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Bericht von der Erzwingungshaft wegen nicht bezahltem Bußgeld

Gerd Büntzly hat in einer Aktion Zivilen Ungehorsams den Truppenübungsplatz Altmark nördlich von Magdeburg betreten und die im Bau befindliche Kampfstadt „Schnöggersburg“ besucht. Weil er das ihm dafür auferlegte Bußgeld nicht zahlen wollte, musste er sich am 5. 12. 2017 zwecks Erwingungshaft um 10 Uhr an der JVA Herford einfinden. Von seinem Aufenthalt hat er folgenden Bericht geschrieben.:

Bericht zu meinem Aufenthalt im Gefängnis vom 5. - 8. 12. 2017
Ja, jetzt hab ich euch einen Bericht versprochen. Was wollt ihr denn eigentlich wissen? Wie‘s im Gefängnis so is? Ich fürchte, darüber werde ich am wenigsten oder erst am Schluss erzählen, denn das lenkt euch von der Hauptsache ab: warum ich drin war.
Kurz: Ich bereue es nicht. Es war eine gute und wichtige Erfahrung.
In den Tagen davor fühlte ich natürlich eine gewisse Spannung, die sich auch körperlich niederschlug, denn ich bekam eine leichte Bronchitis, typisches Zeichen für eine Überanstrengung. Ich kam mir vor wie ein Mensch in der Wirtschaft vor einer „Präsentation“ und war entsprechend gespannt und motiviert. So ähnlich fühlte ich mich vor dem Gefängnis: Mein Job ist Frieden, und den werde ich nie los!
Als ich an der Pforte des Herforder Knasts meinen Namen sagte, gab es geradezu ein Gejuchze: Ach, der! Für den liegen hier schon haufenweise Postkarten! Die junge Frau an der Pforte meinte, so etwas sei ihr noch nie vorgekommen, und ließ sich von mir genau beschreiben, warum ich im Knast sei. Und der Beamte, der mir zwei Tage später in Bielefeld die Post brachte, sagte: „Na, Sie bekommen heute 80 % der Post, die ich überhaupt bringe.“ Hier aber ein Hinweis für KartenschreiberInnen: Misstrauisch werden sie im Knast, wenn irgendetwas aufeinander geklebt ist. Das haben sie erstmal auseinandergefummelt, um zu sehen, ob nicht etwas dazwischen steckt. Also: Um Schwierigkeiten zu vermeiden, immer direkt auf die Karte schreiben und keine zwei Karten aufeinanderkleben.
Die Unterstützung
Und damit wären wir bei der Unterstützung. Sich mit der Justiz einzulassen, bedeutet Unsicherheit, besonders was die Zeitplanung angeht. Z. B. wäre ich gerne eine Woche früher in den Knast gegangen, dann hätte ich zeitlich mehr Spielraum gehabt und mehr Zeit abzuwarten, ob nicht die Justiz nachgibt. Aber natürlich gilt das auch für die Unterstützung. Ich mute ja mit meiner Aktion auch den Unterstützern etwas zu, ich beanspruche eure Zeit und eure Gedanken. Nun habe ich über das Internet schon eine ziemlich große Menge von Menschen angesprochen (ich denke, zusammen mit der großen Lebenslaute-Liste waren es etwa 400), damit war die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ich überhaupt Unterstützung erfahre, sehr gestiegen. Einige haben meine Nachrichten auch noch weiter verbreitet, so dass ich auch Karten von Personen bekam, die ich gar nicht kannte. Super! 
Es gab einen Artikel in der Zeitung, und nach meiner Freilassung einen weiteren. Im Vorfeld kam nichts, aber ich hatte den Eindruck, über das Internet haben wir schon eine andere Art von Öffentlichkeit geschaffen, so dass wir auf die Zeitungen gar nicht so unbedingt angewiesen sind.
Gefängnis: Ein Werkzeug unseres Kampfes um den Frieden?
Heute finde ich eine Notiz in der Zeitung mit der Überschrift „Mehr Gefangene in Büren“. Nächstens sollen 140 Gefangene in Büren einsitzen, Menschen, die zu uns geflohen sind und nichts verbrochen haben, sondern „nur“ abgeschoben werden sollen. Von Personalmangel und hohem Krankenstand der Beschäftigten ist die Rede, was sich negativ auf die Betreuung der Gefangenen auswirken wird. Abschiebehaft ist Unrecht! Damit hätte ich einen weiteren Grund, wieder ins Gefängnis zu gehen, und nun kann ich H. D. Thoreau, den ich sonst immer sinngemäß herangezogen habe, auch wörtlich zitieren: „Unter einer Regierung, die irgend jemanden unrechtmäßig einsperrt, ist das Gefängnis der angemessene Platz für einen gerechten Menschen.“ (H. D. Thoreau: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat, Diogenes TB, 1973, S. 20.)
Nachdem ich die drei Tage im Gefängnis gut überstanden habe, könnte ich mir vorstellen, das häufiger zu machen. Natürlich braucht es dazu eine gewisse Flexibilität, da man eben nicht genau planen kann, wann der Staat einen einsperren will. Aber im Grunde habe ich den Staat gezwungen, mich einzusperren, die Initiative ging von mir aus. Da ich das Bußgeld habe rechtskräftig werden lassen, blieb dem Staat nichts anderes übrig, als die Zahlung zu erzwingen. Hätte ich mehr Zeit gehabt, d. h. wäre ich eine Woche früher zum Haftantritt geladen worden, hätte ich es darauf ankommen lassen und zehn statt nur drei Tage in der Zelle verbracht. Dann hätte ich die Zahlung vielleicht sogar vermeiden können, denn irgendwann gibt es die Frage der Verhältnismäßigkeit. Das Geld ist mir zum Teil spontan, ohne meine Bitte, gespendet worden, den Rest habe ich bei Stiftungen beantragt, die dann sehr kurzfristig auch reagiert haben. (gerd büntzly)