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16. Juni 2015 - Günter Schenk:

Sehr geehrte Damen und Herren
vom Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Köln,

mit Interesse nahm ich Ihre Mitteilung von heute, bezüglich der Aufschiebung der Ausstellung "Breaking the Silence" - Das Schweigen brechen - in das "Frühjahr 2016 in einem angemessenen Kontext (?)" zur Kenntnis. Sie nennen einen "Kölner Arbeitskreis Israel-Palästina, zu dem Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen für den Nahost-Friedensprozess tätigen gesellschaftlichen Gruppen gehören". Da ich mit der friedenspolitischen Szene Israel-Palästina, auch im Raum Köln, seit Jahren vertraut bin, frage ich Sie, welche "gesellschaftlichen Gruppen" im Raum Köln gemeint sind und, vor Allem, wer zu deren Vertreterinnen und Vertretern gehört.

Meine Frage ergibt sich aus der Vagheit Ihrer Meldung, die einen "Insider" keineswegs zufrieden stellen kann, müsste ich doch vom oder von der einen oder anderen Persönlichkeit unterrichtet sein - es sei denn, die Repräsentanz dieser gesellschaftlichen Gruppen sei nicht gegeben, sprich "dekretiert". Keinesfalls ist hinnehmbar, dass auch jetzt wieder undurchsichtig, wie Sie selbst erkennen lassen, erneut, diejenigen Ratgeber des OB Roters sind, von denen Sie schreiben "noch in der Phase mehrten sich Stimmen (?), die die Stadt vor negativen Wirkungen insbesondere in Hinblick auf die Mehrung von israelfeindlichen und antisemitischen Ressentiments warnten". Ist nicht gerade die nicht verständliche Verbotsaktion von OB Roters möglicherweise für antisemitische Reflexe förderlich? Musste das Ihr OB nicht wissen? Und, warum die absurde Verbindung in Ihrer Erklärung "israelfeindlich" und "antisemitisch"? Auch Sie wissen schließlich genau, dass in der Denkweise der Regierung Israels bereits jede Kritik an der Politik Israels als antisemitisch gebrandmarkt wird. Sie können gern den Versuch aufs Exempel unternehmen!

Darum ist es besonders wichtig, dass nicht jetzt erneut undefinierte, im Hintergrund agierende "Stimmen" für Herrn Roters entscheiden. Transparenz ist angesagt.

Meine Skepsis ergibt sich im Übrigen auch aus Ihrer Meldung, es handele sich im Nahen Osten um eine komplexe Situation. Es ist für mich nicht erkenntlich, in wie weit es bei über Jahrzehnte anhaltende militärische Besatzung um eine komplexe Situation handeln sollte. Und auch für die ehemaligen Soldatinnen und Soldaten von "Breaking the Silence" ist davon keine Rede. Nur um die Besatzung - und ihre tägliche Ausprägung - handelt es sich schließlich bei der auszustellenden Dokumentation.

Von "komplex" ist jedoch in Israel immer dann die Rede, wenn in Wirklichkeit einfache Dinge als nicht oder kaum lösbar dargestellt werden sollen, mit dem erklärten Ziel möglichst Jahrzehnte andauernder "Verhandlungen", bei Schaffung immer neuer Fakten am Boden. Dazu gibt es in der Vergangenheit zahlreiche Beispiele, angefangen bei sich diametral widersprechenden Aussagen des jetzigen und vorherigen Premierminiser Netanjahu vor und nach den Wahlen. Eine bessere Methode, eine Situation zu einer komplexen zu machen ist kaum vorstellbar. Das zu erkennen braucht es nicht einmal besonderer Kenntnisse. Die Lektüre der Tageszeitungen genügt bereits.

Ich kann mir jedoch nur schwerlich vorstellen, dass irgend jemand in Köln an einer künstlichen Verkomplizierung in Fragen von Freiheit und Gerechtigkeit ein Interesse haben könnte.

Zum Schluss erwähne ich, dass es bedauerlich ist, wenn das Gedenken an 60-jährigen diplomatische Beziehungen zwischen unseren Staaten zu einer flachen "Friede-Freude-Eierkuchen"- Veranstaltung verkommt. Das haben gerade diese mit schweren Geburtswehen zustande gekommenen Beziehungen nicht verdient. Dass dies die Botschaft Israels heute möglicherweise anders sieht, dass sie lieber Fähnchen schwingende Menschenmassen zeigen möchte, ist aus ihrer Sicht verständlich, wenn auch aus deutscher Erfahrung eher bedenklich. Vor 60 Jahren zog man es hingegen in Tel Aviv vor, diese Aufnahme von Beziehungen, auch die vorhergehenden "Wiedergutmachungsverhandlungen" zwischen der Regierung Konrad Adenauer und den jüdischen Vertretern unter Leitung von Nahum Goldmann bei der Bevölkerung auf möglichst niedrigem Niveau zu behandeln. Von Feiern war da nicht ansatzweise die Rede.

Dabei sei an verschiedene zeitnah vorangegangener Attentatsversuche, u.a. eine Briefbombe an Kanzler Adenauer, nach allem was wir wissen, von der Stern-Gang eines künftigen Premierministers zu verantworten, erinnert. Auch das gehört zur Geschichte 60-jähriger diplomatischer Beziehungen zwischen unseren Staaten.

Wie auch die seit 1967 anhaltende Besatzung, bei vorangegangener 19-jähriger strengster und entwürdigender Militärjustiz für die im Land gebliebenen Palästinensern, die lange wie Gefangene im eigenen Land "gehalten" und behandelt wurden.

Sie sehen, bei Ihrer, bzw. Oberbürgermeister Roters Entscheidung, die von jungen Israeli zu verantwortende Ausstellung Breaking the Silence jetzt zu unterbinden, bleibt - auch nach Ihrer heutigen Pressemitteilung - ein Geschmäckle. Statt von Feiern, so meint wohl auch die in Köln untersagte Ausstellung, solle weniger als von gemeinsamer Nachdenklichkeit die Rede sein, angesichts unserer "besonderen" Beziehungen.

Um Missverständnisse bereits im Vorfeld für die nun weit ins kommende Jahr verschobene Ausstellung zu vermeiden, bitte ich Sie um Offenlegung Ihrer Gesprächspartner und Gruppen für die Vorbereitung, die, im Sinne der Ausstellung allerdings kaum einer weiteren Vorbereitung bedarf, angesichts der erfolgreich an mehreren Orten gezeigten Ausstellung, unter anderem in der Berliner Zentrale der SPD, dem Willy-Brandt-Haus, wo der Autor dieses Briefes selbst die Ausstellung sehen konnte.

Mit besten Grüßen und Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich, freundlich

Günter Schenk,
Strasbourg, Frankreich
- membre du Collectif Judéo Arabe et Citoyen pour la Palestine, Strasbourg
- Mitlgied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (seit 1966)