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5. November 2022 - Matthias Jochheim:

Hat Friedenspolitik noch eine Chance?
Was ist der richtige Weg aus der Krise?

Das Thema wende ich hier ins Positive, also: was ist zu tun, um Friedenspolitik zum Erfolg zu verhelfen? Denn, um mit Willy Brandt zu sprechen: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist (unter den heutigen globalen Bedingungen, MJ) alles nichts.“
Was ist also zu tun, um die Gründungs-Charta der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1945 endlich zu realisieren: (Zitat) „Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, ... haben beschlossen, für die Erreichung dieser Ziele zusammenzuwirken.“

Erste Aufgabe: die Gefahren erkennen und benennen. Es ist offensichtlich: von diesen Zielen der UN-Charta sind wir heute weiter entfernt als im Oktober 1945.
Der berühmte Historiker Eric Hobsbawm äußerte 2009 in einem seiner letzten Interviews: „Meine geschichtliche Erfahrung sagt mir, dass wir uns ... auf eine Tragödie zubewegen. Es wird Blut fließen, mehr als das, viel Blut, das Leid der Menschen wird zunehmen, auch die Zahl der Flüchtlinge. Und noch etwas möchte ich nicht ausschließen: einen Krieg, der dann zum Weltkrieg werden würde - zwischen den USA und China.“*
Heute sehen wir, von der Ukraine bis Taiwan, die Zunahme der militärischen Konfrontation, bis hin zum Stellvertreter-Krieg NATO gegen Russland. Wir erleben eine ungeheure Aufrüstung besonders der NATO-Mächte, besonders auch Deutschlands, die Kündigung wichtiger Rüstungskontrollabkommen wie etwa des INF-Abkommens für das Verbot nuklearer Mittelstreckenraketen in Mitteleuropa; wir haben in den letzten 25 Jahren eine ganze Kette von Interventionskriegen erleben müssen, meist unter Bruch des Völkerrechts und oft mit Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland. Und wir haben, wieder unter Beteiligung Deutschlands, die gefährliche Nato-Osterweiterung erlebt, entgegen klarer Zusagen gegenüber sowjetischen, später russischen Regierungen.

Was können wir tun, als engagierte und informierte Bürger*innen?
Eine kritische und aktive Zivilgesellschaft hat durchaus erhebliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Regierungshandeln. Aus einem negativen Beispiel lässt sich dies deutlich ablesen: die mutige Aufklärungsarbeit des Journalisten Julian Assange wird von der US- Regierung offensichtlich als für ihre Bestrebungen so abträglich eingeschätzt, dass sie diesen „Whistleblower“ ohne Rücksicht auch auf das eigene Prestige massiv bedroht, unter Mitwirkung ihres Junior-Partners Großbritannien. Gegen den früheren jugoslawischen Staatschef Milosevic wurde ein eigenes Völkerrechtstribunal in Den Haag in Szene gesetzt, während die US-Regierung selber die UN-Justiz strikt verweigert, und unter Präsident Trump die Anklägerin des UN-Völkerrechtstribunals wegen einer Untersuchung des US-Vorgehens in Afghanistan sogar mit Inhaftierung und Enteignung bedrohte! Das sind die klassischen „doppelten Standards“, die Gustav Heinemann einmal so beschrieb: „Wer mit dem Finger auf andere zeigt, sollte bedenken, dass dabei drei Finger der Hand auf ihn selber deuten.“ - Noch ein Beispiel aus dem deutschen Polit-Biotop: der damalige Bundeswehroberst Klein veranlasste während seines Afghanistan-Einsatzes die Bombardierung afghanischer Zivilisten, die sich aus havarierten Tanklastwagen mit Brennstoff versorgen wollten – um die hundert Menschen verloren dadurch ihr Leben. Kleins Aufstieg zum General - dann auch zuständig für die Offiziers- Ausbildung - tat das keinen Abbruch.

Ursachenforschung:
Was sind die tieferen Ursachen für die globalen Kriege bis hin zum drohenden Weltkrieg?
Hobsbawm stellte in dem zitierten Interview bereits den Kontext zu der damals schon virulenten Weltwirtschaftskrise her.
Massive staatliche Aufrüstungsprogramme wurden auch schon für das deutsche Nazi-Regime als ökonomisches Stimulans genutzt, sozusagen im „double use“ mit dessen Welt-Eroberungsphantasien.
Kampf um Rohstoffe und privilegierten Marktzugang wurden schon vom damaligen Bundespräsidenten Köhler als Militarisierungsmotive benannt, etwas leichtsinnig – diese Offenheit kostete ihn sein Amt.
Präsident Eisenhower, obwohl selbst hoher Militär, benannte gegen Ende seiner Amtszeit seine Sorge über den „Militärisch-industriellen Komplex“ der USA, und dessen Einfluss auf die Regierungspolitik.

Unsere Aufgabe als Friedensbewegung: die Verbindung stärken zur globalisierungskritischen Bewegung, denn auch wir machen uns das Motto zu Eigen: „System Change – not Climate Change“, und ergänzen es: „Umwelt und Soziales stärken – Rüstung abbauen – Sicherheit neu denken!“


www.stern.de/wirtschaft/news/eric-hobsbawm--es-wird-blut-fliessen--viel-blut--3811538.htm