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4. Mail 2014 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Der plötzliche Besuch der Bundeskanzlerin beim US-Präsidenten und die Lage in der Ukraine geben Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 3.5.2014:
Kommentare "Merkel und Obama in Ohnmacht vereint",
"Ukraine - Ein Land zerfällt" von Cathrin Kahlweit,
"Snowden - Warum Angela Merkel unglücklich ist" von Heribert Prantl,
Artikel "In Auflösung" von Florian Hassel

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 4.5.2014:
Titel-Story "Rasmussen: Nato muss sich rüsten"

Verhängnisvolle Koppelung USA/EU beenden

Die völlig verfahrene Situation in der Ukraine hat ihren Ursprung in der verfehlten EU-Politik, die mit Faschisten von Anfang an kollaboriert hat und sich nicht von ihnen zu distanzieren wusste, nicht einmal nach dem gewaltsamen Umsturz des legitimen Präsidenten, mit dem drei europäische Außenminister ein Abkommen unterzeichnet hatten (21.2.2014). So weit mit der heuchlerischen Forderung in der Süddeutschen Zeitung, "dem Recht sollte Vorrang vor der Stärke gegeben werden." Für die ständige Demontage des Rechtes hat sich die EU - gekoppelt an die NATO - seit 1991 schuldig gemacht, und zwar seit dem ersten Golf-Krieg 1991 und danach folgenden Aggressionen. Institutionen, Verfassung und Gesetze waren für diese Größenwahn-Außenpolitik à la Kaiser Wilhelm keine Barriere. Heribert Prantl trifft den Nagel auf den Kopf ("Snowden - Warum Angela Merkel unglücklich ist", SZ, 3.5.2014), als er die Rechtslosigkeit, ja, den Rechtsnihilismus der Bundesregierung anprangert, was Deutschland und Europa in absolutistische finstere Verhältnisse zurückdrängt.

Das ist drei hundert Jahre her, aber solches Denken hat sich offenbar, Rechtsstaat und Demokratie zum Trotz, gehalten - und es lebt fort in regierungsamtlichen Schriftstücken... Die Bundesregierung will partout nicht, dass Snowden in Deutschland vernommen wird, weil sie Schwierigkeiten mit den erbosten Amerikanern fürchtet. Diesen Unwillen, diese Unlust, die Furchtsamkeit verkleidet die Bundesregierung mit dem Begriff "Staatswohl". ... (So) verschleiert man auf Deutsch. Widerspricht es wirklich dem deutschen Staatswohl, dem US-Präsidenten Obama deutlich zu machen, warum die umfassenden Abhör- und Lauschaktionen des US-Geheimdienstes völlig intolerabel sind...? Widerspricht es dem deutschen Staatswohl, auf die deutsche Rechtslage und auf die Aufklärungspflicht der zuständigen deutschen Behörden und Institutionen hinzuweisen? Politik besteht darin, Schwierigkeiten zu meistern, nicht darin, ihnen aus dem Weg zu gehen, (sie unter den Teppich zu kehren). Merkel geht ihnen aus dem Weg - auf Kosten der Aufklärung eines Dauerangriffs auf die Grundrechte und auf Kosten des Schutzes dieser Grundrechte. ... Die Arbeit des deutschen Geheimdienstes ist kein Selbstzweck: Sie dient dem Schutz der deutschen Verfassung und der dort geschriebenen Grundrechte und Prinzipien. Diese Grundrechte und Prinzipien sind die Essenz des Staatswohls. Angela Merkel gehört nicht zu den Glücklichen, die nach dem römischen Dichter Ovid auch wagen, das, was sie lieben, auch mit Mut zu beschützen.
(Aus dem Kommentar: "Snowden - Warum Angela Merkel unglücklich ist" von Heribert Prantl, SZ, 3.5.2014)

Mit der Missachtung der Verfassung ging auch die Prämisse des Rechts und der Politik unter. Erstes Opfer der medial orchestrierten perfiden Kampagne, die gerade 1991 die militaristische Demontage des Rechtes begleitete, war die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die sich entschlossen gegen den Krieg und für das Primat der Politik engagierte. Seit 1991 übernehmen Militärs immer wieder diplomatische Aufgaben in Absprache mit dem Auswärtigen Amt. So sehr hat sich das Auswärtige Amt degradiert und aufgegeben und mit ihm die Außenpolitik Deutschlands!

Die Reise von Angela Merkel nach Washington (1./2.5.2014) hat lediglich dem transatlantischen Freihandel gedient. Stundenlange Gespräche mit dem US-Präsidenten Obama über die Ukraine bringen nichts, wenn "Partner" keine Partner sein können gegenüber einer völlig verfahrenen Lage in einem Land, wo es gegenwärtig keinen Staat, keine Autorität gibt. Die Uneinigkeit zwischen der Obama- und Merkel-Regierung ist diesbezüglich offensichtlich, selbst wenn die Bundeskanzlerin dem US-Präsidenten nicht öffentlich widersprechen wollte und undiplomatisch vernachlässigte, in der deutschen Botschaft in Washington vor der amerikanischen und internationalen Presse oder schon vor dem Antritt ihrer Reise in Berlin eine deutsche Position klarzustellen. Ihre Erklärung, in der sie die US-Politik nachahmt und mit Sanktionen gegen Russland droht, ist höchst bedauerlich, ja richtiggehend peinlich. Sie verstößt gegen das wirtschaftliche Interesse Deutschlands, wie große deutsche Unternehmen schon klargestellt haben. Die deutsche Industrie wird sich gezwungen sehen, sich noch stärker einzuschalten, um die Bundeskanzlerin auf Linie zu bringen. Auch im Interesse ganz Europas und im Interesse des Weltfriedens. Die Kanzlerin scheint, die Konnotationen ihrer verfehlten Außenpolitik nicht bemerkt zu haben. Sich in US-amerikanischen Verhältnissen weiter befangen und paralysiert zu geben, führt zum Untergang Deutschlands und Europas im wahrsten Sinne des Wortes.

Dass Snowden --- "in einem demokratischen Rechtsstaat wie der Bundesrepublik besser aufgehoben wäre als in Moskau" ist angesichts der deutschen Verhältnisse fragwürdig, weil Deutschland sich nicht als demokratischer Rechtsstaat verhält. Im Gegenteil, Berlin ordnet sich dem fremden Kommando der USA unter und gibt damit den eigenen Rechtsstaat auf. Unter diesen Umständen darf die Opposition nicht länger auf eine Vernehmung von Snowden in Deutschland bestehen, einfach deshalb, weil hierzulande keine Rechtssicherheit für Snowden zu garantieren ist. Keine Partei sollte die Zumutung wagen, aus rein politischen Gründen das Leben einer Person in Gefahr zu bringen. Am besten bleibt Snowden in Moskau, wo seine persönliche Sicherheit absolut garantiert ist. Nicht in Deutschland, wo die Institutionen des Rechtsstaates nicht so funktionieren, wie sie funktionieren sollten.

Stefan Kornelius wiederholt die propagandistische Masche, von "Annexion der Krim" zu schreiben. Er zeigt sich so absolut ignorant, was Annexion heißt, nämlich ein Landraub, eine gewaltsame Landnahme. Die hat es bei der Krim nicht gegeben: Weder Landraub noch gewaltsame Übernahme. Der Krim-Anschluss an Russland ist Konsequenz eines Referendums (16.3.2014), aufgrund dessen ein Antrag an Moskau gerichtet wurde, den der Kreml eine Woche später akzeptierte. Der Anschluss der Krim war nicht völkerrechtswidrig, denn er war keine räuberische Landnahme. Der Anschluss an Russland fand in voller Übereinstimmung mit der Krim-Bevölkerung statt, keineswegs gewaltsam oder feindlich. Kornelius bedient sich der faschistischen Propaganda-Sprache und verirrt sich so in Desinformation und falscher Darstellung. In den Medien Deutschlands und anderswo in Europa wird in dieser Hinsicht absichtlich generell betrogen und gelogen. Angesichts der Ernsthaftigkeit der bedrohlichen Situation in Europa, ist der Presserat gefragt, ob Lügen und Desinformation von der Pressefreiheit geschützt sind. Oder bilden sie eher einen Delikt, der zur Einschaltung eines Straftribunals gegen den Lügner berechtigt?

Ebenso erfolgt Desinformation und falsche Wortwahl in der ARD-Tagesschau am 3.5.2014 um 20 Uhr. als dort von "Geiselnahme" und "OSZE-Beobachter" gesprochen wurde in Bezug auf deutsche Offiziere, die sich unter der Führung der Bundeswehr in eine als Tourismus getarnte Operation im Auftrag der ukrainischen Streitkräfte verwickelt haben. Dass Spione festgenommen werden, falls sie entdeckt sind, ist ein normaler Vorgang, mit dem alle Spione zu rechnen haben, vor allem Militär-Beobachter, die nicht zur OSZE gehören und deshalb keine Berechtigung hatten, um in der Ukraine irgendwas zu "beobachten". Jetzt kommen sie frei zurück nach Deutschland. Die Verteidigungsminister Ursula von der Leyen fand Worte von Anerkennung (3.5.2014) für den Vertreter des russischen Präsidenten, V. Lukin, der sich für die Freilassung der gefangenen Offizieren in Kiew einschaltete.

Natürlich ist die gesamte Militär-Spionage-Affaire eine Blamage für die Bundesregierung, aber die Öffentlichkeit hat das Recht, vollständig informiert zu werden, ohne jede Vertuschung, auch wenn die Wahrheit zu Lasten der gegenwärtigen CDU-SPD-Regierung geht und ihre Dummheit und Torheit bloßstellt. Die Informationspolitik ist extrem defizitär. Nicht einmal über die Einschaltung des UN-Sicherheitsrat in New York hat das öffentlich-rechtliche deutsche Fernsehen berichtet. Just aufgrund der Militär-Spionage-Operation und groben Einmischung in der Ukraine mit blutigen und tödlichen Folgen hat Russland den UN-Sicherheitsrat eingeschaltet, aber darüber schweigen deutsche Medien. Bei der Entsendung von Militärbeobachtern aus OSZE-Mitgliedsländern nach Slawjansk handelt es sich laut dem russischen UN-Botschafter Vitali Tschurkin vermutlich um eine Provokation von Seiten der Behörden in Kiew.

„Dies war entweder eine Provokation der Kiewer Behörden oder eine Dummheit“, sagte Tschurkin am Dienstag (27.4.) in einer Sitzung des Weltsicherheitsrates zur Ukraine in New York. „Die Behörden in Kiew hatten sie eingeladen und tragen deshalb die Verantwortung für ihre Sicherheit“, betonte der russische Diplomat. „Wie war es denn überhaupt möglich, Gäste mit einem Bus in ein Gebiet fahren zu lassen, welches von Selbstverteidigungskräften kontrolliert wird, ohne dies vorher entsprechend abgestimmt und sie mit Ausweispapieren zu ihrem Status versorgt zu haben?“

Das Regime in Kiew treibt laut Tschurkin das Land in eine Katastrophe.(Ria Novosti, 30.4.2014) Das Kiewer Regierung, die bereits die Vereinbarung vom 21. Februar gebrochen hatte, hat schon jetzt das Genfer-Abkommen vom 17.4.2014 gebrochen, welches als vordringlichsten Schritt einen Stopp der Gewalt forderte. Unter der gegenwärtigen Umständen sind Wahlen völlig unvorstellbar. Sollten Obama und Merkel darauf pochen, geben diese beiden Staatschefs ein armseliges Bild, indem sie vor aller Welt zeigen, dass sie jeden Bezug zur Realität vollkommen verloren haben.

Immerhin führen der Anschluss der Krim an Russland und die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Regionen der Ukraine sich der Russischen Föderation anschließen "nicht zur transatlantischen Solidarisierung gegen einen neuen Feind, wie das im Kalten Krieg der Fall war." Das sieht Kornelius richtig. Deutschland, Europa möchte nicht wieder in Feindschaften verfallen, am wenigsten unter Manipulation und Regie der USA, die ihre eigenen unsagbaren Ziele gegen Europa skrupellos verfolgen.

Kornelius treffend: "Anders als in Mitteleuropa oder im Baltikum hat das in Deutschland noch nicht zu einer Renaissance der Beziehung zu den USA geführt." Die Staatenordnung muss selbstverständlich in Europa anders, neu aussehen. Die Herrschaft des Rechts muss ein für alle Male auf die politische Tagesordnung und wiederhergestellt werden, um die neue Staatenordnung ohne Einmischung und Destabilisierung vom Ausland zu regeln und zu schützen. In den Medien muss man sich über vergangene Fehler Rechenschaft ablegen. Das muss mit der Entgleisung Europas beginnen, und zwar mit den wiederholten Rechtsbrüchen, die die USA-EU-Außenpolitik seit 1991 kennzeichnen. Diese verhängnisvolle Koppelung USA/EU ist zu beenden, sollte Europa einmal eine eigenständige vernünftige Außenpolitik gemäß des Völkerrechts erdenken und betreiben können.

Als militaristische Struktur und Prozess ist die EU nicht mehr zu retten. Sie muss radikal verändert werden. Ein imperialistischer politisch-militärischer Block zu sein, im Bündnis mit den USA, ist zum Verhängnis geworden. Alle Krisen, die die Welt noch schmerzlich erlebt, gehen auf die unzulässigen Einmischungen und Aggressionen dieses militärischen Blocks zurück. Am Rand des internationalen Rechts ist die EU auf illegalem Terrain völlig entgleist. Diese wahnsinnige Politik bereitet den Weg für reaktionäre Nationalismen, für einen Wiederanstieg der rechtsextremen und faschistischen Kräfte. Der NATO untergeordnet, fördert der EU-Kriegswahnsinn Militarismus, Rüstungswettlauf und zeichnet sich durch eine neokolonialistische Einstellung zum Rest der Welt aus, vor allem im Nahen Osten und in Afrika. Die EU-Einsatztruppen, eingebettet in NATO-Truppen, unter der verlogenen Doktrin Responsibility to Protect (Schutz-Verantwortung) sind in mehreren Teilen der Welt stationiert und leisten unter US-Aufsicht direkt oder indirekt militärische „Hilfe“ gegen Länder, die ein anderes Gesellschaftssystem als die westliche „Wertegemeinschaft“ vertreten.

Was bleibt also von der sogenannten “friedenserhaltenden Rolle“ der EU übrig?

Die Militarisierung der internationalen Beziehungen ist abzulehnen und zu beenden, denn sie ist ein Irrweg. Die EU muss entmilitarisiert werden. Dazu muss der Vertrag von Lissabon außer Kraft gesetzt werden. Das ist die Voraussetzung einer neuen Organisation Europas nach dem Willen der europäischen Bevölkerung.

Als Steigbügelhalter der USA verfolgt die EU innerhalb der NATO eine gegen die eigene Bevölkerung gerichtete Kriegspolitik. Einen erneuten öffentliche Beweis dafür liefert die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) vom 4.5.2014 mit ihrer Titel-Story: "Rasmussen: NATO muss sich rüsten". Dass Europa neben den USA das höchst gerüstete Gebiet der Welt ist, reicht der Rüstungsindustrie und ihren Fürsprechern im Bundestag natürlich nicht: Andreas Schockenhoff (CDU), Dietmar Nietan (SPD), Rainer Arnold (SPD). Diese unverantwortlichen Leute gehören an den Pranger; ihre Unfähigkeit, ihre Fürsprache für mehr NATO-Rüstung (FAS, 4.5.2014) ist extrem gefährlich, ja irre. So werden Kriege vorbereitet. Wollen CDU und SPD fahrlässig in einen 3. Weltkrieg schlittern? Dieses mörderische geopolitische Spiel, das aus Finanzieren, Ausbildung und Bewaffnung von Rebellen, Überfällen und Bomben-Aggression besteht, ist zu beenden. Die gesamte europäische Bevölkerung hat dieses Hasardeur-Gangster-Spiel satt.

Der aktuelle Zerfall der Ukraine macht keine Pause mehr. Die Macht der de-facto-Kiewer-Regierung zerbröselt in atemberaubendem Tempo. Viele Polizisten fühlen sich "von Kiew verraten."

"Warum sollte ich für die Bande in Kiew meinen Kopf hinhalten? Viele meiner Kollegen sind wie ich dafür, dass wir schnell zu Russland kommen (sollen). In Russland verdienen Polizisten oder Soldaten ein Vielfaches der ukrainischen Gehälter. Hier wird ohnehin bald Russland sein."
So berichtet Florian Hassel ("In Auflösung" , SZ, 3.5.2014).

Und Cathrin Kahlweit:

"Die Regierung in Kiew ist im wahrsten Sinne des Wortes machtlos, sie gibt auf, sie hat keinen Zugang mehr zu den Menschen, keine Autorität, die findet kein Gehör. Das ist eine Katastrophe. Das Szenarium der Ukraine als gescheiterter Staat ist bereits Realität. Der rasante Machtverfall der Staatlichkeit lässt sich nicht mehr stoppen. Er ist zur Gewissheit geworden. Der Mob, der auf pro-ukrainische Demonstranten losgeht (und alle bedroht), wird immer unkontrollierbarer. Wahlen für den 25. Mai in diesem Zustand sind eher unwahrscheinlicher. (Was oder wen soll man in diesem Zusammenhang wählen?) Zuvor soll am 11. Mai ein Referendum über die Unabhängigkeit der Ostukraine entscheiden.
("Ukraine - Ein Land zerfällt", SZ, 3.5.2014)

In diesem Chaos sehnen sich die Leute natürlich nach Ruhe und Ordnung und sehen Russland als Schutz- und Ordnungsmacht an. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philip Mißfelder (CDU) erklärte zutreffend in der Zeitung "Bild" am 2.5.2014:

"Wir werden diese Situation friedlich nur gemeinsam lösen. Das muss allen klar sein... Wir sind nicht mit Russland verfeindet. Wir werden nur gemeinsam weiterkommen oder gar nicht."
("Abgeschrieben", Junge Welt, 3.5.2014).

Jedoch hat die Bundesregierung leider die Chance verpasst, zusammen mit Russland für geordnete Verhältnisse in der Ukraine zu sorgen.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait