konflikt Klarheit gewinnen.

Eine solche EU ist diskreditiert, solange sie keine im Sinne des Völkerrechts konsequente Politik gegenüber einem Rechtsbrecher im Nahen Osten vertritt.

Der UN-Sicherheitsrat ist aufgefordert sich mit dem Goldstone-Bericht zu befassen, da der Goldstone-Bericht durch eine verabschiedete Resolution des Menschenrechtsrates in Genf (15.10.2009) an die UN-Gremien übergeben wurde. Damit sollten sich der UN-Sicherheitsrat und die UN-Vollversammlung mit dem Problem Israel befassen. Die Verurteilung Israels durch eine absolute Mehrheit der UN-Vollversammlung am 5/6.11. 2009 aufgrund des zugehörigen UN-Goldstone-Bericht bleibt auf der Tagesordnung trotz aller israelischen Manipulationsversuche des US-Kongress, Zornausbrüchen und Inszenierungen. Es ist zu hoffen, dass Berlin sich darüber im Klaren ist und dieses Anliegen der Staatenmehrheit auch zum Ausdruck bringt.

Nicht nur der UN-Goldstone-Bericht, sondern viele andere UN-Berichte zuvor und danach, wie der vom UN-Beamten Richard Falk, verurteilen Israel wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza. Der Menschenrechtsrat in Genf hat auch Israel nach seinem Überfall auf Zivilisten der Gaza-Flotille wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.

Die israelische Führung gehört längst vor das Internationale Strafgericht in Den Haag.

Hochrangige israelische Politiker wie die frühere Außenministerin Zipi Livni, der stellvertretende Ministerpräsident und der amtierende Verteidigungsminister Ehud Barak sind schon von dem britischenKriegsverbrechergesetz betroffen.Sie müssen deshalb eine Festnahme in London befürchten. Wegen einer entsprechenden Anklage musste der Israeli Ehud Barak schon im September 2009 auf eine Reise nach Großbritannien verzichten. Aufgrund des geltenden britischen Kriegsverbrechergesetz sei es für israelische Minister besser, nicht nach Großbritannien zu reisen, empfahl der britische Außenminister William Hague,(Meldung vom 6.11.2009), um ihre Festnahme in London nicht zu riskieren.

Gibt es in Deutschland ein Kriegsverbrechergesetz?

Anständige gutmeinende Journalisten wie Peter Münch, die einen Durchbruch in der Nahost-Stagnation wollen, müssen sich aber von der Verhandlungsidee verabschieden, weil sie degradierend und nutzlos ist.

Politische Extremisten und Rechtsbrecher gehören nicht an den Verhandlungstisch und Kriegsverbrecher schon gar nicht.

Wie weit sich die offizielle EU-Politik im Nahen Osten bereits von den Gefahren der Gegenwart entfernt hat, zeigt die deutsche Politik. Ihre bedingungslose Unterstützung der israelischen Regierungspolitik führt genau zum Gegenteil dessen, was sie vorgibt zu unterstützen: Die Garantie der Existenz Israels in Frieden mit den Nachbarn. Die Politik und die Kriege der letzten Regierungen haben Israels Position im Nahen und Mittleren Osten dramatisch verschlechtert. Raub und Gewalt werden immer mehr zur Basis einer Besatzungspolitik, die nicht nur einfache völkerrechtliche Standards missachtet, sondern allen Bekenntnissen zu Humanität und Menschenrechten Hohn spricht. Sollte es aus der Vergangenheit eine Lehre für die deutsche Politik geben, so wäre sie, eine solche israelische Politik nicht mehr zu unterstützen, sondern alle Hebel in Bewegung zu setzen, um eine Umkehr zu bewirken. Die allgemeine Losung lautet zwar, einen palästinensischen Staat in sicheren Grenzen neben Israel zu schaffen. Die westliche Politik aber läuft in die entgegengesetzte Richtung und macht dieses Ziel immer mehr zur Farce.

Nichts gefährdet die Existenz Israels stärker als das Andauern der Besatzung. 

Luz María De Stéfano de Lenkait