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10. Dezember 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Palästina ist kürzlich von Brasilien, dann von Argentinien als Staat anerkannt worden, Anlass für folgende Stellungnahme zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 8.12.2010:
„Anerkennung für Palästina“ von Peter Münch,

SZ vom 9.12.2010, Titelseite:
„Obama scheitert mit seiner Nahostpolitik“ von Peter Münch

und SZ-Leitartikel:
„Kapitulation im Nahost“ von Peter Münch

Internationale Anerkennung Palästinas großer diplomatischer Sieg

Peter Münch stellt eine schon lange weltweit bekannte Tatsache fest, wenn er schreibt, dass „die USA vor der Unnachgiebigkeit der israelischen Regierung kapituliert hat.“ Nicht nur die Obama Regierung, sondern auch die vorherigen US-Regierungen Bush, Clinton, Bush Jr. und mit ihnen eine bemerkenswert abhängige EU. Alle haben ihre angeblichen Prinzipien über Bord geworfen. Der Kernpunkt des Konfliktes, eine illegale Besetzung ist zu thematisieren. Was soll ein Siedlungsstopp bedeuten oder bewegen, wenn das Land weiter besetzt bleibt? Darin liegt das Hauptproblem.

In diesem Zusammenhang ist die internationale Anerkennung Palästinas ein großer diplomatischer Sieg, ein bedeutender diplomatischer Schritt voran. Es handelt sich um die souveräne Errichtung des Staates Palästina, der zuerst von Brasilien (3.12.2010), dann von Argentinien und bald von anderen südamerikanischen Staaten anerkannt wird. Mehr als einhundert Länder haben bereits den palästinensischen Staat diplomatisch anerkannt. Neben den arabischen Staaten, gehören dazu auch viele afrikanische, asiatische und osteuropäische Länder. Die meisten nach der Unabhängigkeitserklärung der Palästinenser in Algier im November 1988. Irrelevant ist eine einheitliche Haltung der EU, die nicht zu erwarten ist, wie bei vielen Angelegenheiten der Weltpolitik. Aber von Frankreich, Skandinavien, Österreich, Belgien, Spanien, Italien und der Türkei ist eine Anerkennung durchaus möglich. Russland könnte auch diesen diplomatischen Schritt nach vorne tun.

Alle Palästinenser verdienen tiefen Respekt für ihre Standhaftigkeit und ihr unerschütterliches Festhalten an ihren Rechten, ganz gleich, was sie durchmachen und noch durchmachen werden. In Puncto Völkerrecht, Freiheit und Unabhängigkeit gibt es keinen Kompromiss, am wenigsten einen faulen. Es ist würdig und zugleich ermutigend, dass sich Präsident Abbas trotz des inakzeptablen amerikanischen Drucks weigert, an einen sinnlosen „Verhandlungstisch“ zurückzukehren, bevor ein Regierungswechsel in Israel zustande kommt und ein glaubwürdiges Signal für den Friedensprozess zu erkennen ist. An dieser Position muss er zusammen mit allen arabischen Länder festhalten.

Der US-Präsident Obama hat zu Recht den Nahost-Konflikt als Priorität auf die Weltagenda gesetzt. Bedauerlicherweise hat der US-Präsident nicht die geeigneten Mittel, nicht den notwendigen Druck gegen die sture israelische Führung eingesetzt. Der US-Präsident hat seine Nahost-Politik annulliert. Peter Münch setzt den Akzent auf diesen negativen Punkt. Aber der US-Präsident ist gewiss nicht „der mächtigsteMann der Welt“,wie der Leitartikler ihn irrtümlicherweise bezeichnet. Sein Scheitern an einer sturen israelischen Regierung, die mittels ihrer mächtigen Lobby auch in Amerika die Fäden zieht, hat eindeutig die Schwäche des US-Präsidenten gezeigt.

Schon 1990 war klar, dass der Nahost-Konflikt eine Gefahr für den Frieden in sich birgt. Die Palästinenser, die für ihren tapferen Kampf Unterstützung durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen und UN-Sicherheitsratsresolutionen fanden, sind jetzt nicht mehr ein staatenloses Volk. Das ist ein historisches bemerkenswertes Ereignis, der zentrale Punkt, der die öffentliche Aufmerksamkeit verdient. Gerade um das zu verhindern, inszenierte Israel gezielt mit Hilfe bestimmter Presseorgane die Wikileaks-Kampagne.Der Fisch fängt vom Kopf her zu stinken an, lautet ein Sprichwort. Das öffentliche Eingeständnis des israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak entlarvt die Absicht, die sich Israel durch die militärische Eskalation im Gelben Meer und durch die Wikileaks-Enthüllung versprach: „Nichts gehe voran, weil die Amerikaner viel zu beschäftigt sind mit Nordkorea und den Enthüllungen von Wikileaks.“ Die Öffentlichkeit wurde also durch die bekannte Mafia-Devise abgelenkt: Man versteckt einen Skandal, indem man einen noch größeren Skandal provoziert. Die Anerkennung Palästinas sollte in der Öffentlichkeit keineswegs beachtet werden. Das ist der israelischen Regierung und ihren Leuten nur zum Teil geglückt, aber immerhin in der Süddeutschen Zeitung: Anstatt die Anerkennung Palästinas als Aufmacher auf die Titelseite zu bringen, findet sich dort die Schlagzeile (9.12.2010): „Obama scheitert mit seiner Nahostpolitik“. Dadurch gelingt es der Netanjahu-Regierung, Obama weiter öffentlich zu demontieren.

Schon in der ersten Dezemberwoche setzte sich die zionistisch-republikanische-neokonservative PR-Maschinerie voll in Gang.
Erstens: Spekulationen über den Rücktritt von US-Sonderbotschafter George Mitchell wurden lanciert. Ein erklärter Zionist und treuer Diener Israels, Denis Ross, hieß es, solle sein Nachfolger werden, was als eine „demütigende Niederlage“ für Präsident Obama und seine „Politik des Wandels“ im Mittleren Osten ausgegeben wurde. Im Gegensatz dazu steht die angemeldete Reise von US-Sonderbotschafter George Mitchell nach Jerusalem nächste Woche (Meldung im Fernsehen, ZDF-Mittagsmagazin 9.12.2010 um 13 Uhr). Dadurch stellt sich der Rücktritt vom US-Sonderbotschafter George Mitchell als lancierte Lüge bloß. Es bleibt nur zu hoffen, dass George Mitchell jetzt gut gerüstet in Israel eintrifft.
Zweitens: Der Leiter der unabhängigen UN-Kommission für die Umsetzung des Goldstone-Berichts wurde von der Nichtregierungsorganisation UN-Watch als „Israelfeind“ gemobbt und UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon wurde von dieser Organisation aufgefordert, ihn „sofort von seinem Posten zu entfernen“. Kein Wunder: UN-Watch gehört dem Amerikanischen Jüdischen Komitee AJC an und ist bei den Vereinten Nationen akkreditiert.
Drittens: Rücktrittsforderungen gegenüber dem US-Botschafter Philip Murphy in Berlin, eine weitere Dreistigkeit von bestimmten Medien mit Hilfe von selektierten Dokumenten aus Wikileaks, wurden sofort und entschieden von der Kanzlerin Angela Merkel zurückgewiesen. Die deutsche Kanzlerin forderte „ausdrücklich nicht“ die Ablösung Murphys, gab ihr Regierungssprecher bekannt (SZ-Meldung vom 4.12.2010).
Viertens: Die Eskalation im Gelben Meer ist ebenso ein gezieltes Manöver gegen den US-Präsidenten, eine verheerende Provokation, die auf Konto der militaristischen zionistisch-republikanischen Mafia geht.

Eines steht fest: Zwischen den arabischen Staaten und Israel wird kein Übereinkommen zustande kommen, das nicht den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates entspricht. Die Sicherung der Existenz Palästinas und Israels sind Fragen, die im Interesse der Menschheit einer friedlichen rechtmäßigen Lösung bedürfen.

Die Weltstaatengemeinschaft - die USA und EU-Staaten eingeschlossen - muss darauf beharren, dass sich Israel grundsätzlich zu einer Beendigung der Besatzung bereit erklärt, und zwar in dem Sinne, sich auf die Grenzen von 1967 zurückzuziehen. Sollte sich Israel diesem Schritt weiter verweigern, muss dies zu einer Aberkennung des israelischen Staats führen. Da das internationale Recht weltweit gilt, kann die Welt-Diplomatie nicht länger einen illegitimen Staat jenseits seiner rechtmäßigen Grenzen dulden.

Den Israelis ist es nicht gelungen, den palästinensischen Geist zu zerstören. Palästinenser werden weiter für einen säkularen und demokratischen Staat Palästina kämpfen, wo Juden auch willkommen sind, wenn sie dort leben wollen. Die Zukunft wird zeigen, dass es keinen anderen Weg gibt.

Die brasilianische Anerkennung Palästinas als Staat in den Grenzen von 1967 am 3.12.2010 kommt keineswegs überraschend. Bereits auf der UN-Generalversammlung 1988 hatte Brasilien für die Schaffung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 gestimmt. Die Republik Chile erkannte die legitimen Rechte der Palästinenser schon in den siebziger Jahren an. Konsequent mit seiner Stellungnahme forderte Präsident Lula da Silva Israel im Februar 2006 auf, sich aus den besetzten Gebieten zurück zu ziehen. Israel hat das Recht auf Sicherheit und Existenz innerhalb international anerkannter Grenzen. Mit diesem völlig rechtmäßigen legalen Standpunkt muss sich ein professioneller Journalismus beschäftigen. Nicht die Anerkennung Palästinas durch Brasilien und andere Staaten schafft ein Problem für die Weltstaatengemeinschaft, sondern eine rückgratlose Politik der USA und der EU, die sich konfliktscheu gegenüber Israel verhält, hat dieses Problem vor langem geschaffen, nämlich das Problem eines illegalen grenzenlosen expansionistischen Staates Israel. Mit diesem Problem muss sich die Öffentlichkeit realistisch konfrontieren. Regierungen müssen endlich die energische Entschlossenheit finden, konsequent mit allen diplomatischen Mitteln zu handeln. Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Auf die Zukunft gilt es, im Sinne der Bewahrung eines gerechten Friedens Einfluss zu nehmen.

Trotz der manifestierten Schwäche des State Department stehen die Besatzungspolitik Israels und seine Kriegsverbrechen unter zunehmender internationaler Kritik. Die USA dürfen nicht weiter Israel trotz seiner Kriegsverbrechen in Schutz nehmen. Jeder muss sich für sein Handeln selbst verantworten.

Bedauerlicherweise genießen die Anliegen von Israel auch bei den Europäern immer den Vorzug vor den Palästinensern. Die EU sollte auf Augenhöhe mit den USA ihre Politik in der Region entwickeln, sich mehr für Gerechtigkeit und einen umfassenden Frieden einsetzen. Europa sollte endlich Israel mehr und dauerhaft unter Druck setzen, damit es den Golan, die Westbank und den Gazastreifen endlich verlässt.

Es gibt keine einfache Zwei-Staaten-Lösung. Diese Illusion zerbricht an der nackten Realität: Israel nimmt alles und gibt den Palästinensern nichts. Da existiert die Enklave Gaza mit 1,5 Millionen Menschen und die Westbank, die von Siedlungen in alle Richtungen durchkreuzt wird. Mal hier, mal dort lassen sie den Palästinensern ein paar Quadratkilometer. Deshalb ist die politische Einheit der palästinensischen Führung wichtiger denn je, um mit dem erforderlichen Nachdruck den diplomatischen Kampf um das Durchsetzen von Völkerrecht weiter zu führen.

Die palästinensische Einheit und der Aufbau von Druck aus der ganzen Welt gegenüber der israelischen Regierung sind der einzig friedlich wirksame Weg zu diesem Ziel, besonders angesichts der Tatsache, dass Israel täglich neues Land konfisziert, tausende neue Wohnungen baut und die Siedlungen ausdehnt. Die Palästinenser müssen vereint vorgehen. Ob die Einigung von Hamas und Fatah den Amerikaner oder der EU überhaupt passt oder nicht, spielt keine Rolle. Die Palästinenser müssen ihre Reihen hinter ihren eigenen Interessen fest schließen. Israel wird es immer ablehnen, dass Hamas Mitglied der PLO (Palestine Liberation Organization) wird. Von außen aufgezwungen verhindert dieses Hindernis die erforderliche palästinensische politische Einheit nicht.

Luz María De Stéfano de Lenkait