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1. Mai 2008 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Artikel in Süddeutsche Zeitung vom 30.4.2008:
"EU öffnet die Tür für Serbien" von Martin Winter und

Kommentar vom 30.4.2008:
"Die Balkan-Misere der EU" von wtr

Was eine rechtstaatliche Justiz verlangt

Ein völkerrechtmäßiges Kriegsverbrechertribunal im Sinne des aktuellen kodifizierten Völkerrecht, die Charta der Vereinten Nationen, ist verpflichtet, alle Kriegsverbrechen zu berücksichtigen und zu verurteilen. Nicht nur solche, die Serben begangen haben sollen, wie es bisher offensichtlich im Jugoslawien-Tribunal in den Haag geschieht. "Die Jagd" gegen angebliche serbische Verbrecher, wie sich der niederländische Außenminister unverhältnismäßig äußerte, ist in einer rechtstaatlichen Justiz deplaziert. Der Außenminister verfällt damit in die fremde Rhetorik einer Jagdjustiz, nämlich einer Willkürjustiz, wo vermeintliche Verbrecher gejagt werden, wie wilde Tiere, ohne jeglichen Rechtsschutz.

In Wahrheit ist das sogenannte Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ein sehr dunkles Kapitel in der europäischen Justizgeschichte. Die Frage nach einem fairen Prozeß ist vollkommen berechtigt, ebenso wie die Frage, ob die Urteile auch gerecht sein können, seitdem die Einseitigkeit und die fehlende Unvoreingenommenheit der Strafverfolgung besonders seit dem Krieg gegen Belgrad 1999 schockierend auffällig erscheinen. Vor dem Jugoslawien-Tribunal sind fast ausschließlich Serben angeklagt worden. Kein westlicher Politiker, kein NATO-General.

Nie gab es Prozesse gegen Angehörige der mit den kriegführenden Westmächten verbündeten UCK oder gar gegen Angehörige der NATO-Truppen und deren Drahtzieher. Die Niederlande und Belgien müssen alles tun, diese Ungerechtigkeit und Willkür zu korrigieren, um die Balance wieder herzustellen, bevor sie den serbischen Behörden mangelhafte Kooperation unterstellen. Belgische und niederländische Behörden müssen richtig und ehrlich anstreben, die westlichen Verbrechen vor das Tribunal zu bringen. Bestimmt eine harte mühsame Arbeit, die gegen die Strömung en vogue in Europa geht.

Nach der Haager Landkriegsordnung sind das Beschießen und das Bombardieren von nicht verteidigten Dörfern und Städten verboten. Wer trotzdem Städte und Dörfer bombardiert und dabei Menschen tötet, begeht ein abscheuliches Kriegsverbrechen. Gerade das war der triste unrühmliche Fall bei dem feigen NATO-Angriffskrieg gegen Belgrad.

Jeder weiß, daß die Kampfhandlungen der NATO-Truppen fast ausschließlich darin bestanden, Dörfer und Städte in Serbien zu bombardieren und mehr und mehr Menschen zu töten, um so Milosevic und seine Regierung unter Druck zu setzen und zur Annahme der von Joschka Fischer vertretenen NATO-Position zu zwingen. Dies gelang. Milosevic kapitulierte.

Die Weigerung, die Verbrechen der alliierten Truppen in Jugoslawien und der UCK im Kosovo an der nichtalbanischen Bevölkerung zu verfolgen, animierte die UCK ihre Verbrechen fortzusetzen: Von Den Haag hatten sie nichts zu befürchten.

Es ist überfällig, das Völkerrecht wieder gelten zu lassen. Die Normalisierung der EU-Beziehungen zu Serbien setzt voraus, daß die EU die notwendigen Korrekturen ins Auge faßt, was ihre Geschichte und Handlungen mit Serbien betrifft. Verbrechen müssen anerkannt werden, da wo sie begangen wurden. Der Angriffskrieg gegen Belgrad 1999 war ein Verbrechen. Westliche Täter müssen sich für ihre ungeheuerlichen Taten verantworten. Das verlangt die Justiz, wenn es rechtsstaatlich zugehen soll.

Luz María De Stéfano de Lenkait,

Juristin und Diplomatin a.D.