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Was versteht man unter Neoliberalismus?

Den Begriff "Neoliberalismus" liest und hört man in politischen Diskussionen mittlerlerweile häufig, das hat zwangsläufig einen Abnutzungseffekt, was die Begriffsschärfe betrifft. Wer nach einer verlässllichen und informativen Begriffsbeschreibung sucht, wird Brauchbares im Netz finden. Mit zu den besten Artikeln gehört mit Sicherheit der Aufsatz "Neoliberalismus Der Versuch, die Konzentration von Einkommen und Vermögen zu legitimieren" von Herbert Schui.

Hier eine etwas ausführlicher gehaltene Zusammenfassung:

Schui bezeichnet den Neoliberalismus als eine Gesellschaftstheorie der Rechtfertigung für unbeschränkte Autonomie der Besitzer von Geld und Produktivvermögen. Konsequenterweise wird eine solche Theorie dann alles zu legitimieren versuchen, was den Besitzenden von Geld und Produktivvermögen nützt: Hierzu gehören der Schlanke Staat, die Deregulierung (etwa Finanzmärkte), die Marktfreiheit, der Wettbewerb und der Freihandel. Diese Ziele erfordern die Bekämpfung des Sozialstaates, der gewerkschaftlichen Interessenvertretung, also der Einrichtungen, die die gesellschaftlichen Schwächeren vor den Zugriffen der Besitzenden schützt.
Die Zahl der vergebenen Nobelpreise für Ökonomie zeigt, dass diese Gesellschaftstheorie von den 70er Jahren an eine Leitfunktion gewinnen konnte. Bedeutendster Theoretiker - und auch nach seinem Tode weiterhin verehrt und einflussreich - ist der Österreicher Friedrich von Hayek.
Schui ordnet dann (unter I) den Neoliberalismus in die Geschichte der ökonomischen Theorie ein und hebt den Wandel in der gesellschaftlichen Zielsetzung hervor: Legitimierte sich heraufkommende Kapitalismus noch mit der Mehrung des Wohlstands als Glücksversprechen der Moderne, so reduziert sich das unter dem Neoliberalismus auf die Betonung des Marktes als überlegene gesellschaftliche Institution zur Durchsetzung effizienten Wirtschaftens; hierbei wird die Teilhabe aller am materiellen Ergebnis des Wirtschaftens marginalisiert.
Unter II. wird mit dem Keynesianischen Reformismus ein Gegenmodell im Rahmen kapitalistischen Wirtschaftens vorgestellt und ausführlich dargelegt, dass der Neoliberalismus dieses am Wohlfahrtsstaat orientierte Modell theoretisch und praktisch entschieden bekämpft hat und bekämpft.
Anschließend formuliert Schui die Grundpositionen des Neoliberalismus und erläutert diese Punkt für Punkt.

1. Maximierung der Bedürfnisbefriedigung oder Maximierung des Sozialprodukts KEIN Ziel einer freien Marktwirtschaft i.S. des Neoliberalismus
2. Soziale Gerechtigkeit: Nicht definierbar
3. Sozialstaatlichkeit wird durch Armenpflege abgelöst
4. Wettbewerbsbeschränkungen durch Monopole der Unternehmen: unschädlich
5. Wettbewerbsbeschränkungen sind besonders durch die Gewerkschaften (und durch den Staat) verursacht
6. Einziger gesellschaftlicher Zweck der Wirtschaft: Verfolgung individueller Ziele
7. Die Garantie der Eigentumsverhältnisse stabilisiert die gesellschaftlichen Zusammenhänge
8. Gewaltenteilung: Die Kompetenzen des Parlamentes sind zu beschneiden, Stärkung der Exekutiven
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Schuis Aufstellung zeigt deutlich, dass der Neoliberalismus mehr ist als eine ökonomische Theorie, es handelt sich um einen gesellschaftspolitischen Entwurf zur Umgestaltung der Gesellschaft. Die Leitfigur des Neoliberalismus, Friedrich von Hayek, wird heute nicht nur als Ökonom, sondern als Gesellschaftstheoretiker verehrt und gefeiert. Die Friedrich von Hayek Gesellschaft kann in ihren Reihen einflussreiche Vertreter der Banken, der Konzerne, der Wissenschaft und Politik versammeln. Hayek hat eine eigenständige Gesellschaftstheorie vorgelegt, das Schui unter der Überschrift Hayeks Evolutionstheorie abhandelt. (Bernd Zöllner). Hier werden auch die oben aufgeführten 8 Punkte ausführlicher dargestellt und die Begründungszusammenhänge erläutert. Der Einfluss dieser Theorie ist nach wie vor in konservativen und liberalen Kreisen groß.

Schuis Aufsatz schließt mit dem kritischen Kapitel Autoritärer Staat und autoritäre Gesellschaft: die Implikationen des neoliberalen Systems. Dieser Titel ist programmatisch und bringt seine Kritik auf eine griffige Formel.

Hier lässt sich der Aufsatz in seiner Gesamtheit nachlesen.