Wer profitiert von den niedrigen Preisen?
Die bunte Vielfalt der Marken der fünf größten Molkereien in Deutschland zeigt, dass wir beim Einkauf oft nur glauben, zwischen einer großen Vielfalt auswählen zu können. Hinter so vielen Milch-produkten stehen die hochindustrialisierten fünf Mega-Molkereien DMK, Arla, Friesland-Campina, Müller und Hochwald.
Die Illusion der Wahl – im Supermarkt und auf dem Hof
Während unter den Bauern inzwischen ein leidenschaftlicher Streit entbrannt ist, ob den Export-Versprechungen der Molkereien noch zu glauben ist und sie oft um ihre Existenz zu kämpfen haben, können die großen Molkereien teilweise hohe Gewinne verbuchen.
Bäuerinnen und Bauern berichten zugleich davon, dass sie von ihrem Hof aus nur eine sehr eingeschränkte Wahl haben, an wen sie ihre Milch liefern. Die Großmolkereien wissen das und nutzen ihre Marktstellung aus. Wer die niedrigen Preise kritisiert, hat eine schwache Position, wenn die nächste Molkerei zu weit entfernt liegt und keine Transportmöglichkeiten bestehen.
Obwohl von den fünf größten vier (außer Müller) der Milchkonzerne Genossenschaften sind, stellen sie sich längst nicht mehr als Unternehmen in der Hand der Bauern dar. Es sind international agierende Konzerne mit Milliardenumsätzen. In einer Genossenschaft hat ein Vorstand weitreichende Entscheidungskompetenzen. Er kann zwar von seinem Aufsichtsrat entlassen werden, aber in diesen Gremien sitzen bei den großen Molkereien auch Vertreter der größten Höfe und besonders starke Exporbefürworter.
Die Molkereien sind selbst assoziierte Mitglieder des Deutschen Bauernverbandes und es gibt eine ziemlich enge Verzahnung zwischen den Spitzenfunktionären des Verbandes und den Konzernen. Wer das weiß, wundert sich wenig über die Strategien aus dem Verband, die schon zur Gründung des Bundesverbandes der Deutschen Milchviehalter (BDM) führte, weil sich viele Milchbauern nicht mehr vertreten fühlten
Dazu passt, dass mitten in der Milch-Krise 2015 der Vizepräsident des niedersächsischen Landvolks (Landesverband des DBV) Heinz Korte zur Mega-Molkerei DMK, dem Deutschen Milchkontor wechselte. Der Bundes-Vize des Bauernverbandes Udo Folgart ist zugleich Präsident des Deutschen Nationalkomitees im internationalen Milchwirtschaftsverband IDF, dem Verband der Deutschen Milchwirtschaft e.V..
Milchpulver-Teufelskreis
– wie kommen Kühe und Bauern aus dem Hamsterrad heraus?
Der große Milchpulver-Skandal in China hat die Eltern im fernen Osten aufgewühlt: Nachdem viele Kinder erkrankten und einige starben, stieg das Interesse an europäischen Babynahrungs-Produkten sprunghaft an. Insgesamt stieg der Verzehr tierischer Produkte in der Volksrepublik mit zunehmendem Wohlstand in Teilen der Bevölkerung. Unter anderem darauf bauten Politik und Großmolkereien ihre Export-Hoffnungen.
Das Auslaufen der Milchquote in Europa im Frühjahr 2015 hatte einen langen Vorlauf, den viele Milchviehhalter/innen nutzten, um ihre Bestände zu erhöhen. Um auf jeden Fall gut aufgestellt zu sein, wenn niemand mehr die Milchmengen begrenzte, nahmen sie auch die Superabgabe in Kauf und steigerten die Produktion schon vor dem Ende der Quote. Die Banken gaben Kredite für größere Kuhställe denn je. Wer mit seinem Betrieb so ins Risiko geht, klammert sich besonders an die Hoffnung nach dem Milchdurst in der ganzen Welt.
Die Warnungen gab es auch schon früh: Weltmarktpreise schwanken und liegen meistens deutlich unterhalb der Grenze, an der die EU Handlungsbedarf zur Rettung der Bauern sieht.
Allein: Der Teufelskreis wird besonders teuflisch, wenn sich zeigt, dass das plötzlich massenhaft zum Export bereit stehende Milchpulver schwächere Märkte überschwemmt und Milchviehhaltern z.B. in Westafrikanischen Ländern die Chance nimmt, ihre gute regionale Milch zu verkaufen.
Wer allein auf die Zahlen schaut, mag eine Effizienz-Steigerung sehen. Wer aber versucht, mit einer Herde, die über mehrere Generationen hinweg eine Bauernfamilie zu ernähren im Stande war, noch über die Runden zu kommen, kann das kaum schaffen, wenn er nicht eine starke und treue Kundschaft hat und das richtige Direktvermarktungsprinzip.
Das Tempo, in dem sich der teuflische Kreislauf dreht, ist noch höher geworden in den letzten zwei Jahren. Es bleiben immer mehr Höfe auf der Strecke. Weltweit.
Der große Milchpulver-Boom
Im Milchpulverrausch haben sehr viele Molkereien tief in die Investitionskassen gegriffen und für Millionen neue oder vergrößerte Milchpulvertürme errichtet.
Der Umsatzkönig in Deutschland, das Deutsche Milchkontor verbaute in Zeven 60 Millionen Euro, um künftig 600 Millionen zusätzliche Kilo Rohmilch zu dem weißen Pulver zu verarbeiten.
Einige der neuen Türme sind auf Babymilchpulver spezialisiert, andere kommunizieren auf futuristischen Internetseiten moderne Produkte auf der Basis getrockneter Milch.
Bedenklich ist, dass auch in Deutschland neue Produktionsstätten dazu gekommen sind, in denen das weniger wert- und gehaltvolle Magermilchpulver (das nach dem Herstellen von Butter oder Sahne aus der restlichen Milch gewonnen werden kann) mit Pflanzenfett angereichert wird zu einem Billig“voll“milch-Pulver. Das ist ein Produkt, was auch für untere Preissegmente und für den Export in besonders arme Regionen geeignet ist. Dort nimmt es den einheimischen Milchviehhalter/innen die Chance, von ihrer Landwirtschaft zu leben.