Was ist "verbranntes Geld" und woher und wohin mit den Rettungspaketen?
Die Börse erzeugt weder Geld noch vernichtet sie Geld. Wenn Börsianer davon reden, dass an einem Börsentag wieder "viel Geld vernichtet wurde" dann meinen sie damit im Grunde
imaginäre Werte.
Nehmen wir ein vereinfachtes Beispiel:
Hans Huber will eine Aktiengesellschaft (AG) gründen. Er braucht dazu 50.000 Euro Kapital,
welches in diesem Fall die juristische Person darstellt. Um die
Eigentumsrechte an diesem Kapital zu repräsentieren lässt er 50.000 Aktien
zum Nennwert von jeweils 1 Euro drucken. Weil er selbst keine 50.000 Euro
hat, geht er an die Börse und bietet 40.000 Aktien davon zum Verkauf an.
Zur Vereinfachung nehmen wir mal an, dass vier weitere Leute dort jeweils
10.000 Aktien von ihm für jeweils 1 Euro kaufen (könnte natürlich auch mehr
sein, in dem Fall hätte die AG bereits ihren ersten Gewinn gemacht, weil sie
den Mehrerlös über dem Mehrwert als Gewinn behalten dürfte).
Soweit alles gut. 50.000 Aktien wurden zum letzten mal zu 1 Euro das Stück
gehandelt, man sagt also die Marktkapitalisierung der neuen AG ist 50.000
Euro, was auch ihren Grundkapital entspricht.
Zur weiteren Vereinfachung gehen wir mal davon aus, dass das Unternehmen
noch garkeinen Gewinn macht. Die Firma macht ihre erste Hauptversammlung, wo
alle zusammenkommen, die wählen einen Aufsichtsrat und dieser ernennt Hans
Huber zum Vorstand der neuen AG, weil es ja schließlich seine Idee war, er
wird ja schon wissen was er tut. Hans Hubers erste Amtshandlung ist erstmal,
dass er eine ad hoc Nachricht rausbringt, dass die AG in Zukunft aus Blei
Gold herzustellen wird.
Das finden natürlich sofort alle Anleger an der Börse super gut, weil das
ungeheure Gewinne verspricht und plötzlich ist die Aktie an der Börse heiß
begehrt. Nun meint aber einer der anderen vier Teilhaber - Paul Physiker,
dass Hans Huber einen an der Waffel hat, und will seine Aktien verkaufen. Er
verkauft seine 10.000 Aktien zu jeweils 1000 Stück an zehn weitere Leute die
ihm jetzt pro Aktie 100 Euro dafür bieten! Paul Physiker freut sich, denn er
hat gerade das Geschäft seines Lebens gemacht und geht mit einer Millionen
Euro nach Hause, die vorher im Besitz der 10 Anleger waren, die jetzt seine
Aktien haben.
Die anderen drei Teilhaber und Hans Huber aber freuen sich ebenfalls, denn
ihre Depots zeigen jetzt ebenfalls einen Wert von jeweils einer Millionen
Euro an! Sie alle fühlen sich jetzt als Millionäre, denn sie könnten ja ihre
Aktien dafür sofort verkaufen.
Da geht aber Paul Physiker zu Hause an seinen Computer, und schreibt in
seinen Web Blog, warum er Hans Huber für einen Irren hält, weil man nämlich
aus Blei überhaupt kein Gold machen kann.
Das lesen jetzt die Börsianer, die von Physik halt keine Ahnung hatten, und
wollen natürlich jetzt keine 100 Euro mehr für die Aktie zahlen. Die drei
übrigen Teilhaber der AG sind natürlich auch nicht mehr so erfreut über Hans
Huber und beschließen ihre Aktien einfach zu verkaufen, egal was sie noch
dafür bekommen. Irgendjemand bietet ihnen dafür 50 Cent pro Aktie an. Ist
natürlich weit unter dem Grundkapital, aber was nützt einem das, wenn dieser
Irre Hans Huber das bereits in irgendwelche unsinnigen Geschäfte gesteckt
hat wie z.B. tonnenweise Blei dafür zu kaufen. Also verkaufen Sie zu dem
Preis.
40.000 Aktien gehen zum Kurs von 50 Cent über die Börse. Also ist die
Marktkapitalisierung insgesamt nur noch 25.000 Euro. Das ist der Punkt, wo
Analysten nun davon reden, dass "fast eine Millionen Euro an der Börse
vernichtet wurden". Dabei stimmt das nicht. Die eine Millionen ist nur von
den ersten 10 Anlegern zu Paul Physiker gewandert.
Tja, und dieser Unbekannte, der die 40.000 Aktien gekauft hat, entpuppt sich
als Hans Huber, der mit seiner Mehrheitsstimme die AG daraufhin gleich
liquidiert, sich vom unverbrauchten Grundkapital 40.000 Euro und die
restlichen 10.000 und die um ihre Million geprellten 10 Anleger ausbezahlt,
dann zu seinem Kumpel Paul Physiker geht und sich seine Hälfte von dem
abgemachten Gewinn ausbezahlen lässt.
Wir haben also gelernt: Nirgendwo wurde ein einziger Euro erzeugt oder
vernichtet. Die 10 Millionen Euro waren ein imaginäres Vermögen. Nur weil
ein paar Leute einen bestimmten Preis für eine Aktie bezahlen und jeder
denkt, seine Aktien sind jetzt auch soviel Wert, muss das nicht stimmen,
solange er seine Gewinne nicht realisiert hat. Und letzten Endes gibt es nur
einen einzigen wirklichen Gewinn: den, den die Aktiengesellschaft selbst
macht und entweder in ihrer Bilanz hat oder als Dividende an ihre Aktionäre
ausbezahlt. Alles andere ist eine Geldumverteilung.
Und was lernen wir aus der Geschichte?
Man kann aus Blei kein Gold machen.
Was passiert mit den vielen Mrd. Euro, die die Bundesregierung in der Wirtschaftskrise 2009 den Banken zukommen lässt? -auch verbranntes Geld?
Bei den Zahlen muss man jeweils unterscheiden unter echter finanzieller Unterstützung und Bürgschaften.
Bürgschaften: Die Weltwirtschaft funktioniert, indem sich eine Bank Geld leiht, um womöglich wieder einer anderen Geld zu leihen, da diese das Geld nun durch spekulative Anlagen auf den Finanzmärkten investieren möchte. (Natürlich gibt es auch Kredite, um realwirtschaftliche Anschaffungen zu machen.)
Jedenfalls kommt das gesamte System ins stocken, wenn sich die Banken nicht mehr vertrauen, also wenn in Frage gestellt wird, ob die Bank einen Kredit auch zurückzahlen kann.
Bei den Bürgschaften fließt also noch kein Geld- wieviel aber zukünftig fließen wird, also ob die Bürgschaften eingelöst werden müssen, werden wir sehen.
Aber wohin fließt das Geld, wenn es fließt?
Wird es „vernichtet“?
Immerhin gibt es keinen „anfassbaren Gegenwert“.
Den „anfassbare Gegenwert“ gibt es auch für dieses Geld. Nur wurde dieser Gegenwert dem gesamten System in der Zeit davor schon entzogen und zwar durch die Gewinner dieses Systems.
Darunter zählen die Menschen, die zuvor Geld an den Finanzmärkten erfolgreich angelegt hatten.
Zu den Gewinnern zählen die Institutionen, die das Finanzsystem am laufen hielten.
Somit kann man sagen, dass das Finanzsystem während seines funktionieren zu einer Umverteilung von unten nach oben führte.
Und jetzt, wo das System nicht mehr funktioniert, geschieht das gleiche: Nur dass das Geld, welches jetzt aus Steuergeldern bezahlt wurde, schon ausgegeben wurde.
Richtigerweise muss man sagen, dass es nicht nur „die Reichen“ waren, die von dem vorherigen System profitierten. Der Staat als ganzes lebte recht gut als Exportweltmeister, was ebenfalls durch dieses System nur ermöglicht wurde. Man kann zum Teil sagen, dass wir als Staat über unsere Verhältnisse lebten und nun dafür bezahlen.
Doch wer ist „wir“, die da bezahlen? Woher nimmt der Staat das Geld jetzt?
Er nimmt es Steuerzahlern, also denen, die im Rahmen ihrer Arbeit Steuern zahlen.
Er spart Ausgaben ein, die ohne große Revolte einzusparen sind. Insbesondere wird der „Sozialstaat“ von vielen als zu aufgebläht angesehen.
Er nimmt Kredite auf und verschuldet sich weiter. Im Rahmen von Staatsanleihen bietet er denen, die noch richtig viel Geld haben eine gefragte, da sehr sichere Anlagemöglichkeit, gerade in einer Zeit, in der man an den Finanzmärkten nicht gut anlegen kann.
Es sind Kredite, die vermutlich nie zurückgezahlt werden, sondern durch eine stetige Zinszahlung auch für die Zukunft ihren Beitrag zur Umverteilung von unten nach oben sorgen werden.
Anmerkung: Wer inhaltliche oder stilistische Verbesserungsvorschläge machen kann, bitte mailen an Matthiasbreuer(at)gmx.de .Danke.