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29. November 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die über einen Internetdienst an die Öffentlichkeit gelangten US-Diplomatenberichte und ihre Behandlung in den Medien geben Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Meldungen vom 28. und 29.11.2010 zu Wikileaks und US-diplomatische Dokumente:

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 29.11.2010:
„US-Diplomaten düpieren Merkel und Westerwelle“ von Peter Blechschmidt und Reymer Klüver und

SZ-Leitartikel „Gefährliches Geschwätz“ von Nicolas Richter

Gelassenheit bewahren, militaristische US-Neokon-Mafia fernhalten

Die Wikileak-Dokumente sollten nicht zu einer Zerrüttung oder Verwirrung führen hinsichtlich der guten und normalen Beziehungen zwischen den Regierungen der USA und Deutschlands. Es gibt auch keinen Grund für eine Entschuldigung des amerikanischen Botschafters in Berlin, weil er sich nicht für etwas entschuldigen kann, das seine Regierung nicht zu verantworten hat. In dieser Hinsicht ist die prompte Reaktion des State Department ganz deutlich. Deshalb distanziert sich der aktuelle Botschafter des US-Präsidenten Obama drastisch von dem dubiosen Spiel früherer US-Diplomaten der Ära Bush und manifestiert eindeutig in der Öffentlichkeit seine hohe Wertschätzung für den deutschen Außenminister Guido Westerwelle, der mit der außenpolitischen Agenda des US-Präsidenten Barack Obama völlig übereinstimmt.

Es gibt im Wesentlichen dreierlei unterschiedliche Aspekte, die getrennt zu berücksichtigen sind, um Klarheit zu erlangen und nicht einfach alles in einen Sack zu werfen. Ohne Differenzierung und Überlegung landet Journalismus in substanzlosem geschwätzigen Klatsch.

Erstens: In professionelle Berichte von Diplomaten gehören keine Personenbeschreibungen oder Charakterbeobachtungen, sondern die Wiedergabe von politischen Inhalten, also politischen Auffassungen, politischen Bewertungen, Plänen, Taktiken und Strategien. Im Inhalt von vielen in die Öffentlichkeit gedrungenen US-Dokumenten ist dagegen eine Beleidigung oder eine herablassende Ansicht hinsichtlich führender europäischer Persönlichkeiten wahrzunehmen, unter ihnen die deutsche Bundeskanzlerin und der deutsche Außenminister. Das ist der gravierende Punkt, mit dem sich keine Nachricht, kein Kommentar und keine Sendung richtig befasst. Die offensichtlich gezielte aggressive Herabsetzung deutscher Regierungspersönlichkeiten, vor allem den deutschen Außenminister Guido Westerwelle betreffend, erscheint in der Öffentlichkeit mit Hilfe des Internets gerade dann, als der deutsche Vize-Kanzler bei dem NATO-Gipfel in Lissabon (19./20.11.2010.) durch sein Drängen das verhängnisvolle kriegerische Albright-Dokument „NATO 2020“ vollkommen nichtig gemacht hat und die Abrüstung als Pflicht für die NATO festlegen konnte. Woher die Attacken via Wikileak kommen, müssen sich jetzt unbefangene Journalisten fragen. Bestimmt nicht von offiziellen Stellen der Obama-Administration, sondern aus den bekannten abstoßenden Kreisen von Neokonservativen, die gut vernetzt mit dem industriellen Militärkomplex und den US-Geheimdiensten aus der Zeit früherer Regierungen immer noch agieren, ohne Kontrolle der Zivil-Regierung von Barack Obama, genauso wie sie schon damals fern der Kontrolle von John F.Kennedy ihre verhängnisvolle Macht ausübten. Dieser perfide Macht-Komplex treibt alle Spannungen auf die Spitze wie jetzt in der Nord-Südkorea-Krise. Ein Aufruf zur Besonnenheit, wie von China und vom deutschen Außenminister Guido Westerwelle zu vernehmen, ist für diese Kreise höchst belästigend. Diesen Leuten bleibt nichts anderes übrig, als ihre erwiesene Aggressivität auf andere zu schieben. Aber die Maskerade ist offensichtlich. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel war am Anfang gewiss unerfahren, was die Außenpolitik angeht, aber jetzt hat sie sehr realistisch die Weltverhältnisse begriffen. Sie versteht sich gut mit der russischen Führung, und das vor allem deshalb, weil Russland eine europäische Macht ist. Kein Fremder auf dem Kontinent. Eine selbstsichere Angela Merkel stört offensichtlich eine amerikanische Clique, die auf die Dominanz der USA in der Welt weiter setzen will. Bezeichnenderweise wird in den US-Dokumenten von Wikileaks der Kriegsminister Guttenberg als beliebter Freund Amerikas bezeichnet. Das sagt alles.

Zweitens: Die Veröffentlichung von internen Dokumenten der Koalitionsregierung oder des Parlaments ist ein Zeichen vorlauter Unbeherrschtheit und Eitelkeit von deutschen Abgeordneten und ihren Mitarbeitern, die unfähig sind, die Interessen Deutschlands in der Außenpolitik zu erkennen, weil sie sie immer noch mit amerikanischen Interessen gleichsetzen. Eine klassische Haltung aus dem Kalten Krieg, in dem sie gefesselt bleiben. SPD- und Grünen-Politiker, ja sogar einige FDP- und CDU/CSU-Politiker fühlen sich geschmeichelt, wenn sie auf einen amerikanischen Empfang eingeladen sind. Ohne diplomatische Bildung, ohne umsichtiges Taktgefühl verlieren sie schnell die Kontrolle über die Lage, in der sie sich befinden und glauben den Amerikanern privat-freundschaftlich verbunden zu sein, wenn sie alles mögliche bereden. Eine wachsame notwendige Diskretion ist für sie unbekannt. Man kann die Berichterstattung von Diplomaten nicht kritisieren, wenn sie ihre Regierung über alles unterrichten, was ihnen auf einem Silber-Tablett serviert wurde. Ein Diplomat ist genau darauf trainiert, die Ohren offen zu halten, wichtige Informationen aufzunehmen, ohne aber etwas von sich selbst preis zu geben. Eine Haltung, eine Disziplin, die konstante Wachsamkeit erfordert. Dass es ausländischen Diplomaten in Deutschland alles ganz einfach vorkommt, kann man nicht den Diplomaten anlasten, sondern nur der erstaunlichen Naivität des Gastgebers.

Drittens: Alles gerät gerade dann an die Öffentlichkeit, als die Neokon-Mafia mit ihrem Rüstungskomplex eine Ohrfeige in Lissabon erhalten hat. Wer ist der beliebte Freund dieser Leute? Die Dokumente sprechen für sich selbst: Ein Guttenberg, der nicht für Abrüstung steht, sondern für Aufrüstung und weitere Kriegstreiberei. Gefährlich an der ganzen Sache und anmaßend unverantwortlich sind die konstruierten Provokationen und Vorwände, die plötzlich publiziert werden, um einen Krieg zu rechtfertigen. Das ist völlig inakzeptabel. Hier müssen eine verantwortungsvolle Öffentlichkeit und die Politik angemessen reagieren.

Die einzige Lehre aus dieser Affäre ist ruhige Gelassenheit zu bewahren und mit der amerikanischen Regierung Obamas eng zusammen zu arbeiten, um die militaristische US-Neokon-Mafia fern zu halten und ihre Pläne zu durchkreuzen.

Die deutsche Regierung und alle anderen europäischen Regierungen sollten die amerikanischen Extremisten nicht weiter auf europäischem Territorium empfangen und dulden. Das ist die einzige vernünftige und angemessene Antwort auf die Dreistigkeit und Aggressivität aus der neokonservativen Ecke, die an erster Stelle eine Bedrohung und Intrige für die Obama-Regierung darstellt.

Luz María De Stéfano de Lenkait