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21. August 2012 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar zu

Meldungen zum Asyl für Assange,

Kommentar in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 17.8.2012: „Was Rafael Correa treibt“ von Peter Burghardt,

Stellungnahme des Botschafters von Ecuador in Berlin, Jorge Jurado, Junge Welt vom 17.8.2012

Großbritannien gut beraten,

für die USA keine Kastanien aus dem Feuer zu holen.

Der Kommentar der Süddeutschen Zeitung „Was Rafael Correa treibt“ von Peter Burghardt (17.8.2012)entbehrt jeder Substanz, denn er bewertet keine Fakten, nicht einmal weshalb der Außenminister von Ecuador dem Wikileaks-Gründer Julian Assange Asyl gewährt hat. Der „Umbau der Presselandschaft“ ist ein anderer Gesang. Hinsichtlich dieser Vermengung im SZ-Kommentar ist die zu begrüßende Presseerklärung des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke, Mitglied im Vorstand der Fraktion DIE LINKE, zur Entscheidung Ecuadors, Julian Assange Asyl zu gewähren, eine Mahnung an den SZ-Journalisten, sich konkret der Sache zu widmen, anstatt sich in irrelevanten Abhandlungen zu verlieren.

Wolfgang Gehrcke: „Ecuadors souveräne Entscheidung über den Asylantrag von Julian Assange muss respektiert werden“… „Großbritannien wäre gut beraten, nicht weiterhin mit Drohungen gegen die Botschaft Ecuadors vorzugehen, sondern Assange in sein Exil ausreisen zu lassen.“ Dieser Mahnung ist sich vollkommen anzuschließen.

Das Vorgehen gegen Julian Assange und seine Auslieferung werden wahrscheinlich aus den USA gesteuert und vorangetrieben. Diese Befürchtung ist hoch plausibel, sie basiert auf einer begründeten Vermutung. Dafür spreche, so Wolfgang Gehrcke, „das Vorgehen der US-Administration gegen Geheimnisverrat und gegen die sog. Cuban Five, die nunmehr seit mehr als 10 Jahren in US-Gefängnissen sitzen.“ Im Vorstand der Fraktion Die Linke denkt man objektiv informiert, realistisch und treffend.

Der Versuch, die Tätigkeit Assanges im Rahmen der Meinungsfreiheit im Internet mit kontingenten kriminellen Vorwürfen gegen ihn zu vermengen, ist eine grobe Ablenkung, um Verwirrung in der Öffentlichkeit zu stiften. Angebliche kriminelle Vorwürfe haben mit dem Wikileaks-Anliegen nichts zu tun. Die mahnenden Worte des amerikanischen Staatsanwalts Jim Garrison in den 60igerJahren gewinnen hiermit an Aktualität: „Recht zu sprechen ist das schwerste, was sich denken lässt, weil die Wahrheit sehr häufig eine Gefahr für die Macht bedeutet. Wer gegen die Macht kämpft, geht ein großes persönliches Risiko für sich ein.“

Abnormitäten einer Weltpolitik vor der Öffentlichkeit zu enthüllen, begründet kein Geheimnisverrat. Im Gegenteil, solche Abnormitäten zu entlarven, ist längst Hauptpflicht jedes Journalisten, der sich seinem rechtsstaatlichen demokratischen Bewusstsein verpflichtet fühlt und für eine offene funktionierende Demokratie engagiert arbeitet. In diesem Zusammenhang hat Julien Assange durch die Veröffentlichung der Wikileaks-Dokumente nur dabei geholfen, die wiederholten und lange andauernden US-Unrechtshandlungen und damit eine fehlgeschlagene Politik endlich bloßzustellen.

US-Administrationen haben schon vor langem ihre zivilisatorischen Grundsätze und demokratischen Prinzipien verraten. Daraus folgt der Verlust an Vertrauen in die USA, der schon seit Jahrzehnten anhält, und zwar durch Wortbruch, durch Verrat und Bestechung, um Kriege zu führen, durch Stellungnahme gegen Recht und Gerechtigkeit in den Vereinten Nationen. Die USA unterlaufen ständig die Funktion einer Welt-Institution, seitdem sie sich in einen skrupellosen Aggressor und Unruhestifter verwandelt haben. Sie wurden der Stolperstein für die Lösung jedes Problems, das den Weltfrieden betrifft. Dieser Verfall geschieht seit dem Mord an Präsident John F. Kennedy und seines Bruders Robert. Damit haben sich die USA als Mafia-Staat vor der ganzen Welt bloßgestellt. Beide Morde öffneten den Weg zur Amtseinführung von Richard Nixon.„Wer hilft uns, ist es Gott oder der Tod? Eigentlich bin ich nur über Leichen Präsident geworden“, sagt Nixon.

Mit dem republikanischen US-Präsident Richard Nixon, ein wahrer Psychopath, begann der Untergang der USA. Er setzte seine Stärke auf Unberechenbarkeit und neue Attentate. Er trieb das Land in den Extremismus mit Bomben auf Vietnam und Putsche gegen gewählte demokratische Regierungen. Er vermochte in Kategorien von Überlegenheit zu denken und schreckte dazu nicht vor dem Einsatz von Bomben und Terror zurück. Allein auf Vietnam wurden dreifach mehr Bomben als auf Dresden abgeworfen. Einige von Nixons Phrasen zeigen sehr klar und schockierend seine seltsame Art zu denken: „Wir müssen es genauso machen wie die Deutschen im 2.Weltkrieg.... Das wichtigste und interessanteste vor allem ist die Lüge, die Vertuschung.“

Seit Nixons Amtszeit haben sich die USA nie wieder normalisiert. Das Maß aller Dinge ist bei ihnen definitiv verloren gegangen.

Es ging auch um einen Bürgerkrieg in Vietnam. Eine neunzehn-jährige amerikanische Studentin konfrontierte Nixon so: „Wir wollen den Krieg nicht, die Vietnamesen wollen den Krieg nicht. Warum führen wir dann den Krieg weiter? Sie können ihn nicht stoppen, nicht wahr? Weil es das System ist, das entscheidet, und Sie sind ihm gegenüber machtlos!“

Daran hat sich nichts geändert. Der aktuelle Präsident Barack Obama ist auch machtlos in diesem System. Es ist das System des Militär-Industrie-Komplex, das die USA regiert. Republikaner und Demokraten haben sich ihm angepasst. Würde sich der SZ-Kommentator Peter Burghardt mit diesen verhängnisvollen Tatsachen der US-Geschichte konfrontieren, könnte er begreifen, wieso fortschrittliche humanistische Regierungen aus Südamerika, wie die vom Präsidenten Rafael Correa in Ecuador, der schon vor kurzem ein Attentat aus Washington erlitt, nicht an der Seite der mit den USA verbündeten Staaten sein kann, sondern mit großer Vorsicht und Wachsamkeit ihnen gegenüber agiert.

Großbritannien wäre gut beraten, für die USA keine Kastanien aus dem Feuer zu holen. Die Entscheidung Quitos entspricht der internationalen Erklärung der Menschenrechte und der UN-Charta, einer Person Schutz zu gewähren, die sich der Gefahr einer Willkür ausgeliefert sieht, wie Julian Assange, der begründet „kein faires Verfahren“ in den USA zu erwarten hat. Drohungen der britischen Behörden, gewaltsam in die Botschaft Ecuadors einzudringen, um Assange festzunehmen, heizen die Lage unnötig auf. Solche Drohungen, wie von Gaunern, sind eines Landes nicht würdig, das sich als das zivilisierteste der ganzen Welt ausgibt. Vergisst oder ignoriert der Außenminister William Hague die Extraterritorialität einer anerkannten Botschaft in London, sollte er zurücktreten, um dem Ruf seines Landes nicht weiter zu schaden, denn die ausgesprochene Drohung ist ein feindlicher Akt gegenüber einer demokratisch gewählten Vertretung eines souveränen, international anerkannten Staates, dessen legitimen Entscheidung „auf der Grundlage der weltweit herrschenden humanitären Prinzipien und aufgrund des in unserem Land herrschenden Respekts für die Menschenrechte getroffen“ sei, schreibt zu Recht der Botschafter Ecuadors in Berlin, Jorge Jurado. („Drohungen gegen Ecuador. Präzedenzfall“ von Jorge Jurado, Junge Welt 17.8.2012) Die Zeit des britischen Empire ist passé, die Kolonialzeit auch.

Der frühere spanische Richter Baltasar Garzón hat die Verteidigung Assanges übernommen. Er zieht in Erwägung, internationale Gerichte anzurufen, wenn London weiter eine Ausreise seines Mandanten verweigere. Garzón: „Was das Königreich tun muss, ist, die diplomatischen Verpflichtungen der Flüchtlingskonvention zu erfüllen und ihm (Julian Assange) freies Geleit zur Ausreise zu gewähren.“

Im Lateinamerika steht dieses Anliegen im Mittelpunkt der Diskussionen, vor allem die Drohung der britischen Regierung, die ekuadorianische Botschaft zu stürmen. Bei einer Sondersitzung verurteilte die Nationalversammlung in Quito am 17.8. diese ungewöhnliche Drohung und forderte die Regierung auf, dazu eine außerordentliche Zusammenkunft des UN-Sicherheitsrats zu beantragen. London wurde von den Parlamentariern aufgefordert, „friedliche Lösungen für jede internationale Kontroverse zu finden, die den Prinzipien der Unabhängigkeit und juristischen Gleichheit der Staaten, dem friedlichen Zusammenleben und der Ächtung jeder Art von Aggression entsprechen.“ Der Außenminister von Ekuador, Ricardo Patiño, richtete eine diplomatische Note an die britische Regierung.

Die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) und die Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) hatten bereits die Außenminister der Mitgliedstaaten zu einem außerordentlichen Gipfeltreffen im Guayaquil einberufen, das am Sonntag 19.8.2012 stattfand. Zuvor wollte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington am 17.8.2012 konferieren, aber die Tagung der OAS wurde auf den Donnerstag, 23.8.2012 verschoben.

Die OAS, zu der auch die USA gehören, ist ein Anachronismus geworden. Sie wurde von der politischen Entwicklung Lateinamerikas überholt, die sich von Washington entfernte. Washington weiß es, aber braucht die OAS, um seine Rolle und seinen Einfluss in seinem früheren Hinterhof nicht vollkommen zu verlieren. Die lateinamerikanischen Staaten brauchen diese Organisation aber nicht. Sie haben sich weitgehend von den USA emanzipiert und mit der Organisation der Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) ihren eigenen Zusammenschluss geschaffen – mit Kuba als Mitglied, aber ohne die USA und ohne Kanada. Washington musste beim Amerika-Gipfel im kolumbianischen Cartagena (12.4.2012) erneut erleben, dass es keinen lateinamerikanischen Hinterhof mehr hat.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait