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Predigttext 15.01.2017 Pfr. i.R. Günter Teichgraeber

„….und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern erlassen…

(Predigt zur fünften Vaterunser-Bitte, gehalten von Günter Teichgraeber in der Auferstehungsgemeinde, am 15.1.17, im Blick auf die Ausstellung von „erlassjahr.de“ von 18.1. bis 15.2.17 im Rathausfoyer)


Gott spricht: ich schenke euch ein neues Herz…. Mit dieser Losung haben wir in unseren Kirchen das Jahr 2017 begonnen. Wer in einer Schuldenfalle sitzt, möchte gerne antworten: Schenk mir doch bitte ein schuldenfreies Konto dazu. Schwarze statt roter Zahlen in meinen Bilanzen.

Das tu ich nicht, antwortet Gott, aber ich will dafür sorgen, dass du Menschen um dich herum findest, die mit dir zusammen beraten, was zu tun ist.

Bist du z.B. ein Jugendlicher? Viele von ihnen, hört man, verschulden sich durch einen Handyvertrag, durch das Herunterladen von Spielen, oder weil es so einfach ist, ohne Bargeld zu bezahlen. Dann hast du hoffentlich eine Familie, die das offen mit dir durchspricht und für dich einsteht.

Bist du als Heidenheimer Bürger/in zahlungsunfähig geworden, weil du über deine Verhältnisse gelebt und dir für deine Einkäufe leichtfertig Kredite hast geben lassen, die du nun nicht bedienen kannst? Dann trau dich schließlich und geh in die Diakonische Bezirksstelle zur Schuldnerberatung. Dort gibt es kompetente Leute, die mit dir überlegen, wie man dich heraushauen kann. Im Notfall ziehen sie mit dir ein privates Insolvenzverfahren durch. Du kontrollierst deine Ausgaben. Nach ein paar Jahren verzichten Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen.

Was sagt aber Gott, wenn der Schuldner ein ganzes Land ist, ein großer Staat wie die BRD, sie hat im Lauf der Zeit Gesamtschulden in Höhe von 1,3 Billionen Euro aufgehäuft. Im Predigtvorgespräch haben wir überschlagen, dass auf jeden Bundesbürger, vom Säugling angefangen, davon knapp 20 000 Euro entfallen, so viel wie die Heidenheimer Diakonie in diesem Jahr von der Landeskirche für einen neuen Fonds bekommen hat, für alle. Sollte Herr Schäuble wegen der Billion einmal schlecht schlafen, sagt Gott zu ihm: Sei ruhig, Wolfgang, du hörst doch, wie die Wirtschaft brummt, und im vergangenen Jahr hat dein Finanzministerium sogar einen Überschuss zu verzeichnen gehabt.

Aber was ist schließlich, wenn der Klient oder Patient eines der hoch verschuldeten Länder im Süden unserer Erde ist? Ein afrikanisches Land beispielsweise, wo keine Industrie boomt, wo sie oft nur Rohstoffe haben, für die ihnen auf dem Weltmarkt zu wenig bezahlt wird, wo nicht einmal die Landwirtschaft genug einbringt, weil reiche Länder des Nordens ihre Produkte subventioniert auf den Markt werfen? Wie sollen die aus der Schuldenfalle heraus kommen? Was antwortet Gott denen?

ICH habe neue Herzen zu verschenken… Wenn aber die, die welche kriegen sollten, sie nicht nehmen, weil sie unsichtbar sind? Dann, sagt Gott, müsst ihr sie sichtbar und hörbar machen.

Gründet international eine Initiative und nennt sie Erlassjahr und fordert mit ihr „Entwicklung braucht Entschuldung“.

Nun, diese Initiative des Herzens gibt es, sie kam bereits in Gang, als die Jahrtausendwende bevorstand, Jubilee 2000. Manche erinnern sich vielleicht an den Stuttgarter Kirchentag 99, als wir auf dem Schlossplatz in großen Scharen für den Schuldenerlass demonstrierten. Den gab es dann in Köln und anderswo auf Beschluss der Reichen tatsächlich für viele hoch verschuldete Länder, mit Berufung auf den großen Schuldenerlass im 50. Jahr, nach der Bibel im 3.Buch Mose, Kap. 25.

Jesus hat darauf zurückgegriffen in seiner Predigt in Nazareth nach Lukas und hat gesprochen vom „Gnadenjahr des Herrn“ (Lk 4,18f).

In der Bergpredigt nach Matthäus hat Jesus das Herzstück ausgestattet mit einer Bitte, die auf die ums tägliche Brot folgt, wörtlich: und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern erlassen…

Ein Vorbild dafür fand Jesus in der menschenfreundlichen Regel bei Mose, dass Schulden, nicht erst im 50. Jahr, sondern nach dem 5.Buch Mose jeweils im 7.Jahr erlassen werden sollten (5M 15).

Und Jesus erzählt dazu das Gleichnis, in Matthäus 18 (V.23-35) von einem König, der das Beispiel gibt, wenn er einem Schuldner eine riesige Summe erlässt, bloß weil der ihn kniefällig darum anfleht. Er erwartet, dass der einem kleinen Schuldner gegenüber ähnlich großzügig verfährt. Er tut es leider nicht.

Wann hat man uns je Großschulden in einem solchen Staatsformat erlassen, könnten wir fragen. Darauf müsste uns Gott durch unsere Geschichtslehrer daran erinnern, dass dies tatsächlich einmal geschehen ist. Die Ausstellung im Rathaus wird uns pädagogisch geschickt darauf aufmerksam machen. Bei der Londoner Schuldenkonferenz 1953 haben viele Gläubigerländer beschlossen, Westdeutschland nach dem Krieg die Schulden um rund 50 % zu kürzen. Vor allem wurde bestimmt, dass Deutschland seine Schulden nur aus den laufenden Exporteinahmen begleichen sollte. Man hatte aus den Fehlern der Siegermächte nach dem ersten Weltkrieg gelernt. Diesmal machte man es klüger und hatte damit Erfolg.

Erlass uns unsere Schulden… Könntet ihr, spricht Gott zu den Gläubigerländern von heute, nicht auch ernsthaft daran gehen, die Bedingungen für die ärmsten Länder des Südens nach diesem Vorbild zu gestalten? Und nach dem Vorbild des privaten Insolvenzrechts. Oder auch nach dem Vorbild von Ökocredit für die kleinen Leute… Ihr Verantwortlichen der sogen. G 20, deren Finanzminister sich im Frühjahr in Baden-Baden, deren Regierungschefs sich im Juli in Hamburg treffen werden - schaut in den Spiegel der sogen. Debt 20, d.h. von 20 beispielhaften Schuldner – Ländern!

Und ihr alten und jungen hier in Heidenheim, schaut in den Spiegel, den Erlassjahr - de euch mit seiner Ausstellung vorhält. Nehmt euch das eine oder das andere Beispiel vor und studiert es, davon wird das Herz klug.

Als Beispiel greife ich zum Schluss das riesige zentralafrikanische Land Kongo, Zaire, heraus. Warum? Weil in den Bergwerken dieses Landes an vielen Stellen ein kostbares Metall abgebaut wird, genannt Tantal, das neuerdings in sehr großen Mengen gebraucht wird – in unseren vielen elektronischen Geräten, den i-phones, Laptops, Handys. Sie spielen in den Taschen und Fingern schon von unseren Jugendlichen eine zunehmend große Rolle, eine hoffentlich schuldenfreie Rolle.

Könnte der Kongo, in dem ein großer Teil des Koltan- und Tantal - Weltaufkommens gewonnen wird, nicht ein wohlhabendes zufriedenes Land sein? In Wirklichkeit ist es ein hoch verschuldetes Land. Die Entwicklungshilfe diente dort weithin nur dazu, korrupte Machthaber zu stützen. In der Ausstellung heißen diese Schulden darum illegitime Schulden, oder gar verabscheuungswürdige Schulden; man ist nicht berechtigt, sie bezahlt zu bekommen. Die Minenarbeiter dort schuften zumeist unter gesundheitsschädlichen Bedingungen. Kinder und Jugendliche werden ausgebeutet. Riesige Wälder werden abgeholzt. Vor allem zerreißt der Bürgerkrieg um den Besitz der ressourcenträchtigen Reviere immer wieder das Land.

Das Schrecken und Wüten der höllischen Macht, von dem wir am Anfang gesungen haben (EG 444), davon müssten womöglich dies eleganten, smarten Geräte in unseren Taschen viel erzählen, wenn sie sprechen könnten. Ausgerechnet sie, die so klug sind, dass sie, richtig befragt, aus dem Internet Auskunft geben auf alle beliebigen Fragen.

Zum Beispiel möchte ich den Konfirmanden vorschlagen: Besprecht einmal mit euren Pfarrern, was der Name dieses wertvollen Metalls Tantal in euren Handys eigentlich bedeutet. Das Element 73 mit dem Namen Tantal – wer war Tantalos in der griechischen Götter- und Heldensage? Es war ein König, der von den Göttern in der Unterwelt bestraft wurde mit Hunger und Durst, den er nicht stillen konnte, obwohl die schönsten Früchte in seiner Nähe aufgehängt waren.

Können die großen Schuldner der Welt von ihren Tantalosqualen erlöst werden, in Griechenland oder im Kongo und wo immer sie wohnen? Müssen sie durch sogen. Finanzspritzen immer wieder in steigendem Maße zahlungspflichtig gemacht werden gegenüber den Banken, statt dass sie instand gesetzt werden, auf eigenen Füßen zu stehen und zu gehen?

Ein rechtzeitiger Schuldenerlass und vor allem neue Handelsbedingungen könnten den Teufelskreis der Tantalosqualen endlich wirksam durchbrechen. „Erlassjahr“ setzt sich, auch mit Hilfe der Kirchen, dafür ein.

Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern ihre Schulden erlassen…