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3. Oktober 2011 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Der heutige Nationalfeiertag und die internationale Politik, wie sie auch in der Süddeutschen Zeitung ihren Niederschlag findet, sind Anlass für folgende Stellungnahme zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 26.9.2011:
„Putin will die ganze Macht“ von Frank Nienhuysen und
„Die Geschichte einer Enttäuschung“ von Cathrin Kahlweit,

Franz Josef Strauß „Die Erinnerungen“, Siedler Verlag 1989,

Münchner Sicherheitskonferenz 2009

Die Ketten brechen

Die SZ-Redaktion stellt die internationale Realität vollkommen auf den Kopf, (Süddeutsche Zeitung vom 26.9.2011: „Putin will die ganze Macht“ von Frank Nienhuysen und „Die Geschichte einer Enttäuschung“ von Cathrin Kahlweit). Hätten sie Rechtskenntnis und Rechtsachtung anstatt für die Überlegenheit der reinen Macht zu stehen, würden sich SZ-Journalisten nicht vor der einzigen Supermacht verbeugen, die sich mit katastrophalen Folgen für die Weltpolitik über Recht und Gesetz erhebt.

Die harte und zutreffende Kritik vom russischen Ministerpräsident Vladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2009 gegen die US-Weltherrschaft ist keine Polemik, sondern die realistische Ansprache eines gegenwärtigen bedrohlichen Sachverhalts. Schon der türkische Premier Erdogan erkennt diese gefährliche Realität und warnt: „Es ist die Zeit gekommen, darüber zu diskutieren, ob wir an die Herrschaft des Rechts oder an das Recht der Herrschenden und Überlegenen glauben...“ (Meldung vom 20.5.2010). Diese Diskussion hat sich bisher nicht ergeben. Journalisten, die sich vor der reinen Macht verbeugen, sind Scheindemokraten im wahren Sinne des Wortes.

Absolut falsch ist die Vorstellung „Der jetzige Kremlchef Dmitri Medwedjew hatte zusammen mit Obama einen Neustart der Beziehungen begonnen...“ Mit dem US-Präsident Barack Obama hat es keinen Neustart gegeben - in keinerlei Hinsicht und es wird auch so bald kein Neustart geben. Nicht nur in der Nahost-Politik hat der US-Präsident versagt, sondern auch bei der viel versprochenen Abrüstung. Die Versprechen von Obama sind nichts als leere Worte, denn es folgen ihnen keine entsprechenden Taten. Im Gegenteil. Nach der schmachvollen Ära von George W. Bush hat eine hoffnungsvolle Welt, auch Russen und Deutsche, die notwendige Wende der Außenpolitik vom Nachfolger Obama erhofft. So groß die Hoffnung und Sehnsucht, umso größer die bittere Enttäuschung. Seine Mord-Kommandos in Pakistan, seine Drohnen-Attentaten gegen Libyen und anderswo, sein Verrat an Palästina bis zur Erpressung vom Präsidenten Mahmud Abbas und von pro-palästinensischen Ländern kennzeichnen eine höchst schändliche und abartige US-Außenpolitik unter Barack Obama. Als der palästinensische Präsident sich nicht erpressen ließ, hat der skrupellose Erpresser seinen Druck wahrgemacht und schamlos die finanzielle Hilfe für Palästina im Werte von 200 Millionen US-Dollar gestoppt. (Meldung vom 1.10.2011)

Weder der russische Präsident Dmitri Medwedjew noch der russische Ministerpräsident Vladimir Putin, auch nicht die Bundeskanzlerin Angela Merkel können realistisch an einen neuen Start mit einem solchen „Partner“ denken, der keiner ist. Weniger noch stimmt die Bezeichnung „Freund“. Erst recht nicht, wenn man sich die Konstellation und politischen Absichten während der Zeit des Kalten Krieges vor Augen führt. Franz Josef Strauß, damals Bundesverteidigungsminister, erinnerte sich: „Für den Fall, dass der von den Amerikanern geplante Vorstoß zu Lande nach Berlin von der Sowjetunion aufgrund ihrer Überlegenheit aufgehalten werde, hätten die USA die Absicht, bevor es zum großen Schlag gegen die Sowjetunion komme, eine Atombombe zu werfen und zwar im Gebiet der DDR...“ (Franz Josef Strauß, Die Erinnerungen, Siedler Verlag 1989, Seite 388)

Eine zügellose aggressive Außenpolitik der USA, die auf reiner Macht und Unterwerfung setzt, ist seit langem in der Gesetzlosigkeit gelandet. Sie verursacht und verlängert zahlreiche Krisen überall in der Welt, wie wir alle täglich sehen können. Eine brillante politische Persönlichkeit, Vladimir Putin, ist eine Bereicherung für Europa. Seine Denkanstöße verdienen volle Aufmerksamkeit, weil er sich zutreffend mutig und offen gegen diese ungeheuerliche unzulässige Außenpolitik der USA wehrte, die schon lange außer Kontrolle geraten ist und generelle Unsicherheit schafft. Deshalb bekam seine Rede bei der Münchner Konferenz 2009 eine sachgemäße Wertschätzung von New York Times. Die selbstsichere Art von unabhängigem Journalismus bleibt ein zuverlässiger Anker der amerikanischen Demokratie in den Vereinigten Staaten. Die Süddeutsche Zeitung zeigt sich dagegen immer wieder vor dem US-amerikanischen Regierungsdiktat verbeugend, ohne Selbstsicherheit, ohne sachliche Beurteilung der internationalen Lage, denn sie weiß es nicht oder traut es sich nicht zu, die Unabhängigkeit der Medien kritisch gegen die US-Patronage zu benutzen.

Wenn sich europäische Regierungen jetzt wieder auf die Seite der Irrationalität schlagen, ist diese Verirrung nicht nur ein Verrat an der europäischen Sache, sondern eine beschämende Feigheit, die sich in Aggression verwandelt, wenn sie sich mit der Brutalität der NATO identifiziert, wie es kurz nach der deutschen Einheit schon geschehen ist, entgegen aller Abkommen, Versprechen und Erwartungen im guten Glauben.

Irrtümer erkennen und korrigieren erfordert Offenheit, Bescheidenheit im Geist und viel Mut, an erster Stelle für die deutschen und EU-Machteliten. Solange diese Verarbeitung, die Analyse der jüngsten Vergangenheit europäischer Geschichte nicht stattfindet, wird Europa ohne angemessenes Gewicht in der jetzt notwendigen internationalen Debatte bleiben, um die Wiederherstellung der Vernunft und des Rechts in der internationalen Politik zu erlangen. Diese Auseinandersetzung ist lebenswichtig: Substantielle Differenzen zwischen den Machthabern sind weder zu leugnen, noch zu schonen. Wichtig ist, die Zivilisation nicht weiter zu demontieren, um eine humane Zukunft, eine gerechte und demokratische Weltordnung zu ermöglichen. Erforderlich ist eine mutige Debatte zwischen gestandenen Führungspersönlichkeiten von Regierungen, Parlamenten, und in Redaktionen. Politische Kleingeister haben hier nichts zu melden.

Europa darf keineswegs das Vertrauen Moskaus verspielen, wenn es selbst nicht in der Lage ist, die Ketten, mit denen es sich selbst an ein deplatziertes aggressives Bündnis bindet, zu brechen. Diese Entscheidung ist für ein souveränes Deutschland längst fällig und darf nicht länger vernachlässigt werden. Die deutsche, die europäische Bevölkerung will diese Befreiung von Fremdbestimmung vielmehr als die deutschen, europäischen Eliten. Ein Grund mehr, die traditionellen Volksparteien nie wieder zu wählen. 

Die europäischen Staaten scheinen allmählich mehrheitlich zur Vernunft gekommen zu sein. Sie begannen, sich von ihren Kriegstreibern zu befreien. Albright scheiterte mit ihrem kriegerischen expansionistischen Dokument NATO 2020 vollkommen. Selbst wenn die nukleare Abschreckung als Kernhindernis immer noch zu überwinden bleibt, kam vom NATO-Gipfel in Lissabon (November 2010) in der Tat ein hoffnungsvolles Signal. Zur Verhinderung eines schlimmeren Ergebnisses des NATO-Gipfels trug zweifellos der deutsche Außenminister bei. Er half, die Diskussion in die richtige Bahnen zu lenken und Themen, die nicht zur NATO gehören, auf andere Kompetenzen zu schieben. So die Bekämpfung des Drogenhandels, die Sicherung von Ressourcen und Energierouten und die Cyber-Attacken, die alle offensichtlich Aufgaben für die Polizei und die Politik sind und keineswegs für einen Militärpakt, der sogar über Atomwaffen verfügt und mit ihnen droht. Dass die Politik die Kompetenz zu diesen Aufgabengebieten bei sich behält, hat aber die Weltöffentlichkeit nicht aufgeklärt, denn sie ist selbst darüber nicht aufgeklärt und der Sache nicht gewachsen. In Europa und in Amerika muss jetzt die dringende unentbehrliche Debatte über Krieg und Einsatz von Nuklearwaffen als unzulässiges Mittel geführt werden.

Militärische Einsätze übersteigen alle Rationalität und Verhältnismäßigkeit, aufgrund dessen sie kein Mittel sein dürfen, nicht einmal das letzte, nicht einmal in der Form von UN-Blauhelm-Einsätzen. Dies einzusehen bleibt Europa immer noch schuldig, der Vatikan eingeschlossen. Es gehört zum menschlichen Fortschritt und ist bevorstehende Aufgabe des internationalen Rechts, den Krieg als größtes Verbrechen noch zu definieren und zu ahnden. Die Weltbevölkerung ist näher daran als die Regierungen, diese kriminelle Realität als Tatbestand zu begreifen. Die Medien müssen sich vorbereiten, diese Debatte aufklärerisch anzustoßen, d.h. eine Debatte über das Problem einer gewalttätigen monströsen verschwenderischen Militärbehörde, die zu einer allgemeinen Drohung geworden ist.

Redaktionen müssen ihre Befangenheit, was Denkkategorien militärischer Gewalt betrifft, durchbrechen. Das ist ihre Pflicht gegenüber einer zivilisierten friedfertigen Gesellschaft sowohl in Europa wie in Amerika. Die Flucht in propagandistische Sprachregelung wie eine angebliche Terror-Gefahr, um die NATO zu rechtfertigen und die Missachtung von Entscheidungen, die multilateral unter Gleichberechtigten von einer anerkannten Weltorganisation wie die Vereinten Nationen getroffen werden, sind besorgniserregende Indizien aus einem neokonservativen-republikanischen Amerika, die die Öffentlichkeit alarmieren müssen. Wie viele Angriffskriege hat die NATO ausgelöst? Die NATO hat keinen Terror bekämpft, weil sie selbst wiederholt Bomben-Terror verbreitet hat. Es handelt sich um die mächtigste kriminelle Vereinigung der Welt, deren Abschaffung noch vor uns steht. Sobald wie möglich, um dieser Terrorgefahr ein Ende zu setzen.

Die offene, erschreckende Verachtung der Völkergemeinschaft seitens der amerikanischen Falken führt die USA zunehmend in die Isolation. Die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, vor allem die des Sicherheitsrats, müssen sich endgültige Klarheit darüber verschaffen. Sie benötigen Entschlossenheit, um sich gegen die einzige Großmacht der Welt zu stellen.

Weil die Abrüstung und der Ausschluss von Massenvernichtungswaffen zu verwirklichen sind, wie der deutsche Außenminister Guido Westerwelle richtig das NATO-Problem einschätzt, müsste man umgehend eine Abrüstungskonferenz für Europa organisieren, so wie schon 2012 für die gesamte Nahost-Region vorgesehen ist, Israel eingeschlossen, das am höchsten bewaffnete Land in der Nahost-Region. Von Massenvernichtungswaffen ist jede Region der Welt zu befreien, Europa und USA eingeschlossen. Selbstverständlich ist die NATO-Abschreckungsstrategie völlig inkongruent mit dem Abrüstungsziel.

Massenvernichtungswaffen müssen abgeschafft werden. Man weiß inzwischen zu gut, wie unermesslich sie der Hauptfeind der Zivilisation sind. Die Staatsrepräsentanten bei den Vereinten Nationen haben schon das verlogene Spiel der USA durchschaut. Amerika ist entlarvt und muss allein die Konsequenzen seiner weltweit fehlgeschlagene Außenpolitik tragen. Genauso wie schon einmal Richard Nixon als der schlimmste Schurke ist George W. Bush als der größte Versager in die USA-Geschichte eingetreten. Neben ihm ist Barack Obama an der Reihe, der sich auf internationaler Bühne offen als Erpresser betätigt und damit die kriminelle Politik seiner Vorgänger nicht überwindet, sondern fortzusetzen scheint. Stattdessen müsste sich Barack Obama mit einer viel zu lang andauernden verhängnisvollen Last konfrontieren, aber es fehlt ihm an Willen und Unterstützung im amerikanischen Kongress, das Übel gründlich zu bekämpfen, weil gerade die Verursacher dieser verhängnisvollen Last im Kongress an Gewicht gewonnen haben und er selber vielleicht von Anfang an von ihnen abhängig geblieben ist.

Jetzt sind Selbstverantwortung und Selbstbewusstsein gefordert. Die Europäer müssen folgerichtig handeln. Dazu gelten nicht Worte, sondern Taten und die faktischen Möglichkeiten. Deshalb sollte dieses Territorium in Mitteleuropa von Nuklearwaffen befreit werden.Die Abrüstung ist eine schlüssige Sache für Deutschland, wie der Außenminister Guido Westerwelle eindeutig im Bundestag erklärte (11.11.2010). Dank seiner diplomatischen Anstrengungen konnte die Pflicht zur Abrüstung zum ersten Mal als NATO-Aufgabe in der NATO-Gipfel-Erklärung festgeschrieben werden (Lissabon, 20.11.2010).

Ein umfassender Abrüstungsprozess sollte in Europa und im gesamten Nahen Osten angestrebt werden, ohne gewaltige Kriegsmaschinerien, die den Automatismus zum Krieg in sich bergen. Hier kommen wir zum Punkt: Die Auflösung der NATO wäre nur zu begrüßen. Sie hat im 21. Jahrhundert endgültig ihre Existenzberechtigung verloren und schon zu viel Verwüstung und Schmerz angerichtet.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait