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30. Juni 2011 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 28.6.2011:
„Haftbefehl gegen Gaddafi“ von Sonja Zekri

Was ist los mit den Medien, warum ticken sie so falsch und verkehrt?

Zu auffällig bei Sonja Zekris SZ-Artikel vom 28.6.2011 „Haftbefehl gegen Gaddafi“, dass sie den Aggressionskrieg, der Libyen und das libysche Volk monatelang bestialisch verwüstet, nicht wahrnimmt. Ein Aggressionskrieg, den westliche Aggressoren zu verantworten haben.

Ist das normal für Sonja Zekri?
Was ist los mit ihr, was ist los mit den deutschen Medien?
Warum ticken sie so falsch und verkehrt?

Der Angegriffene wird verfolgt, während der Aggressor entschuldigt wird. Warum versagt so gravierend und penibel die vierte Gewalt einer Demokratie? Dieses menschliche Versagen der Medien stellt die Funktion einer Demokratie in Frage.

Ein Aggressionskrieg ist der bewaffnete Überfall eines Staates oder einer Koalition von Staaten auf einen oder mehrere Staaten.

Das Völkerrecht verbietet nicht nur den Angriffskrieg, sondern auch seine Vorbereitung und Durchführung. Laut Artikel 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofes zählt zu den Verbrechen, für die der Militärgerichtshof zuständig ist, vor allem Verbrechen gegen den Frieden, die in solchen Handlungen zum Ausdruck kommen wie der Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Führung eines Angriffskrieges.

Handlungen innerhalb des eigenen Territoriums eines UNO-Staates seitens seiner legitimen Regierung gegen separatistische Akte oder gegen kriminelle und terroristische Akte fallen nicht unter dem Begriff einer Aggression oder eines Aggressionskrieges. Die obige Aggressionsdefinition festgestellt in einem einstimmigen Dokument der Vollversammlung 1974 verbietet es folglich auch einem Staat oder einer Staatenkoalition, zu Gunsten separatistischer Bewegungen oder von Aufstandsbewegungen in einem anderen Staat einzugreifen. Es gilt auch hier das völkerrechtlich verbindliche Gebot der militärischen Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.3.2011 veröffentlicht einen präzisen aufklärerischen Beitrag vom Reinhard Merkel, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg, eine scharfe Kritik an den rechtlichen Grundlagen der militärischen Aggression der 3-er Koalition der NATO gegen Libyen:

„Gaddafi führt Krieg gegen bewaffnete Rebellen, die ihrerseits Krieg gegen ihn führen. Kämpfende Aufständische, und wären sie Stunden zuvor noch Bäcker, Schuster und Lehrer gewesen, sind keine Zivilisten. Dass Gaddafis Truppen gezielt Zivilisten töteten, ist vielfach behauptet, aber nirgends glaubhaft belegt worden. Und jeder nach außen legitimierte, also autonome Staat der Welt, darf .... bewaffnete innere Aufstände ...bekämpfen.“, was übrigens in der Verfassung aller Länder der Welt so fixiert, also legitim ist. Auch in unserem Grundgesetz!

Eine Selbstbewaffnung und Beschießung von Polizei-oder Armeeeinheiten im eigenen Lande wird z.B. in den USA mit Landesverrat, sprich der Todesstrafe geahndet. Mit anderen Worten: Der Angriff der sog. NATO-Koalition (USA, Frankreich und Großbritannien) auf Libyen unter dem Vorwand, die Zivilbevölkerung dort zu schützen, ist von der UN-Charta nicht gedeckt, ja sie höhlt den Kern der UN-Charta aus, diskreditiert die Weltorganisation in höchstem Maße und widerspricht ihren eigenen Prinzipien. Dagegen ist Selbstverteidigung laut Art. 51 der UN-Charta zur Erhaltung eines Staates zulässig, da es sich nicht um Angriff, sondern um Verteidigung handelt.

Der Luftraum über dem libyschen Territorium und Küstenmeer ist libysches Hoheitsgebiet, das der ausschließlichen Hoheitsgewalt Libyens unterliegt. Gegen den Willen Libyens, mehr noch, ohne dessen Einwilligung kann eine Flugverbotszone nicht eingerichtet werden. Auch darf kein fremdes Luftfahrzeug in diesen Luftraum einfliegen. Dies bedeutet, dass weder einzelne Staaten noch eine internationale Organisation wie die EU noch ein Bündnis wie die NATO eine Flugverbotszone einrichten dürfen. Selbst der US-Verteidigungsminister Robert Gates äußerte sich eindeutig dazu: „Eine solche Flugverbotszone bedeutet Krieg gegen Libyen. Das will Amerika nicht.“ (ARD am 3.3.2011)

Somit ist bereits die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates über die Einrichtung einer Flugverbotszone ein Verstoß gegen das Interventionsverbot und die Durchsetzung der Zone – also der Abschuss libyscher Militärflugzeuge in libyschem Luftraum – ein Verstoß gegen das Gewaltverbot, deutlicher: ein kriegerischer Akt. Damit hat der UN-Sicherheitsrat gegen seine eigene Pflicht zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten (Kapitel VI der UN-Charta) grob verstoßen. Ebenso ist die willkürliche Blockade von Verhandlungen seitens der USA und zwei NATO-Staaten ein gravierender Verstoß gegen Kapitel VI der UN-Charta, ein Verstoß, der die friedliche Beilegung des Konflikts vorsätzlich verhindert.

Wie der Schweizer Völkerrechtler, Professor Dr. Hans Köchler, Präsident der Internationalen Progressorganisation betont, ist der Beschluss des UN-Sicherheitsrates, die Resolution 1973 nicht durch die UN-Charta legitimiert.

„Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates über alle sonstigen Fragen bedürfen der Zustimmung von 9 Mitgliedern, einschließlich sämtlicher ständiger Mitglieder“. Artikel 27, Absatz 3 der UN-Charta.

Das war bei der Abstimmung des UN-Sicherheitsrates zur Resolution 1973 nicht der Fall, da sich die beiden ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates Russland und China der Stimme enthalten haben ( siehe Schweizer Zeitung „Zeitfragen“, Nr. 19 vom 11. Mai 2011 unter: „Memorandum des Sicherheitsrates 1973 und ihre Umsetzung durch eine Koalition der Willigen unter Führung der Vereinigten Staaten und der NATO“).

Die Einrichtung einer No-fly-Zone im Sinne des humanitären Völkerrechts wäre dagegen zulässig – wenn sich die beteiligten Staaten in einem internationalen bewaffneten Konflikt befänden, was bezüglich Libyens nicht der Fall ist.

Dass es den NATO-Staaten nicht darum geht, etwa die Zivilisten in Libyen zu schützen, zeigen die folgenden Tatsachen:

1. Sowohl die Friedensvorschläge und Verhandlungsangebote vom Präsidenten Venezuelas Hugo Chávez, Anfang Mai 2011 als auch die Friedensvorschläge des südafrikanischen Präsidenten Zuma vom 30.5.2011, die alle von dem libyschen Revolutionsführer Gaddafi angenommen wurden, wurden sowohl von den sogenannten Rebellen, als auch von den drei intervenierenden NATO-Staaten ignoriert oder abgelehnt. Somit isolieren sich die USA, Frankreich und Großbritannien immer weiter von der restlichen westlichen Welt, die natürlich an der Beilegung des Lybiens Konflikts interessiert ist, genauso wie der Rest der Welt.

2. Die ständigen Bombardements großer Städte in Libyen mit mittlerweile über 800 Toten und Tausenden von Verwundeten zeigt eindeutig die Heuchelei und Barbarei der NATO-Staaten im Fall Libyens.

3. Die sofortige Washingtoner Ablehnung des Vorschlags aus Tripolis zur Abhaltung freier Wahlen unter internationaler Kontrolle, ein Vorschlag von Gaddafis-Sohn, veröffentlicht in Corriere della Sera (15.6.2011). Darüber gab es keinen Bericht in der Süddeutschen Zeitung. Auch keine Reaktion auf die Bemühungen um eine diplomatische Lösung, die ständig von den USA blockiert werden. Zwar sind libysche Minister, darunter der Außenminister Libyens in Tunesien eingetroffen. Als Sprachrohr der drei Aggressoren maßt sich Sonja Zekri an zu fragen, „ob sie (die libyschen Minister) ein Mandat haben, um zu verhandeln“.(SZ vom 28.6.2011: „Haftbefehl gegen Gaddafi“).Offensichtlich verliert die NATO an Boden. Aus Tunesien hört man Stimmen für Verhandlungen, was den Aggressoren offensichtlich gar nicht passt.

Das libysche Volk steht an der Seite der offiziellen Regierung in Tripolis. Vor allem nach den barbarischen NATO-Angriffen auf Libyen mit Zerstörung von Wohnhäusern, Krankenhäusern und Schulen steht das Volk nicht an der Seite der selbsternannten „Übergangsregierung“ in Bengasi, die lediglich ... ein Sammelsurium von Marionetten der westlichen Aggressoren und Söldner auf Bestellung Sarkozys darstellt. Dort vereinen sich elende Profitjäger, mit einem Wort gekaufte Leute, die keine Skrupel haben, die NATO-Aggression gegen ihre eigenen Landsleute zu dulden. Weil die überwältigende Mehrheit des Volkes an der Seite Gaddafis steht, sind freie Wahlen nicht im Interesse der Aggressoren. Daher auch ihre Mühe und Sorge, eine rapide „juristische“ Verfolgung der Regierung in Tripolis vor der Öffentlichkeit zu konstruieren, und das gerade dann, als der Vorschlag für freie Wahlen von der offiziellen Regierung in Tripolis in die Öffentlichkeit kommt.

Am 29. Mai 2011 haben zwei renommierte französische Anwälte, nämlich Roland Dumas und Jaques Vergés während einer Pressekonferenz in Tripolis angekündigt, im Namen der Familien der Opfer der barbarischen Luftangriffe der NATO auf Libyen gegen den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy Strafanzeige wegen Verantwortung für schwere Kriegsverbrechen zu stellen.

Sarkozy ist der Initiator und Hauptverantwortliche der schweren Luftangriffe der 3er Koalition der NATO, die seit dem 19. März 2011 ohne UNO-Ermächtigung und anfänglich nicht einmal mit Ermächtigung des NATO-Rats auf libysche Städte und Siedlungen durchgeführt werden. Zur Erinnerung: Sarkozy initiierte zur Eröffnung von barbarischen Luftangriffen auf den souveränen libyschen Staat einen völlig eigenmächtigen Eilbeschluss in einem dazu nicht ermächtigtem Gremium, dessen Abstimmungsergebnis er vor Erteilung des Angriffsbefehls an die Luftstreitkräfte nicht einmal abwartete.

Roland Dumas, früherer französischer Außenminister, erklärte, dass ihm die Mandate zur Strafanzeige gegen Sarkozy von Familien ziviler Opfern der NATO-Bombardements erteilt wurden. Roland Dumas sagte, dass er durch die Tatsache verblüfft sei, dass diese Mission, die nach den UN-Resolutionen ( z.B. der Resolution 1973) darauf abzielen sollte, die Bevölkerung zu schützen, dabei sei, die Zivilbevölkerung Libyens zu töten, wobei er von einer brutalen Aggression gegen einen souveränen Staat sprach. Jaques Vergés sprach von einer „Atlantischen Allianz von Mördern“. „Wir wollen jetzt die Mauer des Schweigens durchbrechen“, fügte er hinzu. Beide Rechtsanwälte sagten u.a. auch, dass die westliche Allianz mit der Bombardierung von Tripolis und anderer Städte ausnahmslos Kriegspartei zu Gunsten der Aufständischen ergriffen hat, was sogar im Widerspruch zu den betreffenden UNO-Resolutionen 1970 und 1973 steht.

Die bestialische militärische NATO-Operation gegen Libyen, ohne jede Rechtfertigung, stellt den offenkundigen Widerspruch zwischen dieser regionalen Organisation und den Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen bloß. Dazu stellt der Art.103 der UN-Charta klar: „Widersprechen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus dieser Charta und ihren Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften, so haben die Verpflichtungen aus dieser Charta Vorrang.“ In einem Wort: Die Vereinten Nationen stehen über der NATO, eine Organisation, die sich den UN-Grundsätzen unterzuordnen hat. Eine Mahnung oder ein Aufruf dazu vom Internationalen UN-Gerichtshof in Den Haag wäre sinnvoll und dringend notwendig.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait