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5. Dezember 2012 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die Diskussion über die Aufstellung von Patriot-Raketen in der Türkei nahe der Grenze zu Syrien gibt Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 19.11.2012:
"Furcht vor der schiefen Bahn" von Peter Blechschmidt

und Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 5.12.2012:
"NATO warnt Assad vor Chemiewaffen-Einsatz"

und Kommentar:
"Eine Warnung - und dann?" von Martin Winter

Verzerrung der Realität durch mediale Manipulation

Zu Recht will Verteidigungsminister Thomas de Mazière den Gesang "Deutschlands Bündnistreue stehe auf dem Prüfstein" nicht mehr hören. Mit dieser wiederholten unpolitischen Phraseologie sind sinnlose militärische Operationen in Gang gesetzt worden, die Politik und Diplomatie einfach beseitigen. Westliche Mächte zusammen mit einigen reaktionären arabischen Staaten wollen keine diplomatische Lösung in Syrien und trachten mit allen bösartigen Manövern danach, sie zu verhindern. Deshalb konnte nicht der erfahrene Diplomat Kofi Annan mit seinen diplomatischen Anstrengungen erfolgreich sein. Gerade als der erste Waffenstillstand in Syrien (12.4.2012) von ihm mit der Zustimmung der Assad-Regierung und der landesinternen Opposition ausgehandelt wurde, setzten westliche Mächte Störmanöver ein, mit Terror-Attentaten und Massakern hier und da, um den Waffenstillstand als gescheitert zu kennzeichnen. Mit dem neuen Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi wiederholt sich dasselbe Muster, dasselbe Hindernis. Er konnte einen zweiten Waffenstillstand von den betroffenen Seiten zustimmen lassen und Stunden danach begannen die selbstzerstörerischen Attentate und genau wie damals beeilt sich eine dirigierte mediale Propaganda wieder einen NATO-Einsatz ins Spiel der Öffentlichkeit zu bringen, obwohl er von Anfang an als unerwünscht nicht einmal zur Diskussion steht.

Die Verzerrung der Realität durch die mediale Manipulation läuft mit dem Plan einiger westlicher Industriestaaten synchron, Syrien unter ihre Kontrolle zu bekommen, koste es, was es wolle. Die krankhafte Feindseligkeit, die westliche Besessenheit gegenüber der syrischen Regierung ist derzeit außer Kontrolle geraten. Die vom Westen und Reaktionären bewaffneten Aufständischen hören nicht auf, in Syrien zu morden und zu vernichten: Banden terrorisieren mit Explosionen die friedliche syrische Bevölkerung und randalieren in Städten und Dörfern. Ihre Stützpunkte und Zufluchtsorte befinden sich in der Türkei. Die Fakten beweisen, dass nicht die Türkei unter einer Drohung von außen steht, sondern umgekehrt kommt eine Bedrohung aus der Türkei für Syrien. Nicht die Regierung Ankaras, sondern Regierungen, welche die terroristischen Aufständischen begünstigen, versuchen Ankara bei der NATO zu mobilisieren. Dass Ankara die NATO um Beistand bitten wollte, bleibt bis heute völlig unklar. Allerdings riskiert die türkische Regierung durch törichte unpolitische Manöver eine Internationalisierung des Konflikts in ihrer Nachbarschaft. Die NATO-Staaten müssen die Türkei bremsen und an die Leine nehmen. Martin Winter weist auf folgendes hin: "Gegenwärtig ist das Bündnis weder zu Beihilfe noch zum Einsatz bereit," und zu Recht. Die syrischen Rebellen dürfen türkisches Territorium nicht nur als Rückzugsraum nutzen, sondern auch für den Nachschub an Lebensmitteln und Waffen für die Aufständischen. Die USA und mit ihnen immer weitere europäischen Staaten distanzieren sich eindeutig von den terroristischen Banden, in denen sie keine zuverlässigen Partner für eine Zusammenarbeit erkennen. Ein Vorstoß aus Paris und London, die Aufständischen weiter zu bewaffnen, ist deshalb gerade in der EU gescheitert. (Meldung vom 5.12. 2012) Absolut unrealistisch und verrückt ist es, weiterhin eine internationale militärische Intervention in Syrien mit UN-Mandat in Erwägung zu ziehen. Gerade weil ein solches Mandat nicht möglich ist, und es nicht geben wird, versuchen NATO-Länder den schiefen Weg zu gehen. Militaristische Stimmen erheben sich wie gewöhnlich gegen die Vernunft der Politik. Der SZ-Journalist Peter Blechschmidt machte uns darauf in seinem Artikel "Furcht vor der schiefen Bahn" (SZ vom 19.11. 2012) aufmerksam: "Ein Hineinwirken in den syrischen Luftraum darf es nicht geben" meinen weise Stimmen aus der Union und FDP. Im nördlichen Syrien eine Flugverbotszone einzurichten und deren Einhaltung mit Hilfe der Patriot-Raketen zu erzwingen, wäre ein großer Unfug: "Was daraus werden kann, hat man in Libyen gesehen. Da wären wir ganz schnell auf der schiefen Ebene, die wir nicht wollen". Genau davor warnen jetzt auch SPD und Grüne, aber merkwürdigerweise machen sie alle bei dieser scheinbar unsinnigen Patriot-Raketen-Stationierung mit. Nur die Linke ist selbstverständlich grundsätzlich dagegen.

Für alle Beobachter ist klar, dass in der jetzigen Lage keine Notwendigkeit für die Stationierung von Flugabwehrraketen besteht. Die Türkei ist weder mit Flugzeugen noch mit Raketen bedroht oder angegriffen worden. Aus diesem NATO-Staat ist wiederholt eine Bedrohung für Syrien ausgegangen, was die NATO alarmieren müsste, um sich nicht in ein ungewolltes Schlamassel hineinziehen zu lassen. In diesem Zusammenhang über den Einsatz von Chemiewaffen seitens Syriens zu spekulieren, ist äußerst unverantwortlich und unseriös, vor allem wenn die propagandistische völlig unbegründete Spekulation gerade von dem US-Präsidenten kommt, nämlich vom Weißen Haus, das Syrien vernichten will und davon besessen ist. So wie die Stiftung Wissenschaft und Politik wissen auch Barack Obama und das State Department, dass die Frage nach dem Einsatz von Chemiewaffen aus Syrien rein hypothetisch ist und jeder Grundlage entbehrt. Die Regierung in Damaskus werde "solche Waffen...nicht gegen das eigene Volk einsetzen" verlautete zum zweiten Mal aus dem syrischen Außenministerium.

Die NATO lanciert solches Bedrohungsgerücht als Propaganda, um für eine völlig unbegründete Stationierung von Raketen in der Türkei eine günstige Atmosphäre zu schaffen, besonders in Deutschland , woher die Raketen kommen sollen, weil die USA dafür nicht aufkommen wollen. Und Deutschland gibt sich bis jetzt den Anschein mitzuspielen, anstatt in der NATO ein Veto einzulegen. Und die USA sollten - anstatt sich in Gewaltphantastereien hineinzusteigern – de-eskalieren und die Beziehungen zu Syrien normalisieren. Sie können nicht ungeschehen machen, was sie schon den Syrern und viele anderen arabischen und islamischen Völkern angetan haben, aber sie können und müssen weiteres Leiden vermeiden, indem sie sich nicht länger zusammen mit Extremisten verrechnen. Was die syrische Bevölkerung erleben muss, ist begreiflicherweise ungeheuerlich. In ihrer Besessenheit machen NATO-Staaten vor nichts halt.

Die Stationierung der Patriot-Raketen zielt auf die Errichtung einer Flugverbotszone im nördlichen Syrien nach dem Wunsch von Ankara. Dazu fehlt aber die völkerrechtliche Grundlage. Ein Bundestagsmandat dafür sollte es nicht geben. Deutschland macht sich sonst zur Kriegspartei. Der ganze Konflikt ist eine Nummer zu groß, auch für die NATO. Die Türkei muss in ihre Schranken verwiesen werden.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait