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24. August 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die US-Außenministerin gibt im Zusammenhang mit der geplanten Nahost-Friedenskonferenz in Washington Anlass zu folgender Stellungnahme zu Artikeln in der

Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 23.8.2010:

„Starke Vorbehalte gegen Nahost-Verhandlungen“ von Peter Münch und SZ-Kommentar: „Früher Sieg der Pessimisten“ von „pm“

Washington und Nahost-Konflikt:

Ein Weiter-So mit Show und Bluff

Eine höchst unerwartete und deplatzierte Stellungnahme der amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton zugunsten der Verweigerungshaltung Israels schon vor den Gesprächen mit den Palästinensern in Washington diskreditiert von Anfang an einen Friedensprozess, der keine Basis, keine Anhaltspunkte für Zugeständnisse oder für Kompromissbereitschaft bietet. Schon die Art und Weise wie der Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas zur Bereitschaft für diese „Verhandlungen“ gezwungen worden ist, und zwar mit dem Druckmittel, ihm die westliche finanzielle Hilfe nicht weiter zu gewähren, falls er nicht die „Einladung“ Washingtons akzeptierte, desavouiert diesen sogenannten Friedensprozess, der nicht ernsthaft beginnt, sondern zu Recht heftigen Widerstand und Widerwillen seitens der Palästinenser hervorruft.

Die programmierte amerikanische Show erinnert an den sinnlosen Aktionismus von Obamas Vorgänger US-Präsident George W. Bush, der eine Nahost-Konferenz in Annapolis in November 2007 ansetzte, auch ohne Agenda, ohne Richtlinien überhaupt. Annapolis wirkte höhnisch gegenüber der gerechten Causa der Palästinenser. Es war ein Weiter-so mit Show und Bluff der USA, um die Verpflichtungen Israels wiederum zu umgehen. Die Bush-Regierung hatte damals keine Absicht, gemäß der Forderungen von UN-Resolutionen auf Israel Druck auszuüben. Die EU auch nicht. Leider zeichnet sich heute keine Änderung beim gegenwärtigen US-Präsidenten Barack Obama ab, der zwar mit besten Absichten sein Amt im Januar 2009 antrat, aber bisher keine wirksame Nahost-Politik betrieben hat. Anstatt Israel unter wirksamen Druck zu setzen, übt die US-Regierung einen sinnlosen Druck auf die schon schwachen Palästinenser aus, deren Ansprüche lediglich auf dem Völkerrecht beruhen, und zwar auf der Erfüllung der UN-Resolutionen zum Nahen Osten. Angebracht wäre gewesen, damals Bush und seine Anhänger, seine Trabanten mit ihrer schlecht vorbereiteten Show allein zu lassen. Genauso wie jetzt die bevorstehende Show im Weißen Haus und State Department.

Israel muss sich von den okkupierten Territorien zurückziehen, seine Expansionspolitik stoppen, um zur verlorenen Gerechtigkeit und Zivilisation zurück zu finden. Wenn nicht freiwillig, dann unter Zwang. Harte Kritik und Sanktionen für eine sich weigernde israelische Regierung sind längst fällig. Es ist höchste Zeit, dass die Arabische Liga zusammen mit ausgewählten europäischen Ländern Israel zur Achtung und Erfüllung aller relevanten UN-Resolutionen zwingen. Israel darf sich nicht weiter über das klare Friedensmandat der UN hinwegsetzen und immer wieder außer Kontrolle geraten. Sanktionen sind längst überfällig: Suspendieren des Assoziierungsabkommens mit der EU, Stopp aller finanzieller Zuschüsse und Hilfen, Einfrieren aller Konten, Stopp von Waffenlieferungen bis zum Abbruch diplomatischer Beziehungen.

Die heutige sich verweigernde Haltung Israels ist nicht neu und nicht verwunderlich, denn Israel war niemals bereit und ist es immer noch nicht, seriös und gerecht den Konflikt mit den Palästinensern und mit seinen Nachbarn zu lösen, d.h. den Staat Palästina durch Ende der illegitimen Besatzung zu ermöglichen.

Eine amerikanische Außenministerin muss in voller Kenntnis der Situation sein, bevor sie den Mund öffnet. Vor allem nach den wiederholten gescheiterten Missionen des Sonderbeauftragten von US-Präsident Obama, George Mitchell, und das Scheitern von ihr selber gegenüber dem sturen Premierminister Netanjahu. Warum ist sie dann mit einer unbegründeten unzulässigen Erklärung vorgeprescht und hat die sowieso fragwürdigen Gespräche schon präjudiziert? Wurde Hillary Clinton von Premierminister Netanjahu selbst oder von ihrem israelischen Kollegen Liebermann genötigt, dieses israelische sich-aus-der-Verantwortung-stehlen zu unterstützen? Es wäre nicht das erste Mal, dass ein äußerst aufdringlicher israelischer Staatschef Washington unter Druck setzt, um israelische Politik zu diktieren. Schon während der Diskussion im UN-Sicherheitsrat nach der Aggression von Tel-Aviv gegen Gaza 2008/2009 rief Ehud Olmert Bush an, um seine Position der UN aufzuzwingen. Deshalb war Condolezza Rice damals nicht in der Lage, der verurteilenden UN-Resolution in New York (9.1.2009) zuzustimmen, weil Bush sie in letzter Minute nach dem Telefongespräch mit Ehud Olmert dazu anwies. So erklärte sich die Enthaltung von Condolezza Rice im UN-Sicherheitsrat. Die Welt weiß inzwischen, dass sich Obama von der israelischen Lobby befreien wollte und immer noch will. Aber Hillary Clinton? Sie bleibt leider anfällig für zionistische Einflussnahme seit der Präsidentenzeit ihres Mannes, als die israelische Lobby unter Bill Clinton stärker denn je war. Hillary Clinton als Außenministerin ernannt zu haben, war deshalb hoch riskant, ja ein Fehler im Hinblick auf die erhoffte Wende im Nahen-Osten. Die Grundhaltung der arabischen Welt bleibt mit Recht skeptisch gegenüber der wünschenswerten Wende im Nahen Osten.

Die falsche Einseitigkeit im Nahost-Konflikt hat eine lange Geschichte, markiert von der Intervention der USA an der Seite Israels seit seiner Gründung 1948. Daher die Dominanz Israels in der Öffentlichkeit, während die Position Palästinas in den Medien unterdrückt oder ignoriert blieb. Eine solche Einseitigkeit ist um so gravierender, als die Führung Israels versucht, durch bloße brutale militärische Gewalt die verankerte Ungerechtigkeit zu zementieren und dabei den Friedensprozess zu torpedieren.

Die offizielle Politik Israels ist seit langem die Verweigerung von universellen Werten, mit denen sich jüdische Kultur immer identifiziert hat. Eine solche flagrante Verweigerung von jüdischen wie christlichen universellen Idealen bis hin zur Ablehnung der UN-Resolutionen über ein halbes Jahrhundert lang führt immer wieder weltweit zur Delegitimation des Staates Israels.

Dieses hartnäckige andauernde Problem für den Friedensprozess im Nahen Osten lässt ihn auf die Stunde Null zurück gehen und wiederbelebt die damalige berechtigte Frage der arabischen Welt, ob die UN-Vollversammlung 1947 überhaupt die Zuständigkeit hatte, ein Land zu teilen, gegen die Mehrheit seiner Einwohner, die darüber nicht befragt wurden, weil sie dagegen waren. Sollte sich eine Fremdbestimmung über eine Selbstbestimmung stellen dürfen? Mit dieser Frage hätte sich der UN-Gerichtshof in Den Haag beschäftigen müssen, aber die Fragestellung wurde von den zionistischen Kreisen und den USA verhindert. Allerdings gab es seitens der Vereinten Nationen keine Vorschläge, wie die Teilung Palästinas zustande kommen sollte. Großbritannien lehnte es ab, eine Politik zu betreiben, die von beiden Seiten nicht akzeptiert werden würde. Der Teilungsbeschluss der Vereinten Nationen (29. November 1947) wurde und wird bis heute nicht akzeptiert. Die Ereignisse haben gezeigt, dass es falsch war, ein Land gegen den Willen seiner mehrheitlichen Einheimischen, die Araber waren, zu teilen. Strategisch ist die Ausgangslage im Kernkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern in den vergangenen 60 Jahren unverändert geblieben, wie der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer zutreffend erkannt hat. (SZ, 27.1.2009).

Hamas ist kein Friedensfeind. Sowie die PLO es auch nicht war. Hamas hat kein Interesse daran, den Konflikt weiter zu verschärfen. Sie setzte große Hoffnung auf die Obama-Regierung, eine Hoffnung, die nicht enttäuscht werden darf. Man hoffte, die neue US-Regierung Obamas verfolge eine veränderte Politik, eine gerechte Nahost-Politik. Allerdings ist jahrelang die Bosheit zu weit gegangen. Niemals hätten die USA Israel bis an die Zähne bewaffnen dürfen. Aus Israels Regierung sind keine Signale für einen konstruktiven ernsthaften Friedensprozess zu erkennen. Ihre Einwilligung in „Verhandlungen“ ist reines Kalkül, um ihre Isolation zu überwinden. Deshalb ist der heftige Widerstand gegen angebliche „Verhandlungen“ nicht nur von Hamas, sondern auch von allen anderen palästinensischen Gruppen vollkommen berechtigt. In einer gemeinsamen Erklärung haben elf palästinensische Organisationen direkte oder indirekte Verhandlungen mit Israel erneut in Damaskus abgelehnt (15.8.2010). Schon in ihrer ersten Amtzeit weigerten sich die rechtsorientierten Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (1996-1999) und dann Ehud Barak (1999-2000), sämtliche besetzte Territorien zurückzugeben. Solange diese starrsinnigen Friedensfeinde an der Macht bleiben, gibt es keine glaubwürdige Basis für Friedensgespräche mit den Palästinensern. Deshalb ist Präsident Abbas zu Recht auf Distanz zu Israel gegangen. Mit den USA als Moderator kann Israel die Gespräche nach Belieben diktieren. Der Rückzieher von Präsident Obama, was die gerechte Position der Palästinenser betrifft, führt natürlich zu einer Stagnation desselben Prozesses. Präsident Abbas und die ganze Arabische Liga sind sich darüber im Klaren, dass von der Achse USA-EU nichts anderes zu erwarten ist, als der schäbige Versuch vor der Öffentlichkeit eine Show zu veranstalten, als ob Friedensgespräche im Nahen Osten statt fänden.

Die wiederholte Predigt über das Existenzrecht Israels ist nicht weiter zu dulden. Sie lenkt vom Problem ab und schafft Verwirrung in der Politik, um von einem entscheidenden Tatbestand abzulenken: Israel ist der einzige Staat, der sich anmaßt, außerhalb legitimer anerkannter Grenzen zu existieren. Israel hat keine legitime international anerkannte Grenze. Darüber hinaus hat Israel das Existenzrecht seiner Nachbarn nicht anerkannt und den Beschluss der UNO über die Gründung eines Staates Palästina ebenso nicht, auch nicht die seit fast einem halben Jahrhundert bestehende Forderung des UN-Sicherheitsrates, die 1967 okkupierten Gebiete zu räumen, eine minimale Forderung, die sowohl Präsident Machmud Abbas wie Premier Salam Fajed, Fatah und Hamas vertreten. Alle Initiativen für einen Staat Palästina setzen deshalb voraus, zuerst die Besatzung Palästinas durch Israel zu beenden, um glaubwürdig zu sein. Mit anderen Worten, Israel muss sich aus allen besetzten Gebieten vollständig zurückziehen. Die illegale israelische Apartheids-Schandmauer in Palästina muss fallen.

Der Friedensprozess im Nahen Osten muss auf eine glaubwürdige Basis, auf ehrlichen Richtlinien beruhen, nämlich die Anerkennung der UN-Resolutionen, die innerhalb völkerrechtlicher Grenzen das Existenzrecht beider Staaten betreffen. Unehrliche, unaufrichtige Verhandlungen würden die Glaubwürdigkeit der USA und der EU weiter zerstören. Legitime international anerkannte Grenzen gelten für das Existenzrecht eines jeden Staates. Jenseits seiner legitimen Grenzen hört das Existenzrecht jedes Staates auf. An die Einhaltung der UN-Resolutionen muss die Außenministerin Hillary Clinton das Verhalten Israels messen. Dann bekäme sie eine viel realistischere Einschätzung des Problems Israel.

Washington darf nicht einmal eine minimale Eskapade eines israelischen Premiers zulassen.

Ein kurzer Blick auf die Evolution der Nahost-Politik des US-amerikanischen politischen Apparates mahnt zu höchster Wachsamkeit und erfordert mehr öffentliche Aufklärung über die Lage:

-1956 forderte ein empörter Präsident Dwight Eisenhower den Rückzug Israels aus Sinai und Gaza bis spätestens im Jahr 1957.

-1982 forderte Präsident Ronald Reagan den sofortigen Rückzug der israelischen Truppen aus Beirut.

-1991 musste der damalige Außenminister James Baker enormen Druck auf Israel ausüben, um es zu zwingen, an der Madrid-Konferenz teilzunehmen, wo die PLO zum ersten Mal repräsentiert war (1991).

Heute muss ein erhöhter, starker Druck dringend die sofortige bedingungslose komplette Aufhebung der Gaza-Blockade und die Öffnung der Grenzen erzielen,wie die EU-Außenminister in Luxemburg am 14.6.2010 forderten und demgemäß die EU-Beauftragte Catherine Ashton vor der israelische Führung am selben Tag ihrer Reise nach Gaza im vergangenen Juli auftrat. Dann muss der Druck aus Washington, London und Berlin erreichen, dass sich Israel aus allen geraubten Territorien zurückzieht, die den Palästinensern und Syrien gehören.

Die arabischen Staaten dürfen keineswegs dem Irrweg Netanjahus folgen. Sie sind aufgerufen, sich solidarisch mit der palästinensischen Causa zu zeigen und entsprechend zu handeln. Es ist zu erwarten, dass dieses Mal die USA auf der Seite des Völkerrechts und damit der Gerechtigkeit weiter agieren und daher gegen die Rechtsradikalen in Tel-Aviv beharrlich konsequent vorgehen werden.

Verantwortungsbewusste, völkerrechtlich standfeste europäische Außenminister wie Guido Westerwelle, sein belgischer, britischer, portugiesischer, spanischer, seine skandinavischen Kollegen und viele andere sind aufgerufen, sich zu positionieren und nicht länger abseits zu bleiben, vor allem wenn Netanjahu die Unverschämtheit hat, sie zu brüskieren, indem er mit extremer Arroganz und raffinierten Verlogenheit erklärt, dass er sich nur von der US-Regierung und sonst niemandem bitten lassen will. Die reine Wahrheit ist, dass Netanjahu nicht einmal Washington als Autorität neben sich anerkennt. Längst tut Netanjahu, was er will, unbeachtet von Washington, unbeachtet von Brüssel und unbeachtet von der UN. Der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kann das unverfrorene und verlogene Verhalten Israels nur bestätigen. Das Weiße Haus, die EU und die UN dürfen nicht länger zusehen, wie terroristische Gewalt gegen die staatenlosen Palästinenser zügellos wird und die Ungerechtigkeit ihnen gegenüber sich militärisch zu zementieren weiter anschickt. Die Glaubwürdigkeit von Präsident Obama, aber auch die Glaubwürdigkeit aller EU-Außenminister steht auf dem Spiel.

Luz María De Stéfano de Lenkait