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21. Februar 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Das Rechtsbewußtsein in deutschen Redaktionen ist erschreckend unterentwickelt, was beim Thema Afghanistan und dem Massaker auf Befehl des Bundeswehr-Oberst Klein besonders schockierend deutlich wird.

Kommentar zu 

Feuilleton in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 19.2.10:
„Unschuldige Feinde im Visier“ von Andreas Zielcke

Quicklebendiger Faschismus

Andreas Zielcke offenbart keine humanistische Erziehung, keine humanistische Bildung. Unfähig, Tatsachen und Regierungsentscheidungen selbst nach ethischem Maßstab zu bewerten, versucht er gutgläubig ungerechtfertigte Aktionen der Bundesregierung durch akademische, aber dubiose Behauptungen zu rechtfertigen. Der Journalist wird so ungewollt von großem Nutzen für die seit 1990 andauernde offizielle Kampagne, die Militäreinsätze im Ausland fördert und Krieg als Mittel der Politik wieder salonfähig haben will. Er verfällt sogar in tradierte hässliche Muster aus einer Vergangenheit, Verhaltensmuster, die offensichtlich bei den deutschen Nachkriegsgenerationen nicht genügend geklärt worden sind und arbeitet so in die Hände der Kriegslobby, ohne es zu bemerken, dass Deutschland beim NATO-Krieg gegen Afghanistan wieder an einem völkerrechtlichen Verbrechen teilnimmt.

In der Tat demaskiert Faschismus seine Hässlichkeit schamlos, unverschämt im Artikel von Andreas Zielcke, der verzweifelt versucht, die Tötung von Zivilisten durch deutsche Militärs zu rechtfertigen. Aus fehlender Überlegung wird dadurch die rechtstaatliche Polizei zu einer mörderisch agierenden Gestapo degradiert. Mit einer juristischen Logik hat der Artikel überhaupt nichts zu tun. Juristische Instrumente werden darin kaum erwähnt und darüber nicht einmal nachgedacht. Auch nicht der grundlegende Gedanke, dass eine gewalttätige militärische Intervention in ein fremdes Land, das keine Aggression begangen hat, als reine Aggression zu verurteilen ist. Symptomatisch wie beim Establishment bleibt Angriffskrieg beim Autor „erlaubt“ und dabei die „Tötung von unschuldigen Zivilisten.“ Barbarischer kann man kaum schreiben. Das SZ-Feuilleton stellt sich damit auf die Stufe des offensichtlich immer noch quicklebendigen Faschismus, und das bei Deutschlands größter überregionaler Tageszeitung! Eine ungeheure ewiggestrige Geisteshaltung aus der Mitte der deutschen Gesellschaft, die die Funktion einer rechtsstaatlichen Polizei mit der damaligen menschenverachtenden Gestapo gleichsetzt. Was für eine unsagbare beschämende Dekadenz!

Faschismus bedarf der besonderen Aufklärung in einem Land, wo viele ihn allein mit dem Organisieren eines Holocaust gleichsetzen und dabei die Tragweite seiner Rechtlosigkeit und Rechtswidrigkeit verkennen, denn es muss ja nicht erst zu Gaskammern und Konzentrationslagern kommen. Das ist gravierend, weil Faschismus gerade dort beginnt und sich entwickelt, wo Recht und Gesetz missachtet werden und die rechtlichen Institutionen paralysiert, funktionsunfähig bleiben, sogar das Bundesverfassungsgericht. Alarmiert kommentiert „Newsweek“ am 13.11.2006 diese besorgniserregende Lage. Statt einer Besinnung auf Recht und Gesetz gewinnt rechtswidrige Gewaltanwendung die Oberhand bei staatlichen Institutionen: Deutsche Beteiligung am Krieg gegen Jugoslawien, Bundeswehr in Afghanistan. Entsprechende Manifestationen bei Regierungspolitik, Volksvertretern und in der Öffentlichkeit, die keine Achtung für Recht und Gesetz bezeugen, rechtfertigen im wahren Sinne des Wortes vom Faschismus in der Mitte der Gesellschaft und auf staatlicher Ebene zu sprechen. Dieser bestehende latente Faschismus in der deutschen Gesellschaft ist dringend aufzuklären, und zwar durch eine grundlegende Bildung, was Recht und Gesetz für die Zivilisation bedeuten müssen. Zutreffend aber ohne weitere Bewertung und ohne die folgerichtigen Konsequenzen daraus zu ziehen, hebt der Journalist als grotesk den perversen Gedanken von Kanzler Schröder hervor, als 1999 Bomben auf Serbien fielen: „Wir führen keinen Krieg (!), aber wir sind aufgerufen eine friedliche Lösung (!) auch mit militärischen Mitteln (!) durchzusetzen.“ Die deutsche Öffentlichkeit muss Klarheit erlangen: Erst die Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen, die Regierung Schröder/Fischer verwickelten Deutschland in seinen ersten Krieg seit dem Fall Berlins 1945. Tatsächlich waren es sogar zwei Kriege in weniger als zweieinhalb Jahren. Im Frühjahr 1999 ordneten der SPD-Kanzler Schröder und seinen Grünen-Außenminister Joschka Fischer den 78-tägigen Bombenkrieg gegen Jugoslawien an und nach dem 7. Oktober 2001 Truppen für die Besetzung Afghanistans. Seitdem bleiben SPD und Grüne blind gefesselt in einer unaufgeklärten aggressiven mörderischen Falle: Die Teilnahme Deutschlands am ersten unprovozierten militärischen Überfall seit den Blitzkriegen Hitlers in den Jahren 1939-1941, wiederum ein Überfall, der auf einen europäischen Staat erfolgte, der kein anderes Land bedroht hatte. Die Öffentlichkeit verbreitete wiederholt die perfide Masche des SPD-Kanzlers: „Das Ziel war ausschließlich humanitär.“ Sechzig Jahre zuvor sagte ein anderer deutscher Kanzler: „Ich befahl der deutschen Luftwaffe eine humanitäre Kriegsführung.“ So Adolf Hitlers Rede in Danzig am 19.9.1939. Die Aggression, die Fischer billigte und durchsetzen half, war bösartig und feige. Eine schamlose Verletzung der Prinzipien, auf denen die UNO aufgebaut worden ist. Die Rückkehr zur Anwendung militärischer Gewalt fand nach 55-jähriger Unterbrechung 1999 im Krieg der NATO gegen Jugoslawien statt. Deutschland war von seinen westlichen Verbündeten vom Makel seiner Nazi-Vergangenheit befreit worden, und es stand ihm frei, wieder zu morden. Diese beunruhigenden Verhältnisse sind im Licht der internationalen Normen und offiziellen Haltungen aufzuklären: Potsdamer Abkommen, UN-Charta und Wortbruch der CDU-Bundesregierung nach der deutschen Einheit 1990.

Kein zivilisierter Polizist ist autorisiert, wild um sich zu schießen und zu töten, nicht einmal gegenüber einem Verbrecher. Der rechtmäßige Waffengebrauch ist restriktiv im wahren Sinne des Wortes und darf sich nur gegen einen aktiven Aggressor richten. Der Schutz allen Menschenlebens einschließlich das eines Verbrechers (z.B. Terrorist), auch im Gefängnis, ist oberstes Gebot einer zivilisierten Rechtsordnung. Der SZ-Autor darf die rechtlichen Grundlagen nicht ignorieren: Grundgesetz, Strafgesetzbuch, Völkerrecht mit Charta der Vereinten Nationen und Genfer-Konventionen. Er macht sich auch keine Gedanken über die Natur der kriegerischen Mittel der heutigen Militärs. Eine Überlegung, die entscheidend ist, um zu begreifen, dass solche Mittel ganz klipp und klar unverhältnismäßig sind. Allein deshalb ist auch die von Anfang an bestehende Rechtswidrigkeit aller militärischen Handlungen in Afghanistan festzustellen. Von allen zivilisierten Ländern, die die internationale Rechtsstaatlichkeit wertschätzen.

Deutschland verstößt seit langem grob und brutal gegen UN-Prinzipien: die Nicht-Einmischung und Souveränität eines fremden Landes. Das verursacht zunehmend Widerstand und Aufstand. Daraus folgen mehr Opfer, die gar nicht gerechtfertigt sind, sondern eine begründete Anklage gegen den Angreifer darstellen. Faschistische, also Rechtsgrundsätze missachtende und verachtende Ideen zur Rechtfertigung eines Massenmordes sind nichts anderes als menschenverachtende Kriegshetze. Dazu kommt im Fall von Afghanistan eine koloniale Haltung wie im alten imperialen Europa bei Queen Victoria oder Kaiser Wilhelm.

Für keine rechtsstaatliche Partei darf es ein militärisches Ziel geben, das den Tod von Zivilisten rechtfertigen kann.Die kritische Mahnung von Jerusalem Post vom 20.2.2010 trifft in diesem Zusammenhang den Nagel auf den Kopf: „Ob es moralisch zulässig ist, mutmaßliche Feinde zu liquidieren, wird überhaupt nicht debattiert. Interessanterweise scheint das auch die involvierten europäischen Staaten kaum zu kümmern... Das eigentliche Thema ist der Kampf gegen den Terror. Der wird sehr brutal ausgetragen, aber nicht nur von Mossad.“ Zu Recht weist die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit großer Sorge darauf hin, dass die herrschende Gleichgültigkeit vor menschlicher Tötung und Vernichtung nicht nur moralische, sondern auch intellektuelle Mindeststandards bei den deutschen politischen Eliten bloßstellen (FAZ vom 4.1.2010): „Die Akzeptanz des Tötens führt zu einem gefährlichen Bewusstseinswandel. Wer ein Massaker wochenlang als „militärisch angemessen“ bezeichnet, verändert im eigenen Land die Einstellung zur Gewalt. Nur Radikale können sich darüber freuen.“ So auch Faschisten, die sich - wie in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung - in der Mitte der deutschen Gesellschaft befinden. Selbsterkenntnis ist der erste notwendige Schritt zur wahren Besserung.

Vor allem angesichts eines „Bürgerkriegs“, ist es äußerst töricht, unangemessen und nach internationalem Recht gar nicht erlaubt, sich darin militärisch einzumischen. Es ist dieselbe Anmaßung aus einer Position reiner militärischer Macht heraus, wie beim Bürgerkrieg in Spanien 1936, als Nazi-Brigaden den spanischen Faschisten dabei geholfen haben, die Republikaner zu besiegen. Das Nazi-Bombardement auf spanische Städte war grausam und vernichtend. Will der SZ-Journalist Andreas Zielcke den Massenmord von damals und heute den Massenmord von Bundeswehr-Oberst Georg Klein am Kundus in Afghanistan (4.9.2009) mit derselben Nazi-Vernichtungslogik rechtfertigen? Seine Zitate von einem sogenannten „Denker“ des deutschen Postfaschismus wie Habermas, vernebeln und verdrehen die erforderliche mentale Klarheit über ein Thema, das das mutwillige Gefährden und Auslöschen von Menschenleben betrifft.

Solche gezielten Irrungen und Verwirrungen sind aus der deutschen Öffentlichkeit entschieden ein für alle Male zu verbannen. Aufgeklärte Journalisten müssen sich selbstbewusst zur Rechtsstaatlichkeit bekennen, nicht zu einer faschistischen Denkweise, die Unrechtsstaaten zugrunde liegt. Deshalb muss die geltende Rechtsordnung, national wie international, in den Vordergrund gerückt werden. Gegen jeden Versuch, sie zu demontieren, wie jetzt im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung geschehen, ist massiver Widerstand geboten. Schreiberlinge, die sich als Kriegshetzer und Anstifter zu Mord und Totschlag betätigen, sind zu ächten und gegebenenfalls vor ein Strafgericht zu stellen, denn sie gefährden die staatliche Rechtsordnung, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik. Sie versuchen rechtschaffene aber in Dingen des Rechts eher nur wohlmeinende als gebildete Leser zu verwirren. Bei der Süddeutschen Zeitung mit einer Auflage von über 500.000 ist eine solche Angelegenheit keine Bagatelle. Damit stört sie die bestehende Rechtsordnung, auf deren Respekt alles friedliche Zusammenleben in einer zivilisierten Gesellschaft beruht.

Luz María De Stéfano de Lenkait