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27. April 2013 - Martin Breidert (DPG und attac Rhein-Sieg):

Bericht über eine Veranstaltung der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft NRW Süd, mitgetragen von attac Rhein-Sieg:

Enklavenbildung in Israel und Palästina!

Die Abriegelung des Gazastreifens und die seit fast 46 Jahren währende israelische Besatzung des Westjordanlands haben fatale Folgen sowohl für die palästinensische Bevölkerung als auch für den Staat Israel, meint Tsafrir Cohen, früher selbst israelischer Staatsbürger, jetzt Nahostreferent für die deutsche Hilfsorganisation medico international. Er berichtete während der Regionaltagung der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft in Königswinter über die schwierige Situation im Gazastreifen. Dieser rückt in den Medien meist dann in den Blickpunkt, wenn von dort aus Raketen abgeschossen werden. Nur wenigen Journalisten ist es möglich, in den Gazastreifen zu reisen. Selbst Medikamente nach Gaza zu bringen, ist schwierig. Viele der 1,5 Millionen Menschen, die dort leben, sind noch nie aus diesem riesigen Flüchtlingslager herausgekommen. Da sie von der Außenwelt abgeschnitten sind, entwickeln sie ein tendenziell reaktionäres Weltbild.

Anders ist die Situation im von Israel besetzten Westjordanland, wo 2,5 Millionen Menschen leben. Die Palästinensische Autonomiebehörde hat nur in den dicht besiedelten sogenannten A-Gebieten Verwaltungsfunktionen, während die sogenannten C-Gebiete, fast zwei Drittel des Westjordanlands, ganz vom israelischen Militär regiert werden. Tsafrir Cohen berichtete, dass die israelischen Siedlungen südlich von Hebron an das Stromnetz angeschlossen sind, während dies den palästinensischen Dörfern verweigert wird. Medico international hatte mit Mitteln aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Solarstromanlagen und kleine Windräder errichtet, die jedoch vom israelischen Militär wieder abgerissen wurden. Dies hatte Proteste der Bundesregierung bei dem israelischen Botschafter in Berlin zur Folge. Um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden, stellt die Europäische Union jährlich etwa 1 Milliarde Euro für die Palästinenser in den besetzten Gebieten zur Verfügung, für die nach internationalem Recht eigentlich der Staat Israel verantwortlich wäre.

Um von einer Stadt zur anderen zu kommen, müssen Palästinenser einen Passierschein beantragen. Sie müssen weite und teure Umwege in Kauf nehmen. Die Möglichkeiten für die Landwirtschaft, die traditionell in Palästina eine große Rolle spielt, werden immer weiter eingeschränkt. Obst und Gemüse können nicht rechtzeitig weiter transportiert werden und verderben. Schüler und Studenten erreichen nur unter Schwierigkeiten ihre Schule oder Universität. Hochschwangere und Kranke können nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht werden. Arbeiter müssen stundenlang an den vielen Checkpoints warten, um zu ihrer Arbeitsstelle zu kommen. Sichtbares Zeichen dieser Abriegelungs- und Abschottungspolitik ist der Bau eines elektronisch gesicherten Zauns und einer Mauer, die zum größten Teil auf palästinensischen Boden errichtet wurden. Nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs von Den Haag vom Jahr 2004 ist deshalb der größte Teil dieser Sperranlagen nach internationalem Recht illegal. Die andauernde Besatzungspolitik führt dazu, dass die israelische Gesellschaft immer militanter wird.

An den Vortrag schloss sich eine lebhafte Diskussion an zu der Frage, ob eine Zwei-Staaten-Lösung, wie sie von den westlichen Regierungen vertreten wird, überhaupt noch möglich ist.


Quelle: http://www.attac-netzwerk.de/rhein-sieg/attac-rhein-sieg/vortraege/