Menü

16. Mai 2014 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die kuriose Rolle des alten deutschen Top-Diplomaten Wolfgang Ischinger bei der ersten Sitzung des sog. Runden Tisches in Kiew und sein plötzliches Verschwinden von der Bildfläche wie der gesamte Ukraine-Konflikt geben Anlass zu folgender Stellungnahme zu

ZDF-Heute 14.5.2014 um 19 Uhr und
ARD-Tagesschau 14.5.2014 um 20 Uhr,

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 14.5.2014:
Titelseite: "Kiew duldet Separatisten nicht am runden Tisch" und

SZ vom 15.5.2014:
Kommentar "Ukraine - Sisyphos im Auswärtigen Amt" von Stefan Braun
und "Der mächtigste Mann des Ostens" von Cathrin Kahlweit

Westliche Regierungen Feinde der Zivilisation,
denn sie stiften zum Bürgerkrieg an
und sabotieren jede friedliche Initiative, jeden Dialog

Sowohl Russlands Präsident Wladimir Putin als auch Vertreter der Kiew-Regierung waren einverstanden, einen "Runden Tisch zur nationalen Einheit" einzurichten, um die innenpolitische Krise zu überwinden. Russlands Vize-Außenminister Grigirj Karassin forderte Kiew derweil zu sofortigen Verhandlungen mit den Separatisten auf.

Regierungschef Arsenij Jazenjuk sowie der deutsche Diplomat Wolfgang Ischinger als Vertreter der OSZE wurden zu den Beratungen im ukrainischen Parlament erwartet. Aber dort gab es keine Gesprächspartner am 14.5.2014. Keine Vertretung der Bevölkerung, die sich in der Ost-Ukraine auf den Gebieten von Lugansk und Donezk gegen die Machthaber in Kiew am 11.5.2014 für ihre Unabhängigkeit manifestiert hatte. Der Regierungschef Arsenij Jazenjuk weigert sich, mit seinen Gegnern zu sprechen, aber gleichzeitig offenbart er seine eigene totale Inkompetenz, die Lage zu meistern, indem er öffentlich seine Regierungskompetenz aufgibt und erklärte, der Schlüssel für eine Lösung liege bei Russland, das heißt beim Kreml und nicht bei ihm, wie es bei einem funktionierenden Regierungsoberhaupt in einem funktionierenden Staat sein sollte. Damit gibt er seine Regierungskompetenz auf und überträgt sie an Moskau. Daraus folgt, wenn die Ost-Ukraine den Beitritt in die Russische Föderation erbittet und der Kreml einem solchen Beitrittsgesuch stattgibt, müsste der Regierungschef Arsenij Jazenjuk in Kiew bereit sein, das mit allen Folgen zu akzeptieren, weil nach seinen eigenen Worten und Überzeugung die Lösung bei Russland liegt und nicht bei ihm oder bei der Regierung in Kiew.

Eigentlich haben sich schon beide Regionen der Städte Donezk und Lugansk, die sich als unabhängig erklärten, für den Beitritt zur Russischen Föderation ausgesprochen. Es fehlt nur das offizielle Beitrittsgesuch. Sie sollten es so schnell wie möglich stellen, um Klarheit und eine Beruhigung der Lage zu schaffen. Auf russischem Territorium müssen sich dann die ukrainischen Militärkräfte zurückziehen. Das ist die pragmatische Lösung eines von der USA/EU provozierten Konfliktes, den die Regierung in Kiew nicht lösen kann oder nicht lösen will. Schon jetzt haben die Bewohner in Ostukraine die Kiew-Regierung gefordert, ihre Militärkräfte zurückzuziehen.

"Die beiden Republiken haben am Montag 12.5.2014 nach den erfolgreichen Referenden ihre Souveränität erklärt. Die Volksrepublik Donezk erlaubte sich den Spaß, als "Sanktion" Einreiseverbote gegen Barack Obama, Angela Merkel und die EU-Außenbeauftragte Lady Catherine Ashton zu verhängen."
(Aus dem Artikel "Dialog ohne Teilnehmer" von Reinhard Lauterbach, Junge Welt vom 14.5.2014)

Oppositionelle als Separatisten und sogar als Terroristen zu beschimpfen, führt zu keiner De-Eskalation, sondern im Gegenteil, eskaliert die schon angespannte Lage. Unter solchen Umständen sind Wahlen eine illusorische Vorstellung, die nicht realisierbar ist. Viel wichtiger ist jetzt, das Ergebnis des Referendums mit Pragmatismus anzuerkennen und darauf zu achten, dass sich eine überwältigende Mehrheit in der Ostukraine gegen die Kiew-Regierung stellt. Ihre Unabhängigkeit wäre zu bestätigen. Bezeichnenderweise funktioniert nicht der gewünschte und angemeldete Runde Tisch und kann so nicht funktionieren. Die sogenannten "Separatisten" - eigentlich die Bevölkerung der unabhängigen Stadtregionen - wollen keinen Dialog mit einer Regierung, die nur mit sich selbst spricht und keinen Schritt des Entgegenkommens auf sie tut. Ein Tisch war da, ebenso die Stühle, aber der russische Außenminister und Repräsentanten der ostukrainischen Opposition glänzten durch Abwesenheit. Man erwartete auch vergeblich auf den mächtigsten Mann des Ostens, den Oligarch Rinat Achmetow, der ebenso an dem geplanten Runden Tisch teilnehmen sollte. Der deutsche Diplomat Wolfgang Ischinger musste sich allein den ganzen Vormittag mit Regierungschef Arsenij Jazenjuk am 14.5.2014 unterhalten. Aber für ein derartiges Zwiegespräch hat sich der ernannte Vermittler Wolfgang Ischinger bestimmt nicht die Mühe gemacht, nach Kiew zu reisen. Er hätte sich öffentlich äußern müssen, um so Druck auf den sturen Regierungschef Arsenij Jazenjuk auszuüben, damit er sich endlich bewegt und die Gegner seiner Regierung zum Dialog zulässt. Angesichts der Lage, dass sich der Regierungschef anscheinend dem Dialog mit den Oppositionellen weiter verschloss, hätte Wolfgang Ischinger sofort nach Deutschland zurückkehren müssen, um nicht weiter an einem sinnlosen unwürdigen Spektakel in diesem Kiewer Zirkus teilzunehmen.

Dass ein erfahrener alter Diplomat dies alles aber nicht tat und nur schwieg, stimmt nachdenklich. Es lässt vermuten, um nicht zu sagen, es ist naheliegend, dass Wolfgang Ischinger einen ganz anderen Auftrag hatte, aber welchen? So wie er sich früher immer positioniert hat, ist er als verlängerter Arm des US-EU-Militär-Industriekomplex einzuschätzen. Er gibt sich sicherlich gerne dazu her, an einem Affront gegen Russland eingespannt zu werden und weitere Provokationen gegenüber Moskau auszuführen. Das erklärt sein Schweigen gegenüber dem Regierungschef der Ukraine. Und das erklärt auch, warum der russische Außenminister Sergej Lawrow nicht dazu kam, und warum der Schweizer OSZE-Präsident Didier Burkhalter die Verhandlungs-Ouvertüre in Kiew dem alten Ischinger allein überließ, wohl wissend dass er da nackt an der Seite des ukrainischen Regierungschefs dastünde. Warum der einflussreiche Milliardär Achmetow auch nicht erschien, ist sonnenklar: Er wollte seinen Einfluss und seine Verantwortung um die Zukunft der Ukraine nicht verspielen. Deshalb blieb er einem dubiosen, nicht repräsentativen Treffen fern. Alle diplomatischen Bemühungen waren damit zum Teufel. Der deutsche Außenminister Walter Steinmeier und vor allem die Kanzlerin Angela Merkel müssen der Realität ins Auge sehen und aus ihr die Konsequenzen ziehen. Sonst kann nicht einmal das Bild von Sisyphos den völligen Gesichtsverlust verdecken. ("Ukraine - Sisyphos im Auswärtigen Amt" von Stefan Braun, SZ, 15.5.2014) Für alle sollte klar sein: Ohne Realitätswahrnehmungsvermögen ist jede Politik zum Scheitern verurteilt.

Wolfgang Ischinger beeilte sich, sofort seinen Auftragsgeber über das Fiasko am Runden Tisch zu informieren. Man sah ihn beim Telefongespräch mit seinem Handy auf der Straße hin und her gehen. Es kam dann zur prompten Inszenierung konstruierter "Gespräche" mit Geistlichen der ukrainischen orthodoxen Kirche und anderen Personen, die mit dem gewünschten internen Dialog gar nichts zu tun hatten und die plötzlich am Tisch erschienen, um die Leere zu vertuschen. Die Inszenierung vor der Presse begann um 15.30 Uhr. (Uhrzeit in Deutschland). Das war bei ZDF-Heute (14.5.2014 um 19 Uhr) und ARD-Tagesschau (14.5.2014 um 20 Uhr) zu sehen. Das Image, nicht die Realität war am wichtigsten für das Bundeskanzleramt. Beide Fernseh-Sendungen brachten das Thema der ukrainischen Präsidentschaftswahlen an erster Stelle, gerade das am stärksten hoch hinaus posaunte Thema für die EU und Deutschland, bei dem Ischinger keinen politischen Erfolg zeigen konnte, denn es gab keine Gespräche mit der betroffenen Bevölkerung darüber. Mit Vertuschung und Realitätsverweigerung kommt keine Regierung weiter. Das ist das hinderliche Sisyphosarbeit-Phänomen im Auswärtigen Amt. Den wahren Misskredit einer verfehlten westlichen Politik zu verschweigen, ist seit der wilhelminischen Epoche Tradition in Deutschland. Kaiser Wilhelm und sein militaristisch-politischer Kreis missachtete so sehr die Diplomatie, dass sie sogar einen Krieg provozierten. Im wahrsten Sinne des Wortes sind solche westlichen Regierungen Feinde der Zivilisation, denn sie stiften zum Bürgerkrieg an und sabotieren jede friedliche Initiative, jeden Dialog. Das Debakel des Runden Tisch ist nicht zu übersehen, ein Scheitern der verirrten deutschen Diplomatie. Solange sich die Kiew-Regierung nicht bewegt, um Oppositionelle zu akzeptieren, gibt es keinen Schritt zum nationalen Dialog, ganz zu schweigen von der gesuchten "nationalen Einheit". Das Land ist gespalten und bleibt gespalten, weil die Machthaber in Kiew es längst gespalten haben.

Handlungen von NATO und EU einerseits und die von Russland andererseits sind nicht in undifferenzierter Weise gleichzusetzen. Aus den zwei gescheiterten Friedenskonferenzen in Genf zu Syrien müssen sowohl Politiker als auch Medien sachlich Schlüsse - nämlich eine Lehre - daraus zu ziehen. Schon der erste UN-Vermittler zu Syrien, der erfahrene ehemalige UNO-Generalsekretär, Kofi Annan, konnte erfolgreich die erste Genfer Friedenskonferenz am 30.6.2012 veranstalten. Daraus erfolgte ein einstimmiger Beschluss unterzeichnet von allen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und der Arabischen Liga. Dem einstimmigen Genfer Beschluss von 30.6.2012 wurde auch vom Präsident Syriens, Baschar Al-Assad, zugestimmt. Aber die USA haben gegen diesen Beschluss, den sie selbst unterzeichnet hatten, verstoßen und immer wieder mit Besessenheit in Syrien ein regime change mit allen Mitteln angestrebt einschließlich Bewaffnung und Finanzierung von Aufständischen. Ihre dreiste Forderung, der syrische Präsident solle zurücktreten und ins Exil gehen, belegt die Unverschämtheit Washingtons, das sich immer noch, ohne nennenswerten Widerstand zu erfahren, über alle internationalen Regeln der Zivilisation über alle Staaten als Diktator der Welt erhebt. Deswegen scheiterten alle Anstrengungen von Kofi Annan und scheiterten auch danach die Anstrengungen von Lakhdar Brahimi, die auf dem Friedensplan von Kofi Annan beruhten. Die zwei Genfer Vereinbarungen zu Syrien (30.6.2012 und 22.1.2014) sind abschreckende Beweise für die US-Sabotage einer gesuchten friedlichen Lösung. Zudem haben sich die USA nicht an die Genfer Vereinbarung zur Ukraine vom 17. April gehalten, sondern haben im Gegenteil die de facto Kiew-Regierung weiter für deren Militäroffensive gegen die Bevölkerung unterstützt.

Eine selbstbestimmte Lösung, wie sie für Syrien zwei Genfer Vereinbarungen vorsehen (die erste vom 30. Juni 2012 und die zweite vom 22. Januar 2013), ist von einigen EU-Regierungen und NATO-Kreisen bisher gerade nicht erwünscht worden. Dasselbe trifft für die Vereinbarungen zur Beilegung der Gewalt in der Ukraine zu, sowohl für das Abkommen vom 23. Februar als für die Genfer-Vereinbarung vom 17. April 2014. Deswegen war der Vorschlag vom deutschen Außenminister Walter Steinmeier, eine Neuauflage der Genfer-Konferenz, eine Art Genf II zur Beilegung der Ukraine-Krise, völlig unrealistisch und wurde fallengelassen. Heute weiß die Öffentlichkeit, was eine Abmachung mit den US-Amerikanern wert ist. EU-NATO-Staaten sind in ein unentschuldbares Verbrechen geraten, seitdem sie an Komplizenschaft mit Gewalt und Terror, an Mord und Massaker festhalten oder solches sogar anstiften und finanzieren und den Weg zu Frieden und Stabilität für die syrische und die ukrainische Gesellschaft blockieren.

Die USA wollen keinen Frieden, und solange sie vom friedlichen Prozess nicht ausgeschlossen sind, ist jeder friedliche Prozess zum Scheitern verurteilt. Das muss das deutsche Bundeskanzleramt und das Auswärtige Amt endlich klar haben, um aus der US-Kriegsfalle heraus zu kommen. Tomas Avenarius sieht die Spaltung im UN-Sicherheitsrat richtig, aber er verzichtet, die zwei Lager zu nennen und sie sachlich, nicht propagandistisch, zu differenzieren. Der UN-Sicherheitsrat ist in der Tat schon lange in zwei Lager gespalten, einerseits Russland, China, die BRICS- und Blockfreien Staaten, also die überwältigende Mehrheit der Weltstaatengemeinschaft, die den Frieden wollen und sich an die UN-Vorschriften halten und andererseits die westlichen aggressiven Mächte, die USA, Großbritannien und Frankreich, die sich in einen Krieg nach dem anderen stürzen und den Völkern keine Chance auf Frieden geben. Russland hat die aggressive Absicht dieser westlichen Mächte nach dem Libyen-Überfall endgültig erkannt und seitdem deswegen alle weiteren mörderischen Versuche seitens dieser Länder mit seinem Veto zusammen mit China im UN-Sicherheitsrat verhindert. Die Welt ist ihnen dankbar dafür. Das Veto ist gerade dazu in der UN-Charta institutionalisiert, um jede Aggression zu blockieren, d.h. jeder Verstoß gegen den Zweck und das Leit-Motiv der Vereinten Nationen, den Frieden zu wahren, muss mit Veto nichtig gemacht werden.

Die UN-Charta verbietet die Gewaltanwendung und die Drohung mit Gewalt und signalisiert das friedliche Instrumentarium, also den Dialog, um Konflikte zu lösen. Es handelt sich dann um eine vorgeschriebene Pflicht für alle Staaten gemäß der Charta der Vereinten Nationen, vor allem, was den Frieden angeht, den Dialog zu fördern, Dialog zwischen den betroffenen Parteien, Regierung und Opposition. Dieser Dialog muss innerhalb der Ukraine stattfinden, nämlich als nationaler Dialog mit allen ukrainischen politischen Kräften. Das Kiew Regime hat kein Recht Oppositionelle auszuschließen und so einen Monolog zu betreiben, der zu nichts führt.

Die überwältigende Mehrheit der Völker ist auf der Seite des Friedens und des Rechts. Die USA als alleiniger Urheber von Krieg und Destabilisierung machen Gebrauch von Kriegspropaganda gegen Russland, um sich in falscher Schuldzuweisung zu verstecken.

"Wer auch in der staatlichen Propaganda bis an die Grenze des Krieges geht, schlägt sich faktisch auf die Seite der Mörder. Das tun Bundesregierung und die ihr angeschlossenen Medien mit klarem Kalkül."
(Arnold Schölzel "Vor Schlusspunkt", JW, 14.5.2014)

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait