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29. Juli 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Das kürzlich stattgefundene Treffen zwischen türkischem und deutschen Aussenminister sowie ein zugehöriger Artikel in der Süddeutschen Zeitung ist Anlass für folgende Stellungnahme, wie immer zur Anregung, Verwendung und Weiterverbreitung.

Kommentar zur Kolumne in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 29.7.2010: „Westen erhöht Druck auf Abbas“ von Peter Münch

Show statt Friedensgespräche: Pirouetten ins Nichts

Peter Münch schildert in seiner SZ-Kolumne vom 29.7.2010 „Westen erhöht Druck auf Abbas“ sachlich den Zustand im Nahen Osten, nämlich den Stillstand der Lage. Es gibt absolut nichts Neues bei der Position Israels, wie Präsident Abbas realistisch bloßstellt. Im Gegenteil. Derweil werden palästinensische Wohnungen und Infrastruktur im Westjordanland von Israel weiter zerstört. Westjordanland ist ein Gebiet, das Israel völkerrechtlich nicht gehört. Die seit 1967 okkupierten Zonen sind zur militärischen Sperrzone erklärt. Willkürlich und völkerrechtswidrig. Nur internationaler Druck wird Israels Regierung veranlassen, seine verhängnisvolle Politik aufzugeben und das Völkerrecht endlich zu beachten.

Hätten die USA und die EU ein ernstes Interesse daran, den Friedensprozess in Gang zu bringen, hätten sie längst Druck auf Israel ausgeübt, denn sie wissen, dass es an der Sturheit der israelischen Regierung Netanjahus liegt, dass der Friedensprozess seit langem zum Erliegen gekommen ist. Das ist eine weltbekannte Realität. Auch ist bekannt, wie unverschämt der israelische Ministerpräsident Netanjahu seine Verachtung für Amerika geäußert hat: „Amerika ist etwas, das man leicht in die richtige Richtung lenken kann,“ so Netanjahu in einem zirkulierten Video 2001. (Meldung vom 20.7.2010).

Der Rückzieher von Präsident Obama, was die gerechte Position der Palästinenser betrifft, führt natürlich zu einer Stagnation desselben Prozesses. Präsident Abbas und die ganze Arabische Liga sind sich darüber im Klaren, dass von der Achse USA-EU nichts anderes zu erwarten ist, als der schäbige Versuch vor der Öffentlichkeit eine Show zu veranstalten, als ob Friedensgespräche im Nahen Osten statt fänden. Ein Show, die angesichts der bevorstehenden Kongresswahlen in erster Linie für die US-amerikanische Öffentlichkeit gedacht ist. Obamas Problem mit der Wahlkampagne vor November ist allein sein Problem. Er hat kein Recht, den palästinensischen Präsidenten zu benutzen, eine Maskerade zu inszenieren und dadurch auch noch der palästinensischen Sache zu schaden. Besser als jeder andere Staatsmann in der Welt weiß Präsident Obama, warum die unzähligen Missionen von seinem Sonderbeauftragten George Mitchell mit Völkerrecht gemäßen amerikanischen Forderungen bei der Regierung Netanjahus gescheitert waren. Nicht beim Präsident Abbas, der sich nicht nur an allen UN-Resolutionen hält, nämlich, die Besatzung zu enden, sondern die US-amerikanischen Forderungen als eigene vertritt.

Der jüngste Druck des Weißen Hauses auf Abbas nach dem neuen Papier von George Mitchell (Agentur AP zufolge) besteht darin, dass Abbas entweder schleunigst direkten Gespräche zustimmt, nämlich mit Netanjahu, oder die Unterstützung der USA für die Gründung des eigenen Staates verliert. Das ist verblüffend. Man kann nicht etwas verlieren, was man längst nicht mehr hat. Die Stellungnahme des palästinensischen Präsidenten ist immer grundsätzlich dieselbe gewesen wie die der US-Regierung, so wie sie von Anfang an bekannt wurde, als Präsident Obama Anfang 2009 ins Weiße Haus eintrat und wie sie die wiederholten Missionen von George Mitchell immer wieder bestätigten. Schon vor seinem Amtsantritt im Weißen Haus war sich Präsident Obama über den verhängnisvollen Einfluss der israelischen Lobby in Washington vollkommen im Klaren. Davor wurde er mehrmals gewarnt. Die aufschlussreiche Erklärung des ehemaligen US-Botschafters in Saudi Arabien und China in der US-Tageszeitung „Herald Tribune“ Mitte März 2009, Chas Freeman, enthüllt das Hindernis, vor dem die US-Regierung seit langem steht, um den Friedensprozess im Nahen Osten voranzutreiben.Dass der amerikanische Präsident seine Völkerrecht gemäße Position aufgab, geht nicht und darf nicht auf das Konto von Präsidenten Abbas gehen. Barack Obama selbst muss sich für die Konsequenzen seines Rückziehers verantworten, weil die Konsequenzen vorauszusehen waren.

Es ist ein richtiger Schritt von Präsident Abbas, die Arabische Liga in Kairo einzuschalten. Sie ist die geeignete Organisation, der palästinensischen Sache vor einem schwankenden Weißen Haus den Rücken zu stärken, das sich vor Wahlen in Not wähnt. Es ist zu hoffen, dass es der Arabischen Liga gelingt, die Nebel im Weisen Haus zu vertreiben.

Die EU-Außenbeauftragte, Catherine Ashton, war in offizieller Mission am 18. Juli 2010 im Gaza-Streifen. Ihr ist bewusst, wie wichtig es der EU ist, die Wirtschaft in Gaza zu unterstützen, so wie sie sich vor den Menschen in Gaza äußerte. In Gaza hat Catherine Ashton versprochen „die Öffnung der Grenzen“ in Tel Aviv zu fordern, und zwar in Gesprächen mit Israels Außenminister Liebermann und Premierminister Benjamin Netanjahu am selben Abend. Nach diesen klaren Worten erfolgten keine Stellungnahmen der EU nach der Reise ihrer Außenbeauftragten. Es müsste klar und deutlich für alle EU-Außenminister werden, auch für den deutschen Außenminister Guido Westerwelle, dass eine EU-Nahost-Politik sofortigen Druck auf Israel beinhalten muss, wenn die EU, auch Deutschland, wirklich interessiert sein sollten, einen erfolgreichen Friedensprozess in Gang zu setzen.

Das kolossale Unrecht, das in Deutschland und Europa an den Juden im vergangenen Jahrhundert begangen wurde, darf nicht dazu verleiten, neues Unrecht, das seit Jahrzehnten vom israelischen Staat begangen wird, weiter zu tolerieren. Ein Ende der Besatzung Palästinas ist unabdingbar, ein entscheidender Beitrag auch zur Sicherheit Israels.

Es ist dem israelischen Staatsterrorismus nicht gelungen, weder den palästinensischen Widerstand noch die Hamas zu besiegen. Das ist eine unumstößliche Tatsache, der die EU-Außenbeauftragte, Catherine Ashton nach ihrem Besuch in Gaza Rechnung tragen muss und mit ihr zusammen ganz Europa.

Europa kann in Palästina eine tragende Rolle spielen, vorausgesetzt, dass es in der Praxis unter Beweis stellt, dass es die Besatzer- und Annexionspolitik Israels nicht weiter unterstützt. Eine dieser Taten ist eine klare Stellungnahme zugunsten eines Endes der Belagerung des Gazastreifens. Es ist eher ein politisches als ein humanitäres Problem. Die Palästinenser reklamieren ihr Recht auf Widerstand und verlangen die Einhaltung der Genfer Konvention sowie jenes internationalen Rechts, das Israel immer wieder gebrochen hat. Obamas Plan für Palästinas war richtig, aber mit ihm hat sich in Palästina bisher nichts geändert, weil Obama nicht die richtigen Konsequenzen aus der sturen unzulässigen Weigerung der israelischen Regierung, sich an das Recht zu halten, gezogen hat, nämlich gegen Israel harte Sanktionen zu verhängen.

Ohne Anhaltspunkte, ohne Plan, ohne Agenda geht es nicht weiter. Präsident Abbas hat Recht, sich nicht für weitere Pirouetten ins Nichts benutzen zu lassen.

Luz María De Stéfano de Lenkait