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26. August 2009 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Der israelische Premier Netanjahu wurde vom US-Sonderbeauftragten George Mitchell nach London einbestellt und hat sich - zum Ausgleich und aus taktischen Erwägungen, da deutsche Medien leicht auf seine Seite zu ziehen - selbst nach Berlin eingeladen. Anlass genug, sich noch einmal ausführlich mit dem Thema Israel zu befassen. 

Sanktionen und Ausschluss Israels aus den Vereinten Nationen 

1917 versprach der britische Außenminister Balfour den Juden „a national home“ - keinen Staat - in Palästina. Damit war der Keim des heutigen Konfliktes gelegt. Die Zusammenarbeit des hebräischen und des arabischen Volkes bei der Entwicklung eines arabischen Staates in Palästina wurde allerdings von Emir Faisal, der spätere König des Iraks, und Chaim Weizmann, der spätere Präsident Israels, schon 1919 vereinbart. Eine Vereinbarung, die von Großbritannien und Frankreich unbeachtet blieb, als beide europäischen Mächte am Ende des Ersten Weltkrieges gar nicht daran dachten, der ortsansässigen arabischen Bevölkerung das zu geben, was US-Präsident Woodrow Wilson – bezogen auf Mitteleuropa – das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ genannt hatte.

Der Orient wurde nach Kolonialherrenart aufgeteilt: Die natürliche Region Syrien zerstückelt. Frankreich bekam das „Mandat“ für jenes Gebiet, das den heutigen Libanon und Syrien umfasst. Großbritannien bekam das heutige Jordanien sowie Palästina.

Am 22.März 1945 gründeten Ägypten, Transjordanien, Syrien, der Libanon, der Irak, Jemen und Saudi-Arabien die „Arabische Liga“. Palästina als Teil oder Verlängerung von Transjordanien betrachteten sie ganz selbstverständlich als Teil der arabischen Welt.

Gut zwei Jahre später billigten die Vereinten Nationen die Teilung Palästinas (November 1947) in einen arabischen und einen jüdischen Staat. Am Tag zuvor legte Großbritannien sein Palästina-Mandat offiziell nieder. Wenige Wochen danach sah Washington ein, daß die Teilung eine große Fehlentscheidung war angesichts der Ablehnung und wachsender Unruhe unter den in der Region lebenden Araber, die die Mehrheit der ansässigen Bevölkerung darstellten. Die arabischen Staaten lehnten den Teilungsplan offiziell ab. Sinngemäß beauftragte Washington die UN-Vollversammlung sich weiter mit dem Problem Palästina zu befassen. Die USA ziehen die Zustimmung zum Teilungsplan zurück (19.3.1948). Präsident Harry Truman schlägt vor, Palästina unter den Schutz der UN zu stellen, sollte Großbritannien abziehen. Besorgniserregend kam Israel den USA in die Quere und setzt sich seit seiner Gründung über den Willen der Staatengemeinschaft: Am 14. Mai 1948 wurde Israel als unabhängiger und souveräner Staat ausgerufen trotz der speziellen Demarche der UN, die Unabhängigkeitserklärung zu verschieben.

Zu beachten ist, dass Israel gerade dann gegründet wird, als die Vollversammlung der Vereinten Nationen nach ausdrücklichem Wunsch der USA sich weiter mit dem Problem Palästina befassen sollte, denn Washington revidierte seine Position und erklärte sich gegen die Teilung (30.3.1948), als es offensichtlich war, daß sie einen Bürgerkrieg in Palästina hervorbringen würde, was dann auch eintraf. Sogar erlitten amerikanische und britische Delegationen in Jerusalem Terrorattentate seitens extremistischer zionistischer Banden.

Mit der von den Vereinten Nationen 1948 vorgenommenen Teilung des Landes wurden den jüdischen Siedlern (= nur 31% der Bevölkerung) 55% und den Palästinensern (= 60% der Bevölkerung) 44% des Landes zugewiesen. Dieses Unverhältnis wurde in den darauf folgenden Jahren immer weiter zugunsten des neuen Staates Israel verändert. Nach dem 6-Tage-Krieg betrug dies 78% (Israel) zu 22% (Westjordanland und Gaza-Streifen) und hat sich seitdem weiter auf 88% zu 12% zu Lasten Palästinas verschlechtert. Von dem kleinen Gaza-Streifen abgesehen, gibt es aufgrund der Siedlungspolitik, die die Palästinenser als Kolonisierung bezeichnen, heute praktisch kein zusammenhängendes Gebiet Palästinas mehr. Israel hat nicht davor zurückgeschreckt, mit einer Mauer die weitere Landnahme palästinensischen Bodens zu manifestieren.

Es begann ein Krieg, der dazu führte, dass rund 80 Prozent der in Israel lebenden Araber (Palästinenser) vertrieben wurde oder floh. Jahrzehnte des Leidens und des Terrors, der Gewalt und Gegengewalt. Wäre ein palästinensischer Staat gegründet worden und nicht ein israelischer, hätten sich die islamischen und christlichen Palästinenser so ungerecht und grausam gegenüber den israelischen Immigranten verhalten? Hätte die damalige begründete britische Perspektive (Churchill-White Paper 1922) von einem unabhängigen binationalen arabisch-jüdischen Staat mit Vorherrschaft der damaligen Mehrheit, nämlich der Araber, an der Regierung, Erfolg gehabt, so fragt man sich heute, wären dann die Palästinenser so räuberisch und brutal gegenüber den Israelis gewesen und hätten sie sich so unmenschlich verhalten wie die Israelis gegenüber ihnen?

Bemerkenswert konsequent ist auch zu beachten: Israel wurde als Mitglied in den Vereinten Nationen (11.5.1949) lediglich unter der Bedingung zugelassen, den vertriebenen Palästinensern ihre Eigentümer zurückzugeben oder sie zu entschädigen und ihnen zu erlauben, nach Palästina zurückzukehren. Die Vereinten Nationen bestätigten in wiederholten Resolutionen diesen fairen Standpunkt. Die Weigerung Israels führte zu einem vollständigen Impasse. Die Hälfte der Palästinenser wurde zu Flüchtlingen. Unsicherheit für alle Bewohner war die unmittelbare Folge. Bleiben die UN-Bedingungen unerfüllt, wäre der Ausschluss Israels aus den Vereinten Nationen völkerrechtlich völlig begründet und ein berechtigtes Anliegen für die Weltöffentlichkeit.

Solange die Abnormität der israelischen Besatzung weiter besteht, wird es keinen Friedensprozess im Nahen Osten geben. Die gleiche Situation, die gleichen Probleme verlangen heute eine entscheidende Lösung. Der neue israelische Ministerpräsident Netanjahu ist nicht nur als militärischer Hardliner bekannt, sondern auch als politischer Gegner eines jeden Friedensprozesses im Nahen Osten. Deshalb ist das Misstrauen der Palästinenser völlig begründet und ihre Entscheidung, keine Verhandlungen mit Israel aufzunehmen, solange nicht der israelische Siedlungsbau in den besetzten Gebiete gestoppt sei. Was bringen Verhandlungen, wenn es keine glaubwürdige Basis dafür gibt? Die Palästinenser haben die Obama-Administration aufgefordert, weiter Druck auf Israel auszuüben und die Palästinensische Autonomiebehörde zu stärken. Darüber hinaus wird auch eine Einigung mit Hamas gesucht. Keineswegs wollen sie auf angebliche Zugeständnisse oder faule „Kompromisse“ aus Tel-Aviv eingehen. Der Fatah-Parteitag hat auch beschlossen, einen „strategischen Dialog“ mit Iran zu starten (Meldung vom 13.8.09). Gestern wurde auch der palästinensische Entschluss offiziell bekannt gegeben, einen eigenen Staat auszurufen (Herald Tribune 26.8.09).

Netanjahus Show in London ist ein großer Bluff, nachdem er von dem US-Sonderbeauftragter George Mitchell nach London für ein dortiges Treffen (25./26.8.09) einbestellt wurde. Schon 1998 schien es nur eine Frage der Zeit, bis der Staat Palästina ausgerufen werden könnte. Auf Drängen des Westens hin verzichtete Jassir Arafat damals immer wieder auf die sofortige Gründung seines Staates, um es vielleicht doch in Frieden geschehen zu lassen. Heute ist die Zeit reif genug dafür. Die Selbstbestimmung der Palästinenser muss sich endlich ausdrücken können, indem sie den Staat Palästina gründen. Sie brauchen keine Fremdbestimmung oder externe Zustimmung dazu. Dadurch wird sich der alte danieder liegende Friedensprozess wieder beleben müssen und die schwierigsten und heikelsten Fragen werden auf der Tagesordnung erscheinen, nämlich die Räumung von illegalen Siedlungen, die Vereinbarung legaler völkerrechtlicher Grenzen für den Staat Israels, die Verschrottung sämtlicher Atomwaffen und anderer Massenvernichtungswaffen der Region, über die Israel allein verfügt. Dann und nur dann kann Israel seine Anerkennung von den arabischen Staaten erwarten. In jedem anderen Fall müssen Sanktionen gegen Israel bis hin zu seinem Ausschluss aus den Vereinten Nationen die Handlungsoptionen sein.

Luz María De Stéfano de Lenkait