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Jutta Sundermann: Global – aber nicht so!

Schon bevor Columbus gen Amerika aufbrach, erreichten wertvolle Stoffe und Gewürze Europa. Heute ist jeder Frühstückstisch hierzulande globalisiert: Kaffee und Bananen stammen aus Übersee, selbst Brot, Butter und Marmelade haben viele hundert Kilometer hinter sich. Es geht nicht darum, internationalen Austausch zu verdammen. Aber vor 500 Jahren wie heute ist die Frage nach der Qualität der internationalen Handelsbeziehungen zu stellen, nach der Beachtung der Menschenrechte, nach sozialen und ökologischen Folgen.

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Gesicht internationalen Agrarhandels infolge internationaler Abkommen deutlich gewandelt. Nach makroökonomischen Zahlen ist Deutschland, ist Europa eine Gewinnerregion der neuen globalen Handelsregeln. Aber den Handelsbilanz-Überschüssen der Europäischen Union stehen alarmierende Zahlen und noch alarmierendere Schicksale in anderen Ländern der Welt gegenüber. Im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO werden Länder des Südens zur Öffnung ihrer Märkte gezwungen.

Für die Länder mit den schwächsten Agrarmärkten ist dies ein Graus: Weil die Großen, vor allem die USA und Europa, im internationalen Agrarhandelsspiel enorme Subventionen ausschütten können, kommen mit Steuergeld gedumpte Agrarprodukte konkurrenzlos billig auf die regionalen Märkte und lassen Millionen von Kleinerzeugern aufgeben.

Weltweit hungert fast eine Milliarde Menschen, die meisten von ihnen leben auf dem Land, wo sie keine Chance auf ein gutes Leben haben. Auf der vermeintlichen Gewinnerseite gibt es ebenfalls Probleme: In Baden-Württemberg wurden in den vergangenen Jahren täglich fünf Höfe für immer geschlossen. Die Agrarpolitik und die Welthandelsorganisation haben ungezählte Vorfahrtrsregeln für die Großen geschaffen. Der global ausgetragene Konkurrenzkampf unter unfairen Bedingungen führt zu einer nie gekannten Konzentration auf wenige große Unternehmen, die den Markt für Saatgut, Düngemittel und Pflanzenschutz ebenso wie den Handel mit den Agrarprodukten kontrollieren.

Unter diesen Bedingungen wird Vielfalt zur Ausnahme-Erscheinung. Für gute Produkte gibt es kaum noch gutes Geld. Proteste wie die der Milchbauern in den vergangenen Jahren weisen mindestens auf die Spitze dieses Eisberges hin.

Es ist notwendig, diese globale Konzentration infrage zu stellen. Der Bericht des Weltagrarrates stellte im Frühling 2008 dar, dass es Modelle ländlicher Entwicklung geben muss, die nicht fixiert sind auf die durchindustrialisierte Landwirtschaft. Die Herausforderung ist groß, muss aber in Angriff genommen werden – in Baden-Württemberg und weltweit.

Jutta Sundermann ist Mitglied im Koordinierungskreis von Attac Deutschland. Der Artikel erschien zuerst im Geschäftsbericht des Baden-Württembergischen Bauernverbands 2007-2009