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6. August 2011 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Syrien, Libyen, die gesamte Region steht im Zentrum diplomatischer Aktivitäten, Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 4.8.2011:
„Milde Rüge für Syrien“
(ohne die sonst übliche Autorenangabe eines SZ-Journalisten)

und SZ-Artikel vom 6.8.2011:
„Assads Panzer walzen Protest nieder“ von Sonja Zekri

Junge Welt (jW) vom 5.8.2011:
„Gewalt muss enden“ von Karin Leukefeld

Deutschland versagt im UN-Sicherheitsrat:
Keine Friedensinitiative für Libyen unter deutschem Vorsitz,
keine UN-Untersuchung der Gewalt in Syrien

Die bekannten Tatsachen sprechen für sich selbst: Der UN-Sicherheitsrat konnte glücklicherweise keine verurteilende Resolution zu Syrien verabschieden. Zum Trost der potentiellen Angreifer gab es nur eine sogenannte „Präsidentielle oder Präsidial-Erklärung“, keine bindende Resolution. Die ausgewogene Erklärung kommt den Aggressoren USA, Frankreich und Großbritannien in die Quere, die für eine Syrien-Resolution als Freibrief für einen weiteren Angriff erfolglos geworben hatten. Die SZ verzichtet darauf, sich mit der eklatanten diplomatischen Niederlage Frankreichs, Großbritanniens und der USA im UN-Sicherheitsrat zu befassen. Strikt gegen eine verhängnisvolle Resolution zu Syrien waren Russland, China, Indien, Brasilien, Südafrika und Libanon unter anderen.

Die verheerende Erfahrung mit Libyen ist mehr als genug eine gravierende Mahnung vor möglichen weiteren Vorhaben der bekannten Attentäter im UN-Sicherheitsrat. In die Ecke getrieben, haben sich die USA, Frankreich und Großbritannien als flagrante Aggressoren völlig delegitimiert und disqualifiziert, im UN-Sicherheitsrat zur Wahrung des Weltfriedens teilzunehmen, seitdem sie unverfroren das UN-Friedensorgan für Krieg und Aggression benutzen. Alle UN-Mitglieder sind davor gewarnt. Deswegen mussten sich die willigen Aggressoren, anstatt einen Freibrief für weitere Gewalt zu bekommen, mit einer ausgewogenen Erklärung im UN-Sicherheitsrat zufrieden geben. „Die Präsidial-Erklärung des UN-Sicherheitsrates trägt deutlich auch die Handschrift von Russland, China, Indien, Brasilien und Südafrika, die bisher auf bilateraler Ebene Syrien gedrängt hatten, den Reformprozess voranzutreiben und auf den Einsatz von Gewalt zu verzichten. Das UN-Gremium versichert, »die Souveränität, Unabhängigkeit und die territoriale Integrität Syriens zu achten«, eine Lösung der Krise sei »nur durch einen umfassenden politischen Prozess unter syrischer Führung« möglich, in dem die »legitimen Wünsche« und »grundlegenden Freiheitsrechte der Bevölkerung« geachtet werden müssten.“ („Gewalt muss enden“ von Karin Leukefeld, jW, 5.8.2011)

Alle diese wichtigen Aspekte lässt die Süddeutsche Zeitung absolut beiseite (siehe SZ vom 4.8.2011: „Milde Rüge für Syrien“). Ebenso die Frage, warum die Forderung nach einer Untersuchung des UN-Menschenrechtsrates zur Niederschlagung der Proteste fallengelassen wurde. Wahrscheinlich stellt sich kein anständiger seriöser SZ-Journalist zur Verfügung, dieses miese Theater der Attentäter im UN-Sicherheitsrat mitzuspielen. Wohl deshalb musste der SZ-Artikel „Milde Rüge für Syrien“ von der SZ selbst gezeichnet werden. Es gab in der SZ auch keinen Kommentar darüber. Die USA kriminalisieren sich selbst mit ihrem weiteren Versuch, den Druck auf die Regierung in Damaskus zu erhöhen, der die gewalttätigen Revolten eskalieren lassen wird.

Die regionale Position Syriens mit seiner Unterstützung des Widerstandes gegen die aggressive israelisch-amerikanische Politik ist der Kern des Problems, ein Dorn im Auge der USA. Sollten Assad und sein Regime stürzen, werden die USA und Israel eine Marionettenregierung in Damaskus einsetzen - genauso wie im Irak, in Serbien und Afghanistan. Das würde Bürgerkrieg auslösen, nicht nur in Damaskus, sondern auch im Libanon. Der syrische Präsident selbst unterstützt Reformen. Doch Reformen können nicht mitten im Vandalismus erfolgen. Der Präsident hat sich klar und offen in seiner Ansprache in der Damaskus Universität geäußert (20.6.2011). Er denunzierte „bewaffnete Terrorgruppen“, gegen die sich das Vorgehen der Regierungstruppen richte. Wie Karin Leukefeld in ihrem sachlichen Artikel feststellt „wird in der UN-Sicherheitsrat-Erklärung erstmals auf Sicherheitsratsebene der Reformwille der Regierung in Damaskus zumindest »bemerkt«. Zudem werden »alle Seiten« zum Gewaltverzicht aufgefordert, Angriffe auf staatliche Einrichtungen in Syrien werden eingeräumt.“ („Gewalt muss enden“ von Karin Leukefeld, jW, 5.8.2011)

Die syrische Regierung dementiert weiterhin eine Unterdrückung friedlicher Proteste. Die spanische Nachrichtenagentur EFE zitierte im Juni einen Reporter des türkischen Fernsehens, wonach er Augenzeuge von Dingen geworden war, die den Geschichten, die in westlichen Medien kursieren, widersprechen: Laut dieser Quelle habe tatsächlich eine syrische Stadt drei Tage lang unter der Kontrolle bewaffneter Rebellen gestanden, die 72 Soldaten gelyncht hätten. Alle öffentlichen Gebäude, wie Postämter, Krankenhäuser und Behörden seien zerstört worden. „Wir waren überrascht zu sehen, wie Tausende von Menschen die Soldaten willkommen geheißen haben.“

Andere Akteurenutzen von Anfang an die Proteste für ihre eigenen partikulären Interessen, wie es auch in Libyen geschah. Das amerikanische Eingeständnis liegt lange her öffentlich vor Augen: Washington Post zufolge (17.4.2011) finanziert das State Department insgeheim Gruppen der syrischen politischen Opposition und zugehörige Projekte, um regierungsfeindliche Programme im Land zu verbreiten. Der SZ-Artikel „Assads Panzer walzen Protest nieder“ von Sonja Zekri (6.8.2011) bestätigt die Einmischung der USA: „Rund um die Uhr bemühe sich Washington um schärfere Maßnahmen gegen Assad.“

Gegen die ausländische kriminelle Einmischung gibt es Demonstrationen. Man spricht von einer Intervention des französischen und US-Imperialismus, des Zionismus und der arabischen reaktionären Regime gegen Damaskus. Frankreich wird speziell vorgeworfen, das Land wieder seiner Kolonialherrschaft unterwerfen zu wollen, die es bis 1946 dort ausübte. In diesem Zusammenhang räumte die Sprecherin des State Department während einer Pressekonferenz am 16.6.2011 ein, dass die US-Botschaft in Damaskus und andere nordamerikanische Stellen mit Regierungsgegnern „innerhalb und außerhalb Syriens“ in Kontakt stünden. In dieser kriminellen US-Verwicklung spielt auch die EU mit und hat derweil den Druck auf Damaskus mit weiteren Sanktionen verschärft.

Anstatt seinen Vorsitz im Sicherheitsrat im Sinne einer Friedensinitiative für Libyen zu nutzen, hat Deutschland versagt, eine souveräne Außenpolitik im Sinne des Weltfriedens zu betreiben.

Indien hat am 1.8.2011 den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernommen. Bei einem Besuch in New-Dehli erklärte der syrische Vizeaußenminister, Faisal Mekdad, er habe die indische Regierung vor vorgefertigten Fehlinformationen und der Propagandamaschinerie gegen Syrien gewarnt.

Der Libanon distanzierte sich drastisch von irgendeiner Erklärung aus der UN in Bezug auf Syrien. „Der Botschafter des Libanon vor der UN erklärte, sein Land entziehe sich der Erklärung, weil sie die aktuelle Situation in Syrien nicht trifft. Das Herz des libanesischen Volkes ist mit den Syrien", manifestierte der Diplomat. (AVN, Caracas, 3.8.2011).

Aus dem jW-Artikel von Karin Leukefeld wissen wir auch: „Indien hatte zusätzlich vorgeschlagen, eine Delegation des Gremiums der Vereinten Nationen nach Damaskus zu senden, um direkte Gespräche mit der Regierung zu führen. Dies war aber von den europäischen Staaten im Sicherheitsrat und von den USA abgelehnt worden.“ Wieso?

„Der deutsche Bundesaußenminister Guido Westerwelle wiederum will die Einsetzung eines UN-Sondergesandten für Syrien forcieren. Präsident Assad hat per Dekret sowohl das neue Parteiengesetz als auch das neue Wahlgesetz in Kraft gesetzt. Am Sonntag 7.8.2011 soll das Parlament zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen, um »über die Lage Syriens und seiner Bevölkerung« zu debattieren. Frankreich reagierte unmittelbar mit Ablehnung auf die Ankündigung eines neuen Parteiengesetzes in Syrien und sprach von einer »Provokation«.“ (aus jW-Artikel „Gewalt muss enden“ von Karin Leukefeld, 5.8.2011).

Die französische Frechheit ist höchst töricht und sinnlos. Sie zeigt blamable aller Welt, dass Paris nackt und verloren da steht: Mit seinem Bomben-Terror hat Frankreich jeden Einfluss im Nahen Osten definitiv verspielt genauso wie sein krimineller Mentor, die USA. Selbst der traditionell amerikanische Verbündete Saudi-Arabien ist jetzt bereit, sich von den USA zu befreien, vor allem nach der irregeleiteten US-Politik gegenüber Palästina. Der exzellente SZ-Artikel: „Die alte Freundschaft bröckelt. Saudi-Arabien rückt von den USA ab und erklärt einen Palästinenserstaat zum Schlüssel für das künftige Verhältnis.“ von Rudolph Chimelli (SZ-6.7.2011) beschäftigt sich mit diesem brisanten Thema: „Washington Post vom Juni hat „katastrophale Folgen“ für die amerikanisch-saudischen Beziehungen vorausgesehen, falls die USA ihr Veto einlegten, wenn in den UN im September ein palästinensischer Staat ausgerufen werde. Auch König Abdullah hatte in den vergangenen Jahren mehr als einmal seine Unzufriedenheit mit der pro-israelischen Haltung Washington bekundet. Aber die Kritik Prinz Turkis, erreichte ganz andere, zuvor nie erreichte Höhen .... Der traditionellen Haltung führender amerikanischer Politiker, Israel als „unentbehrlichen Verbündeten“ zu behandeln, stellte der Prinz die Perspektive entgegen, dass es in der Region andere Kräfte – „nicht zuletzt die arabische Straße“ - gebe, die vielleicht noch wichtiger seien. „Die Geschichte wird jene widerlegen, die meinen, dass Palästinas Zukunft von den USA und Israel bestimmt wird .... Für die Palästinenser ist die Zeit gekommen, an den USA und Israel vorbei die direkte internationale Bestätigung ihrer Staatlichkeit zu suchen. Das Königreich wird im September seine ganze diplomatische Macht zur Unterstützung der palästinensischen Ansprüche auf Anerkennung nutzen. Saudi-Arabien werde darin von den anderen arabischen Staaten und von einer großen Mehrheit in der internationalen Gemeinschaft unterstützt. Blieben die USA bei ihrer bisherigen Haltung, so wäre „ein Tiefpunkt in unserer Jahrzehnte alten Beziehungen erreicht, der Friedensprozess und Amerikas Ansehen in der Arabischen Welt erlitten unheilbaren Schaden, der ideologische Abstand zwischen der islamischen Welt und dem Westen würde größer, und die Möglichkeit für Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen beiden Lagern könnten verschwinden“. So Prinz Turki, der als designierter Nachfolger des aktuellen Außenministers, sein Bruder Saud al-Faisal, gilt. Der jordanische König Abdallah war bereits in Riad, um mit dem saudischen Monarchen über die Lage im Nahen Osten zu reden. (aus Rudolph Chimellis Artikel: „Die alte Freundschaft bröckelt. Saudi-Arabien rückt von den USA ab und erklärt einen Palästinenserstaat zum Schlüssel für das künftige Verhältnis.“ - SZ, 6.7.2011).

Die Isolation der USA ebenso wie an seiner verheerenden Seite die von Frankreich ist eine Tatsache im Nahen Osten. Sie haben hier nichts mehr zu sagen. Nicht einmal ihr Geld ist willkommen. Die besondere Beziehung Syriens zu Frankreich ist vorbei: Sie ist zu einem Verhängnis geworden. Frankreich hat sich als fortwährende Kolonialmacht höchst brutal und grausam vor der arabischen Welt entblößt.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

[ Washington Post, 18.4.2011 ] [ SZ, 6.7.2011 ] [ jW, 5.8.2011 ]