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Titelbild zur EU- Verfassung

Unter dieser Fragestellung stellte der Verfassungsrechtler Prof. Fisahn von der Universität Bielefeld, den von Frankreich und den Niederlanden abgelehnten Verfassungsentwurf Ende 2005 auf einer Veranstaltung von Attac Herford vor, und formulierte in seinen Vortrag die Anforderungen die vom wissenschaftlichen Beirat von Attac an die neue Verfassung gestellt werden.

Die EU-Verfassung wurde von den Franzosen und Niederländern in Volksabstimmungen zu Fall gebracht. Sie liegt nun bis wahrscheinlich 2007 auf Eis. Das Nein der Franzosen und Holländer hat  die  Krise sichtbar gemacht in der sich die Europäische Union befindet. Sie schafft aber auch den Druck und bildet die Diskussionsgrundlage für eine

 neue Verfassung.Um uns auf diese kommende Auseinandersetzung vorzubereiten, dass Für und wieder abzuwägen, hatten wir Prof. Fisahn eingeladen, mit uns die Schwächen des derzeitigen Verfassungsentwurfs zu  diskutieren. Herausgekommen ist ein Hochkarätiger Fachvortrag der in seiner Sachlichkeit und Informationsfülle nicht nur für uns Attacis interessant war, sondern durchaus Parteiübergreifend von Interesse sein sollte. 

Anhand eines 21 Punktekatalogs (siehe PP-Datei unten) machte er deutlich wo im Verfassungsentwurf noch Mängel sind, was unbedingt noch in die Verfassung mit aufgenommen werden sollte, und was da eigentlich nichts zu suchen hat. Zum Beispiel der dritte Teil der Verfassung, auf den ganz verzichtet werden kann, da er nur eine neoliberale Politik formuliert. Statt dessen gehören in eine Verfassung Kompetenznormen, die verschiedene Politiken erlauben.

Zu Anfang stellte er die etwas ketzerische Frage nach dem warum, um neben den treibenden ökonomischen Gründen auch auf einen weiteren, wichtigeren Grund zu 

verweisen. Es wären zwischen den Völkern Europas keine Kriege mehr möglich. Ausdrücklich warnte er vor einen Rückfall in den Nationalstaat da es zu Europa keine Alternative gibt. Anzumerken wäre hier allerdings das der schönste Frieden  im  inneren  (Europas)  keinen  Sinn  macht, wenn gleichzeitig die zukünftigen  Kriege  nach außen  ermöglicht  bzw.  vorbereitet  werden.

Die zweite Fragestellung die sich wie ein roter Faden durch das Referat zog, war die Frage was wir überhaupt für ein Europa wollen. Wollen wir ein Politisches Europa, einen  Staat  mit  einem Gesellschaftsvertrag  (Verfassung) zwischen den Bürgern oder nur einen Völkerrechtlichen Vertrag in dem die Politikziele zwischen den Regierungen (Freihandelszone) festgelegt sind. Es gibt durchaus Interessensgruppen die Europa auf eine Freihandelszone (in der die Wirtschaft unter Ausnutzung der unterschiedlichen

Rechtslagen in den einzelnen Ländern, schalten und walten kann wie sie will) begrenzen wollen.

Die Argumentation der EU- Gegner geht von unterschiedliche Völkern aus, die kein Staatsvolk sind, kein abgegrenztes EU- Territorium haben und keine Staatsgewalt ausüben können. Weitere Argumente sind, dass es keine EU- Öffentlichkeit und keine einheitliche Sprache gibt. Prof. Fisahn widerlegte diese Argumentation indem er darauf verwies das es zum Beispiel in Belgien oder der Schweiz unterschiedliche Sprachen gibt, in Deutschland die Polizei dezentral aufgebaut ist, oder Staatsgrenzen sich in der Geschichte ständig geändert haben. Und auch eine EU- Öffentlichkeit ist möglich.

Dann kam er zu den Anforderungen die Attac an eine Verfassung hat. Er möchte die EU-Verfassung auf das erreichte Niveau der demokratischen Teilhabe und des rechtlichen Schutzes in den Nationalstaaten heben. Weiter setzte er sich für die ersatzlose Streichung des dritten Teils des vorliegenden Verfassungsentwurfes, das heißt Verzicht auf eine neoliberale Ausrichtung der Politik der Union ein. Zukunftsoffenheit, Volksentscheid, Mindeststandards  sowie das Prinzip der Stimmengleichheit waren weitere Punkte die seiner Meinung nach unbedingt in eine neue EU- Verfassung hineingehören. Auch sollten wechselnde Mehrheiten möglich sein und das Parlament ein Initiativrecht erhalten. Der Artikel 1 - 41 ist zu streichen. Ein Verbot von Angriffskriegen wie es im Grundgesetz steht ist statt dessen in die Verfassung aufzunehmen.

Fazit

Unter einer Verfassung haben wir uns eigentlich etwas anderes vorgestellt. Ein Regelwerk in dem Grundrechte und Grundpflichten von Bürgern und Ländern Europas auf einem höheren Niveau als z.B. im Grundgesetz verbindlich festgeschrieben sind. Statt dessen scheint es so zu sein, dass hier die Mittelstandsgefährdende Konzernpolitik in Reinkultur, verbunden mit einem Aggressionspotenzial nach außen, für die Zukunft festgeschrieben werden soll.
 
Weitere informationen

Der von Frankreich und Holland abgelehnte EU-Verfassungsentwurf    
als als gepackte W
orddatei 269 KB

Powerpointvortrag von Prof. Dr. Fisahn zur EU- Verfassung 95 KB

ATTAC-Themenseite zu Europa

 

Prof. Dr. A. Fisahn1960 geboren, bekleidet den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht sowie  Rechtstheorie an der Universität Bielefeld.

Er studierte  Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften und Philosophie in Würzburg, Köln, Marburg und Göttingen, arbeitete als Regierungsrat in der Verwaltung der Freien Hansestadt Hamburg. War Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Bremen und Mitarbeiter der Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht

Er Habilitierte in Bremen zum Thema „Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung“ Veröffentlichungen insbesondere zum Naturschutz und Gentechnikrecht sowie zum Verfassungsrecht und zur Staatstheorie.

Erstellt am 10.01.2006 (gp)