Menü

16. April 2011 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Libyen bleibt eines der wichtigsten Themen internationaler Politik, Anlass zu folgender Stellungnahme zum 

Leitartikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 12.4.2011:
„Außenpolitik nach Gefühl“ von Daniel Brössler,

SZ-Kommentar von Stefan Kornelius vom 15.4.2011:
„Pflicht zum Bündnis“ 

NATO befiehl, wir folgen?

Die Bemühungen um eine politische Lösung in Libyen sind zuerst durch Bombenangriffe zunichte gemacht worden und gleichzeitig durch gezieltes Diskreditieren der libyschen Regierung mittels westlicher Medien, die sich mit den kriminellen westlichen Aggressoren und ihren Lügen verbünden, Lügen, die sie bedenkenlos reproduzieren, um die westliche Aggression gegen Libyen zu vertuschen.

Keine UN-Resolution darf Partei in einem Bürgerkrieg ergreifen, geschweige denn eine Einmischung in ein souveränes Land erlauben. Die Ideologie der „humanitären Intervention“ ist dieselbe Ideologie vom „gerechten Krieg“, eine Dauerlegitimation für Aufrüstung und gewaltsame Interventionen, die weltweit destabilisierend wirken und eine Bedrohung gegen den Weltfrieden darstellen. Der Militäreinsatz wird damit zum Herrschaftsinstrument der großen, militärisch besonders starken Staaten. Die „militärische humanitäre Intervention“ kann nur gegenüber schwächeren Staaten und nicht gegenüber starken Staaten erfolgen. Verhandlungen unter einer „militärischen humanitären Intervention“ führen lediglich dazu, Positionen des Interventen durchzusetzen, ohne wenn und aber. Der ominöse Präzedenzfall gegen Jugoslawien stellt die Erpressung gegen Belgrad zur Schande des ehemaligen deutschen Außenministers Joschka Fischer bloß, der im Auftrag der NATO und als Marionette der damaligen US-Außenministerin Madeleine Albright handelte. Unwürdig und schändlich! Der serbische Außenminister Zivadin Jovanovic führte damals in einem BBC-Interview den hellen Wahnsinn vor Augen.

Die deutsche Öffentlichkeit ist nicht bereit oder bleibt unfähig, diesen Wahnsinn, diese unzulässige kriminelle Erpressung gegen ein europäisches Land zu erkennen und aus Fehlern zu lernen. In seinem Leitartikel (SZ vom 12.4.2011) „Außenpolitik nach Gefühl“ entlarvt Daniel Brössler seine nackte Ratlosigkeit, seinen Mangel an eigenem Verstand, an eigenem Kompass. Er weiß offensichtlich nicht, was es bedeutet, aus Fehlern zu lernen und stellt die Frage: „War es falsch, in den neunziger Jahren auf dem Balkan einzugreifen...?“ Für eine selbstverständliche Antwort hat Daniel Brössler entweder keinen Mut oder keine Intelligenz.

Der Außenminister Guido Westerwelle tut, was er kann im Korsett einer unseligen Koalition mit der kleinkarierten CDU-CSU, wo die Kriegsanhänger selbst den richtigen Weg der Kanzlerin Angela Merkel torpedieren. Der deutsche Außenminister hat richtig den Kurs Deutschlands in Europa anders als seine Verbündeten gesteuert. Leider verzichtet er darauf, die volle völkerrechtliche Begründung darzustellen, um gegen die perfide UN-Resolution zu Libyen (17.3.2011) vor der Weltöffentlichkeit zu opponieren. Seinen Eiertanz muss Westerwelle beenden.

Der deutsche Journalismus sollte sich wie auch alle deutschen Schulkinder von dem Gruppen-Syndrom befreien. Die Gruppe ist in der deutschen Gesellschaft so bestimmend und einflußstark, dass ein absoluter Unsinn geduldet und akzeptiert wird, sollte die Gruppe ihn repräsentieren. Aber eine Selbstverständlichkeit, wie 2 plus 2 sind 4, wird abgelehnt und als Irrtum dargestellt, wenn die Gruppe sie ablehnt. Auf dieser Absurdität beruhen der große Nonsens der deutschen Außenpolitik der vergangenen 20 Jahre und die Unfähigkeit der deutschen Öffentlichkeit, sich dem Nonsens definitiv zu stellen. Oder wirkt immer noch das Führer-Syndrom, das aktualisiert heute lautet: NATO befiehl, wir folgen?

Daniel Brössler zusammen mit Stefan Kornelius in der SZ-Redaktion sind ein lebendiges Beispiel dieses Gruppen- oder Führer-Syndroms und der damit einhergehenden Hilflosigkeit, wie auch bei vielen anderen Journalisten, die ihrem eigenen Verstand nicht trauen können, weil die Gruppe oder der Führer nicht dabei ist, ihnen zu zeigen, wo es lang geht. Schließlich wird die Sache umgegangen, umgedreht und auf den Kopf gestellt: Anstatt die zutreffende Richtigkeit der nicht-kriegerischen Einstellung Deutschlands hoch zu preisen und sie vor der deutschen Öffentlichkeit begreiflich zu machen, wird die Sache mit der Masche, Deutschland gehe einen „Sonderweg“, vollkommen desavouiert.

Diese schon häufiger wiederholte Propagandamasche ins Leere offenbart die Gedankenlosigkeit und Unsicherheit deutscher Medien, eine Gedankenlosigkeit und Verwirrung zugleich, die ebenso die oppositionellen Parteien im Bundestag SPD und Grüne plagen. Die Konstruktion des Sonderwegs, um eine richtige Stellungnahme zu vermeiden, ist Indiz einer tradierten Last der deutschen Gesellschaft, nämlich immer wieder an Fehlern großer Gruppen festzuhalten und nicht die Richtigkeit einer individuellen Position anerkennen zu können. Ein déjà-vu-Szenarium aus alter faschistischer Zeit, als sich das Unrecht der Massen über das Recht Geltung verschaffte, über das Recht, das eine einzige Person oder eine einzige Partei haben kann. Wie gewaltig eine Mehrheit sich irren und das Land in die Katastrophe führen kann, beweist mit abschreckender Evidenz das Ermächtigungsgesetz. Eine Minderheit behielt das Recht, aber diese Minderheit wurde nicht anerkannt.Geschlossenheit an sich zu preisen hinter einer verbrecherischen oder gesetzlosen Handlung, wie die Bombardierung Libyens, entlarvt ein Denken aufgrund einer Haltung, die sich durch nichts von der Haltung der europäischen Faschisten und Nationalsozialisten des 20. Jahrhunderts unterscheidet.

In diesem prekären Zusammenhang ist natürlich die Haltung des deutschen Außenministers Guido Westerwelle als mutig, selbstbewusst und richtig hoch zu schätzen. Ihn argumentativ zu begreifen und die deutsche Position darzustellen, ist die Herausforderung an die deutsche Öffentlichkeit. Aber dazu müssen Formation und Ausbildung vorhanden sein, und es muss argumentatives persönliches Denken geben.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait