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12. Juni 2017 - Bernhard V:

Sehr geehrte --------,

 

das im SPD_Wahlprogramm und im 2013 Koalitionsvertrag angestrebte Ziel, vollautomatische – autonome –Kampfdrohnen zu ächten, und völkerrechtswidrige Kampfdrohneneinsätze abzulehnen, unterstütze ich.

Deswegen halte ich den Plan der Beschaffung von bewaffnungsfähigen Kampfdrohnen für fatal. Dieser Plan widerspricht doch den Zielen des SPD-Wahlprogramms und des 2013 Koalitionsvertrages. Es wäre eine sehr grosse Enttäuschung für mich und für viele Bürgerinnen und Bürger, wenn Abgeordnete der SPD-Fraktion der Beschaffung trotzdem zustimmen würden. Ich bitte Sie, diese schwerwiegende Entscheidung mit Ihren SPD-Kollegen zu besprechen und darauf hinzuwirken, dass die Beschaffung der bewaffnungsfähigen Kampfdrohnen abgelehnt wird.  

Warum?

Mich haben folgende Informationen sehr beeindruckt:

Bereits 2013 warnten die deutschen Friedensforschungsinstitute vor einem Einstieg in die Drohnenbewaffnung. Sie schrieben, es sei „dringend geboten, der Entwicklung derartiger Waffensysteme einen Riegel vorzuschieben, bevor sie eine fatale Eigendynamik entfaltet.“1 Was damit gemeint ist, erläuterte der Wissenschaftler Dr. Marcel Dickow (Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP) in seiner Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages am 30. Juni 2014. Er warnte: „wer glaubt, solche autonomen oder teilautonomen Funktionen mit Verbindung zum Waffeneinsatz durch definitorische Grenzen ausschließen zu können, verkennt die bereits heute stattfindende Nutzung von Assistenzsystemen in der Militärtechnologie."2 Deshalb sei von der Bewaffnung unbemannter Systeme abzusehen. Genau vor dieser Entscheidung stehen Sie als Abgeordnete des Deutschen Bundestages.

Sie schließen „gezielte Tötungen außerhalb eines vom Bundestag mandatierten Kampfeinsatzes aus“. Diese Festlegung impliziert, dass Sie nicht generell gegen das „gezielte Töten“ sind, sondern - im Gegenteil - das „gezielte Töten“ mandatieren wollen. Sie wollen auf diese Weise die Rechtskonformität wahren. „Amerikanische Verhältnisse“ beim Drohneneinsatz schließen Sie für die Bundeswehr aus. Das klingt gut, beruhigt jedoch ganz und gar nicht. Denn die Praxis der „gezielten Tötungen“ durch Kampfdrohnen der USA und Großbritanniens im von den Vereinten Nationen mandatierten Krieg in Afghanistan geschieht im Verborgenen. Mit einer Ausnahme: Die „Drone-Papers“, geleakte Geheimpapiere des US-Militärs auf den Seiten von „The Intercept“, belegen, dass unter den Ermordeten in den drei US-Kampfdrohnenoperationen „Haymaker“ 2012 und 2013 in Nordost-Afghanistan von insgesamt 677 Toten nur 86 Hochwertziele oder „Zielpersonen“ waren. Das ist ein Prozentsatz von 12,7. Das bedeutet, um eine Zielperson zu töten, müssen acht Unbeteiligte sterben.3

Investigative Untersuchungen der britischen Menschenrechtsorganisation REPRIEVE haben US-amerikanische Kampfdrohneneinsätze in Pakistan und Jemen zwischen 2002 und 2014 untersucht.4 Ihre Analyse ergab, dass bei der Jagd auf genau 41 namentlich bekannte Kommandeure, also sogenannte Hochwertziele, genau 1.147 Unbekannte ermordet wurden, darunter über 100 Kinder. Das heißt pro Angriff kamen durchschnittlich 28 Unbeteiligte um. Zugegeben, dieses Zahlenmaterial ist angesichts des sich beständig ausweitenden Drohnenkrieges dürftig. Die Zahlen müssen jedoch aufhorchen lassen, belegten sie doch die rechtswidrige Unverhältnismäßigkeit des Waffeneinsatzes – eine dem Waffensystem Kampfdrohne inhärente Eigenschaft.

Nun folgen die (jeweils kursiv gestellt) Aussagen von MdB Karin Evers-Meyer, stellvertretender verteidigungspolitischer Sprecherin der SPD im Haushaltsausschuss, in einem Brief an mich und eine Entgegnung:

Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass neue Waffensysteme international erfasst und in ein internationales Regelwerk einbezogen werden.   — Ein solches internationales Regelwerk gibt es doch gar nicht. Gerade daran muss die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der UNO und anderen Institutionen arbeiten, statt einfach auf Nutzung und Produktion dieser Waffe selbst zuzugreifen, nur weil die Waffenindustrie dies will. Dies dient der langfristigen Sicherheit von Deutschland gar nicht. Deutschland muss vor allem ein starkes Signal geben, dass die Schaffung des internationalen Regelwerks die höchste Priorität hat — weil die Nutzung und Verbreitung der Waffe sich rasch entwickelt. (Siehe https://www.newamerica.org/in-depth/world-of-drones/)   Am Ende ist es immer die Aufgabe der Soldatinnen und Soldaten, die eingesetzten Waffensysteme – seien es Drohnen, Panzer oder Flugzeuge – rechtskonform und mandatskonform einzusetzen. „Amerikanische Verhältnisse“ beim Einsatz von Drohnen wird es in der Bundeswehr nicht geben.   — Dieses ziemlich antiamerikanisches Argument impliziert, dass das US-Militärpersonal einfach ihre moralische und rechtliche Pflicht ignorieren und dass deutsches Militärpersonal anders handeln würden und illegale Befehle widerstehen würden. Diese Argument impliziert, dass Deutsche einfach moralisch besser ausgerüstet seien, Fehler bei der Einschätzung von Zielen und Situationen nicht machen würden, und vor allem, dass die Information, die sie bekommen, z. B. durch Metadaten, akkurater wäre. Dies ist ja Unsinn! Viele ehemalige Drohnen-Piloten haben ausgesagt, dass sie gar nicht wissen, wen sie treffen, dass sie manchmal Kinder getroffen haben aber beim Schussbefehl dachten, es wären Hunden. Auch die Videobilder, die im Drohnen-Programm zum Zielen benutzt werden, haben eine relative niedrige Auflösung und erlauben keine klare Identifikation der Zielobjekten.Viele US-amerikanische Drohnenpiloten sind deswegen durch moralische Zweifel gequält. Viele entwickeln posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Andere werden gerade durch das tägliche Einsetzen dieser Waffe moralisch verroht. Es ist ganz klar, dass Frau Meyers-Ebert und andere die Aussagen von ehemaligen US-Drohnenpiloten, auch deren Erfahrungen in Afghanistan (siehe den Dokumentarfilm “National Bird”), gar nicht kennen. Auf jeden Fall sollen alle Abgeordnete, die über die Beschaffung entscheiden sollen, zumindest das Protokoll der Aussagen vom ehemaligen Drohnen-Sensor-Operateur Brandon Bryant vor dem NSA-Untersuchungsausschuss gelesen haben.   Drohnen haben sich in den Einsätzen der Bundeswehr bewährt.   Jedoch sind die deutsche Drohnen bisher nicht bewaffnet gewesen sondern nur für Überwachung eingesetzt. Und es ist nie bewiesen worden, dass unbemannte Fluggeräte bessere Schutz für Bodentruppen oder Zielgenauigkeit bieten als übliche Militärflugzeuge — ganz im Gegenteil.   Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Damit bleibt sichergestellt, dass wir als Abgeordnete am Ende über einen Einsatz der Bundeswehr und die dazugehörigen Regularien zum Einsatz von Waffen bestimmen.   Für die bevorstehende Abstimmung über die Beschaffungsmassnahme werden die Abgeordnete nicht mal informiert, welche Bewaffnung vorgesehen ist, weil diese Information gilt als ein Militärgeheimnis von Israel (siehe PM Andrej Hunko) und Beitrag von der Informationsstelle Militarisierung: 

andrej-hunko.de/presse/3614-gruenes-licht-fuer-kampfdrohnen-gerichtsentscheidung-ist-doppelt-fatalwww.radio-utopie.de/2017/06/01/jetzt-aber-schnell/  

Auch beim deutschen Einsatz von bewaffneten Drohnen werden letztendlich und auch zwangsläufig die Geheimdienste (vermutlich in enger Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten) und nicht das Parlament noch das Bundeswehrpersonal über die Ziele der einzelnen Einsätzen entscheiden.   Diese kleine Zusammenstellung von Fakten unterstreicht die Notwendigkeit, von einer Beschaffungsentscheidung im Bundestag abzusehen, und falls das nicht zu verhindern ist, sie abzulehnen. Unterstützen Sie diese Position? Ich würde mich über Antwort hierzu an mich freuen. Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Bitte leiten Sie diese Email zusätzlich an die/den zuständige/n Berichterstatter/in weiter. 

Mit freundlichen Grüßen

Bernhard V* (Name der Redaktion bekannt)

 

 

1 Friedensgutachten 2013, Münster 2013, 324 Seiten, S. 6

4 Reprieve, You Never Die Twice, 25.11.14, 16 Seiten, www.reprieve.org