Die "kritschen Geister" aus Nienburg
Seit eineinhalb Jahren gibt es auch im hiesigen Landkreis eine Attac-Regionalgruppe / Die Harke stellt sie vor
VON MANON GARMS
LANDKREIS. Von Attac hat jeder schon einmal etwas gehört, gesehen oder gelesen. Schließlich macht das Netzwerk, das sich aus lokalen Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen zusammensetzt, regelmäßig mit öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen und anderen Aktionen auf sich aufmerksam.
Was genau Attac aber ist, das kann sicher nicht jeder aus dem Stegreif erklären. Attac ist die Abkürzung für den französischen Ausdruck „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger/Innen" (Association pour une taxation des transactions financieres pour l'aide aux cioyens). 1998 wurde Attac in Frankreich gegründet, seit 2000 gibt es das Netzwerk in Deutschland und seit Ende Januar 2015 auch im Landkreis Nienburg.
„Wir wollen die kritischen Geister aus Stadt und Landkreis Nienburg zusammenbringen", sagt Wolfgang Kopf, erster Ansprechpartner in der Attac-Regionalgruppe Nienburg. Bei Attac gibt es keinen Vorstand, sondern einen Koordinierungskreis. Kopfs Stellvertreter ist Ralf Selter.
Die Nienburger Regionalgruppe besteht inzwischen aus 160 Mitgliedern. Dazu zählen auch Interessenten, die keinen Mitgliedsbeitrag zahlen. Da Attac sich als politisch unabhängig versteht, können Parteien kein Mitglied werden. „Es arbeiten aber Vertreter der Grünen, der Linken und der SPD bei uns mit und auch Gewerkschaften wie Verdi und GEW", sagt Selter, der selbst SPD-Mitglied ist.
Was aber treibt die Attac- Mitglieder und -Interessenten an? „Wir betrachten uns als Globalisierungskritiker, nicht -gegner, das heißt, wir haben eine bessere Alternative", erklärt Selter. Kopf zitiert die Attac-Parole: „.Eine andere Welt ist möglich, wenn die Reichtumsentwicklung umgedreht wird. Profit regiert die Welt, und es ist unser Job, Alternativen zu entwickeln", betont der Politologe, der Mitglied bei den Linken ist und gemeinsam mit Dr. Beate Kasper die Gründung der Nienburger Attac-Gruppe initiiert hatte.
Wenn es nicht gelingt, Alternativen zu entwickeln und diese auch umzusetzen, dann sieht Selter schwarz: „Unsere Befürchtung ist, dass am Ende alle demokratischen Errungenschaften zerstört werden und die Bürger gar nichts mehr zu sagen haben." Auch die Digitalisierung könne schlimme Folgen haben: „Der Mensch ist nichts mehr wert und nur noch eine Nummer."
Aufgabe der Attac-Regionalgruppen ist es laut Marlis Rempe, die in der Nienburger Gruppe für die Koordination zuständig ist, solche Probleme vor Ort runterzubrechen. „Jede Region muss ihren Beitrag für Alternativen zeigen", so Rempe, die Lehrerin am MDG war. Als Beispiel für Nienburg nennt Selter das Krankenhaus. „Es ist privatisiert worden, und da müsste eine Rekommunalisierung durchgezogen werden." Wichtig sei, die Menschen an der Basis für solche und andere Probleme zu sensibilisieren. Nach den Erfahrungen von Kopf, Rempe und Selter ist Attac für viele Menschen interessant, die etwas bewirken, sich dafür aber nicht parteipolitisch oder gewerkschaftlich binden wollen. Dennoch gibt es natürlich Gemeinsamkeiten jenseits der Partei- und Gewerkschaftszugehörigkeit.
Das äußert sich unter anderem bei Veranstaltungen, zu denen Politiker als Referenten eingeladen werden. So referierte im Mai zum Beispiel die heimische Bundestagsabgeordnete Katja Keul (Grüne) beim ersten öffentlichen Themen-Plenum der Nienburger Attac-Gruppe, das unter dem Motto „TTIP vor Ort" stand. Gemeinsamkeiten gibt es aber auch, wenn irgendwo Demonstrationen zu einem bestimmten Thema stattfinden. Zu diesem Zweck hat sich das Nienburger Demo-Bündnis gebildet, um Fahrten zu den Demos zu koordinieren. Dazu gehören: BUND, Naturfreunde, NABU, Grüne, Linke, DGB, Verdi, Attac und GEW.
Innerhalb der Nienburger Attac-Gruppe gibt es neben dem Koordinierungskreis verschiedene Projekt- und Arbeitsgruppen: Finanzmarkt, Stop TTIP/CETA/TISA, Fracking, Landwirtschaft und Massentierhaltung sowie Frieden. Zudem gibt es regelmäßig das Monatstreffen - das nächste findet am Montag, 29. August, ab 19 Uhr in der Bücherbutze (Lange Straße 51 in Nienburg) statt. „Dazu kann jeder gern vorbeikommen", lädt Kopf alle Interessierten ein.
Weitere Veranstaltungen sind am Donnerstag, 25. August, ein öffentliches Plenum zum Thema Fracking, das um 19.30 Uhr im Meerbachraum im Weserschlößchen beginnt. Im Frühjahr 2017 soll es eine öffentliche Veranstaltung zu Migration und Globalisierung geben.
Weitere Informationen über die Attac-Regionalgruppe Nienburg gibt es im Internet unter der Adresse www.attac- netzwerk.de/nienburg. Auch per Mail ist die Gruppe zu erreichen:
attac-nienburg@web. de.
Die Harke, Nienburger Zeitung, 26.07.2016