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2. Juni 2009 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar zum
Artikel in Süddeutsche Zeitung vom 2.6.2009:
“Obamas nahöstlicher Balanceakt” von Tomas Avenarius
und zur
dpa-Meldung vom 2.6.2009:“Abbas geht gegen Hamas vor”

Exzellenter Nährboden für die Wühlarbeit  aus Tel-Aviv

Ungeschickt verfällt der Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 2.6.2009 “Obamas nahöstlicher Balanceakt” von Tomas Avenarius in die alte Masche Tel-Avivs, den Spieß umzudrehen, um Iran als Problem darzustellen. Dieser Versuch ist während des jüngsten Besuchs Netanjahus in Washington vor einer Woche eklatant gescheitert. Der amerikanische Präsident und sein Team waren ihm gegenüber absolut eindeutig. Das Weiße Haus sieht den Nahostkonflikt, nicht den Iran, als Priorität. In dieser Hinsicht hat Washington nicht nur die Palästinenser, sondern alle arabischen Länder hinter sich. Israel, nicht der Iran, verfügt über ein ganzes Atomwaffenarsenal. Mit dieser besorgniserregenden Realität müssen sich Deutschland und die EU befassen. Washington tut es schon. (Washington Times vom 6.5.09 und Washington Post).
Wo steht Berlin? Die Öffentlichkeit muss hier nachhaken, SZ-Journalisten wie Tomas Avenarius eingeschlossen. Vor der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) beklagt die Arabische Liga "Israels Besitz von Atomwaffen als einen eindeutigen Verstoß gegen den Willen der internationalen Gemeinschaft." Zugleich betont der ägyptische Botschafter die Notwendigkeit, daß Israels Atomkapazitäten endlich auf den Tisch der IAEA kommen müssen, denn dies sei "eine ernste Angelegenheit, die nicht verschwinden wird." (Meldung von 10/11.3.07)

Es sei “Israels militärisches Nuklearprogramm, das die arabischen Länder beängstige”. Es sei bewiesen, daß dieses militärisch sei, so der Generalsekretär der Arabischen Liga in der saudischen Zeitung Al Medina im April 2009. (Meldung vom 12.5.2009).
Klarer geht es kaum. Aber Israel will sich weiter weigern, irgendwelche Änderungen in seiner Atomwaffenpolitik vorzunehmen.
Bedauerlicherweise macht sich Tomas Avenarius mit seiner blinden Einseitigkeit zum Sprachrohr der radikal-rechtsextremistischen Regierung Israels. “Krieg der Kulturen” und “Krieg gegen den Terror” sind finstere Erfindungen der Bush-Cheney-Regierung. Sie zu wiederholen ist kontraproduktiv und dumm: Diese Art von Journalismus trägt nicht dazu bei, das zentrale Problem des Nahen Ostens aufzuklären. Im Gegenteil, sie macht es unnötig komplizierter als es sowieso schon ist, was nicht im Interesse eines gerechten Friedens sein kann. Trotz der Inkompetenz der EU, die sich weiter diskreditiert durch ihr unverständliches Schweigen in einer der gravierendsten Angelegenheiten der Weltpolitik, die nach einer prompten Lösung verlangt, müssen verantwortliche Journalisten mit gesundem Menschenverstand diese Sache angehen. Ist es zuviel verlangt?

Allerdings bewegt sich die Sache für Palästina trotz EU-Paralysierung, ob es Berlin will oder nicht. Am Samstag 23.5.2009 fand die Konferenz der Außenminister der Organisation Islamischer Staaten (OIS) in Damaskus statt. Dort hat sich der russische Außenminister, Sergej Lawrow mit dem Chef der Palästinenserbewegung Hamas getroffen. Gleichzeitig hatte sich der britische Außenminister David Miliband unlängst für eine Beteiligung der Hamas am politischen Prozeß unmißverständlich ausgesprochen in einem Interview mit der arabischen Zeitung Al-Hayat. “Wir haben immer damit gerechnet, daß Vernunft die Oberhand gewinnt. Hamas bewertet die Lage mit mehr Realismus und fühlt sich für das Schicksal des ganzen palästinensischen Volkes verantwortlich” erklärte der russische Außenminister, Sergej Lawrow, nach dem Treffen der OIS in Damaskus.

Ein großes Hindernis für den Friedensprozeß besteht darin, daß der Westen den Dialog mit Hamas ablehnt. Nachdem die Hamas 2006 die Wahlen gewonnen hatte, und diese von allen Beobachtern als demokratisch, legitim und fair eingestuft worden waren, weigerten sich die meisten westlichen Staaten aus politischen Gründen, die Hamas-Regierung anzuerkennen.
Die Hamas-Führung hat ihre Bereitschaft zu Verhandlungen über einen dauerhaften Frieden mit Israel immer bekräftigt, und zwar unter der notwendigen gerechten Bedingung, die Grenze zu Gaza zu öffnen. Die Öffnung der Grenze und die Aufhebung der Blockade werden auch von Vertretern der Vereinten Nationen, dem US-Vermittler George Mitchell und dem EU-Außenbeauftragten, Javier Solana mit Nachdruck gefordert. Der Beauftragte des sogenannten Nahostquartetts, Anthony Blair, hatte auch gefordert, die Hamas in Friedensgespräche einzubinden. Nur Berlin bremst den Weg der Vernunft.
Der Artikel von Tomas Avenarius reflektiert diesen gefährlichen Verfall des politischen Denkens und der politischen Kultur in deutschen Regierungskreisen. Indem er sich immer wieder hinter Propaganda-Formeln wie “Krieg gegen den Terror” und “Krieg der Kulturen” zurückzieht, offenbart er ein Denken in Kategorien des Neokolonialismus, der Militarisierung der internationalen Beziehungen und der fortgesetzten Zerstörung des Völkerrechts. Bewußt oder unbewußt. Ein exzellenter Nährboden für die Wühlarbeit  aus Tel-Aviv, die den Frieden torpedieren wollen.

Luz María De Stéfano de Lenkait,

 Juristin und Diplomatin a.D.