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G20: Fortsetzung der Standortkonkurrenz mit anderen Mitteln

Merkel rechtfertigt selbstgerecht Exportwahn / Fehlanzeige bei Finanztransaktionssteuer

Seoul / Frankfurt am Main, 12.11.2010

Mit dem Gipfel in Seoul haben sich die G20 als die Fortsetzung der Standortkonkurrenz mit anderen Mitteln entpuppt. Überschattet von tiefgehenden Konflikten um die Handelsungleichgewichte und um den Abwertungswettlauf der Währungen hat die Abschlusserklärung von Seoul in den strittigen Punkten nur einen matten Formelkompromiss finden können.

Die harten Realitäten der ökonomischen Konkurrenz haben die Grenzen der G20 gezeigt – sobald es um nationale Wirtschaftsinteressen geht, ist schnell Schluss mit der Harmonie. Darüber kann auch die wohlklingende Diplomatenlyrik in der Abschlusserklärung nicht hinwegtäuschen. Besonders negativ ist die Selbstgerechtigkeit aufgefallen, mit der Angela Merkel den deutschen Exportwahn rechtfertigte.

Immerhin ist das Thema globale Ungleichgewichte aber nicht mehr vom Tisch zu bekommen. So soll eine Arbeitsgruppe bis zum nächsten Gipfel in Frankreich Kriterien zu entwickeln, die klären, was unter "exzessiven Ungleichgewichten" verstanden werden soll. Der internationale Druck auf die Bundesregierung bleibt damit aufrechterhalten. Zur Lösung der globalen Handelsungleichgewichte fordert Attac eine Ausgleichsunion (auch Clearing Union) mit einer globalen Verrechnungseinheit (Globo). Eine solche Verrechnungseinheit, verbunden mit Sanktionen für Handelsbilanzüberschüssen und -defizite wäre für ein Gewinn für alle Staaten.

Auch beim Thema Regulierung des Finanzsektors war der Gipfel eher enttäuschend. Zwar wurden die Vorschläge für die Erhöhung von Eigenkapitalanforderungen an Banken (das so genannte Basel-III-Abkommen) durchgewunken, doch bei den angekündigten schärferen Regeln für Banken von grenzüberschreitender systemischer Bedeutung ist auch in Seoul keine Einigung zustande gekommen. Bei der Frage, wie die Finanzindustrie an den Krisenlasten beteiligt werden soll, herrschte auf dem Gipfel Funkstille. So kam – trotz wohlklingender Worte der Bundeskanzlerin zu Hause – die Finanztransaktionssteuer in Seoul nicht einmal zur Sprache.

Zivilgesellschaft knüpfte erfolgreich an frühere Gipfelproteste an

Die Mobilisierung der koreanischen Zivilgesellschaft gegen den G20-Gipfel ist gut gelungen. Obwohl die koreanische Regierung eine Gipfelhysterie entfachte, wie man sie eher von einem autoritären Regime erwartet hätte, gelang es dem Bündnis aus Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Initiativen, erfolgreich an die Tradition früherer Gipfelproteste anzuknüpfen. Mit der Kundgebung am 7. November, an der 40.000 Menschen teilnahmen, dem Alternativgipfel an der Sogang-Universität und den Straßenprotesten am 11. November ist sichtbar geworden, dass die G20 überall auf der Welt mit Protest und Kritik zu rechnen haben.